Das Abwassersystem des Serapeum-Canopus-Komplexes in der Villa Hadriana

August 21, 2017 | Autor: Marco Placidi | Categoria: Archaeology, Speleology, Speleoarchaeology, Archeology and Speleology, Roman Archaeology
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Das Abwassersystem des Serapeum-Canopus-Komplexes in der Villa Hadriana Marco Placidi (Übersetzung: Jens Köhler)

1. Vorbemerkung Die Villa Hadriana ist hinsichtlich unterirdischer Konstruktionen ein Mikrokosmos, der die wichtigsten und geläufigsten Typen von Hypogäen enthält, welche normalerweise auch im Stadtgebiet der Hauptstadt Rom angetroffen werden können. In diesem Zusammenhang ist folglich das Studium der unterirdischen Anlagen der Villa wichtig für das Verständnis der historischarchäologischen Bedeutung des Monumentes, aber vor allem ist es von grundlegender Wichtigkeit für das Verständnis der Anlagen selbst (besonders der hydraulischen). Denn diese können in der Villa Hadriana ungestört von größeren Umänderungen und Verzerrungen erforscht werden; diese hydraulischen Anlagen sind in anderen Kontexten, wie sie in der Stadt Rom vorliegen, oftmals verändert, verfälscht und aus dem originalen Funktionszusammenhang gerissen. Das Studium der unterirdischen Konstruktionen wird erstmals unter wissenschaftlichen Forschungskriterien angegangen, und vor allem unter Einsatz angemessener technischer Hilfsmittel, die eine Dokumentation auch kleinster Hohlräume erlauben. Auf dieser neuen, an unpublizierten und heterogenen Bestandteilen reichen Arbeitsgrundlage werden neue Theorien zur Wassertechnik entworfen und diskutiert; und zwar sowohl zur Wasserversorgung als auch zur Wasserentsorgung des zentralen und peripheren hydraulischen Systems, welches das Funktionieren des gesamten archäologischen Bereiches erlaubte1.

Nunmehr schon seit einigen Jahren besteht die Zusammenarbeit zwischen „Roma Sotterranea“ und Prof. Dr.-Ing. Henning Fahlbusch von der Fachhochschule Lübeck, mit dem Ziel der Erforschung der unterirdischen hydraulischen Einrichtungen in der Villa Hadriana (Tivoli).

Abb. 1: Latrine auf der Ostseite (EZT 35), von der aus die Inspektion der Anlage möglich wurde. Man beachte auf dem Fußboden die von der Entfernung eines Bleirohres stammenden Spuren.

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Der Ingenieur Ambrogio Del Caldo von der Società Pirelli hat auf Veranlassung von Salvatore Aurigemma eine Einzelstudie über das hydraulische System des Canopus erstellt. s. A. Del Caldo, Il sistema idraulico del Canopo, in: Aurigemma 1961, 127-134. Die Untersuchung betraf jedoch grundsätzlich das Wasserversorgungssystem, während das Abwassersystem vollständig unbeachtet blieb. In dieser Beziehung sagt Del Caldo

a. O. 128: „Nel centro del criptoportico corre sotto al pavimento un cunicolo di fognatura: non mi è dato di controllare quanti discendenti sono ad esso collegati ed in che modo.“ (In der Mitte des Cryptoporticus verläuft unter dem Fußboden ein Abwasserkanal: Es war mir nicht möglich zu überprüfen, wieviele Fallschächte mit diesem verbunden sind und auf welche Weise).

Die Wasserkultur der Villa Hadriana, Schriften der DWhG, Band 8, Siegburg 2008, ISBN 978-3-8334-4081-6

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Abb. 2: Lageplan mit Raumnummern nach De Franceschini 1991.

Ziel dieses Forschungsprojekts ist es, die für die Wasserentsorgung des Serapeum-CanopusKomplexes in der Villa Hadriana benutzten unterirdischen Anlagen zu erkunden, zu erforschen und zu dokumentieren.

2. Die Erkundung der Kanäle Der Zugang zum System der im Bereich des Serapeums liegenden Wasserkanäle ist von zwei Einzel-Latrinen aus möglich, die sich im Osten und im Westen des Serapeums befinden (Abb. 1); diese sind jeweils erkennbar in den Räumen Nr. 35, 26 und 142 (Abb. 2). 2

Die Nummerierung der Räume folgt dem Katalog bei De Franceschini 1991, vgl. Abb. 2.

Die erste und intensivste Erkundungsphase der Anlage wurde von Februar bis Mai 2003 durchgeführt. In der Folge haben bis 2005 weitere einzelne Inspektionen stattgefunden, um bestimmte Befunde zu überprüfen oder im Untersuchungsprozess herangereifte Fragen zu beantworten. Die Erkundung ist, außer in mehreren Projektphasen, auch unter Einsatz unterschiedlicher Methoden ausgeführt worden: Erkundungen in den Kanälen durch in der speleo-archäologischen Praxis erfahrene Mitarbeiter (Abb. 3) wechselten ab mit Inspektionen durch einen ferngesteuerten, mit Filmkameras bestückten Roboter, und zwar in den Kanal-Abschnitten, die wegen ihrer begrenzten Abmessungen keine direkte Begehung durch die Mitarbeiter zuließen.

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Abb. 3: Der Einstieg der Speleologen in das Abwassersystem.

Abb. 4: Die speleologische Erkundung stellte sich wegen der extrem engen Raumverhältnisse außergewöhnlich schwierig dar.

Der Roboter „Adriano I“ ist ein ferngesteuerter Roboter mit vier angetriebenen Rädern und mit zwei voneinander unabhängigen Filmkameras. Der Roboter wird von außen mittels einer Konsole gelenkt. Das Videosignal kann in Echtzeit empfangen werden und die Inspektion kann umgehend auf DVD aufgezeichnet werden.

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Die erste Erkundung des Abwasserkanals wurde von Mitarbeitern durchgeführt (Abb. 4). Dabei konnte der Ablauf der östlichen Latrine (Raum Nr. 35) durchquert werden. Der erste Abschnitt besitzt im Vergleich zu den folgenden Stücken geringere Dimensionen (Festpunkt 1 und 3). Er präsentiert sich in einem ausgezeichneten Erhaltungszustand (Abb. 5). Das Ziegelmauerwerk der Wandungen ist in der Lage, die insgesamt gut erhaltene giebelfömige Abdeckung („a cappuccina“) zu tragen. Nach ca. 3 m mündet dieser erste Kanal in einen Hauptkanal ein, der bei gleicher Breite eine größere Tiefe aufweist (s. Detailzeichnung in Abb. 5). Zu beachten ist, dass das Niveau der Sohle tiefer liegt, um den Ablauf des Wassers zu ermöglichen, während die Abdeckung grundsätzlich auf der gleichen Höhe bleibt. Die Sohle ist in ungleichmäßiger Weise mit Erde überdeckt, wodurch im Innern der einzelnen Kanalabschnitte die Tiefe variiert. Nach Süden hin reicht die Verschüttung bis 20 cm unter die Spitze der Giebelabdeckung (Festpunkt 5 und 6). Mit dem Archäologen Hubertus Manderscheid wurde eine teilweise Reinigung des Kanals auf ca. 2 m Länge vom Festpunkt 5 aus (Richtung Süden) vereinbart, um die Stelle der Biegung hinter dem Bereich von Festpunkt 6 klären und messen zu können. Von dieser Stelle aus wurde in einer späteren Erkundung der ferngesteuerte Roboter eingesetzt werden, um den weiteren Verlauf der Kanäle zu klären. Der Kanal stellte sich dann als fast vollständig verschlossen heraus; dennoch ist eine Verbindung mit der an Raum Nr. 15 angrenzenden Latrine (EZT 14) denkbar. Zu vermerken ist, dass in dem Abschnitt zwischen Festpunkt 5 und 6 auf der Schlammschicht des Kanals am Übergang von den bipedales der Abdeckung zu den Ziegelwandungen eine tropische Muschel gefunden wurde (es handelt sich um ein Exemplar von Chicoreus ramosus von ca. 20 cm Länge); sie ist wahrscheinlich in der Kaiserzeit in den Abflusskanal der Latrine geworfen worden. Im Abschnitt 8 - 9 sind die Überreste einer Eierschale sichtbar, die wahrscheinlich von einem Straußenei stammen.

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Abb. 5: Das System der Abwasserkanäle im Umkreis der östlichen Latrine (EZT 35, vgl. Abschnitt VI, Abb. 134).

Bei der Inspektion des Kanals auf der Nordseite (Festpunkte 7 und 8) wurde festgestellt, dass die Anfüllung mit Schlamm, die jetzt weitgehend eingeebnet ist, zunimmt und eine weitere Erkundung zwischen Gewölbe und dem darunterliegenden Schlamm nur kriechend möglich ist. Hervorzuheben ist, dass sich kurz hinter dem Festpunkt 8, auf der östlichen Seite des Kanals, die Einmündung eines kleinen Wasserkanals befindet3/4. Bei Festpunkt 10 gibt es eine 3

Maße des giebelförmigen Kanals („a cappuccina“) B 0,35 m, H 0,40 m. Der Kanal ist vollständig von einer Füllung mit Kalkablagerungen verschlossen. Interessant ist die Beobachtung, dass die beiden bipedales bis zum Anfang des Verschlusses sauber zugeschnitten sind, und an dem Punkt des Zusammentreffens mit dem Hauptkanal der bipedalis der Abdeckung in letzterem unregelmäßig geschnitten ist. Wegen dieser Besonderheit ist denkbar, dass eine Maßnahme zur Reinigung dieses Kanalabschnitts vorgenommen worden ist, um die Kalkablagerungen zu entfernen. 4 [Anmerkung des Herausgebers: Bei diesem einmündenden Kanal handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Entwässerung des vermuteten Wasserspiels

Verzweigung (Abb. 6), deren westlicher Abschnitt (Festpunkt 10 und 14) das Wasser durch zwei sich plötzlich absenkende Teilstücke hindurch zur Entsorgung in Richtung Canopus leitete5 (Abb. 7). Der östliche Abschnitt (Festpunkt 10 und 16) dagegen diente der Aufnahme von Regenwasser, das aus den an den Wänden angebrachten Fallrohr-Schächten kam. Es sei darauf hingewiesen, dass sich in diesem Abschnitt viele Ziegelstempel befinden, davon einige in hervorragendem Erhaltungszustand (vgl. Abb. 8). Der verbleibende Abschnitt des Kanals (Festpunkt 18 und 19) stellte sich wegen der geringen Abmessungen als nicht begehbar heraus. Er

im Apsisraum Nr. 36, vgl. Abschnitt VI, Kap. IV,3,1,2., Apsisraum 36.]. 5 Dieser Abschnitt kann nicht erkundet werden, da der Schlamm wegen der Absenkung hoch aufschichtet ist und den Kanal vollständig verschließt.

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wurde deswegen mit Hilfe des ferngesteuerten Roboters erkundet, der die Inspektion an dem letzten Wand-Abfluss beenden musste.

Abb. 6: Abzweigung in der Nähe von Festpunkt 10.

Es erfolgte deshalb eine Erkundung der westlichen Latrine (EZT 26), die jedoch aufgrund ihrer zu kleinen Dimensionierung selbst nicht begehbar ist. Deswegen wurde beschlossen, die Erkundung unter Einsatz des ferngesteuerten Roboters durchzuführen, und zwar ausgehend von dem ersten Fallrohr-Schacht für Regenwasser, der sich im Innern von Raum Nr. 25 befindet6. Die Inspektion erwies sich wegen der geringen Abmessungen als ziemlich schwierig. Trotzdem gelang es nach mehreren Versuchen und vor allem durch das Vorgehen mit dem Roboter von zahlreichen verschiedenen Zugängen aus, d. h. durch die in Raum Nr. 25 befindlichen Öffnungen für die Fallrohr-Schächte für Regenwasser, die Ausdehnung dieser hydraulischen Anlage zu bestimmen. Sie stellte sich als in technischer Hinsicht nahezu spiegelbildliches Gegenstück zu der Anlage im Osten heraus (vgl. Abb. 134 in Abschnitt VI). In der Nähe der Abfluss-Verzweigung in Richtung Canopus wurden auch die Reste eines Eies gefunden, dessen typologische und gattungsmäßige Zuweisung nicht gelang. Ein weiterer Versuch, der bis heute aufgrund technischer Schwierigkeiten noch nicht unternommen wurde, wird die Inspektion des weiteren Kanalverlaufs der Latrine in Richtung Magazinbau sein (Raum Nr. 11).

3. Anmerkungen zur Bauweise der Kanäle Die verschiedenen Abwasserkanäle, aus denen sich die Gesamtanlage zusammensetzt, sind in Ziegelmauerwerk ausgeführt, soweit es die Wandungen betrifft, während die giebelfömige Abdeckung („a cappuccina“) aus bipedales besteht, die oftmals noch recht gut erhaltene Hersteller-Stempel (Abb. 8) aufweisen. Abb. 7: Das Ende in Richtung Canopus. Die Absenkung der Kanalhöhe, notwendig für das richtige Gefälle, verhindert eine darüber hinausgehende Erkundung.

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Es handelt sich um den Korridor nordwestlich des derzeitig als Magazin genutzten Raumes Nr. 11.

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Abb. 8: Einige im Inneren des Abwassersystems gefundene Ziegelstempel.

ten. Zuerst wurden nämlich die seitlichen Mauern errichtet, um daraufhin den Kanal mit giebelförmig („a cappuccina“) angeordneten bipedales zu verschließen und anschließend die Baugruben mit Erde aufzufüllen. Aufgrund der Untersuchung des Baugefüges kann vermutet werden, dass die Bauarbeiten am Abwassersystem unter freiem Himmel erfolg-

Der Erhaltungszustand ist insgesamt gut. Die Sohlen aller Kanäle sind in unterschiedlichen Höhen mit Füllmaterial bedeckt. Die Füllung wird zumindest in den unteren Schichten auf

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die originalen Abwässer aus der Zeit, als die Kanalisation in Betrieb war, zu beziehen sein. Es wäre also besonders nützlich und interessant, stratigraphische und mikrobiologische Untersuchungen der Bestandteile durchzuführen.

4. Vorschläge zur Interpretation Die Abwassersysteme der Korridore und Nebenräume des Serapeums erweisen sich sowohl auf der Westseite als auch auf der Ostseite als weitgehend spiegelbildliche Anlagen, zumindest von einem funktionalen Blickwinkel aus betrachtet. Die Kanäle würden nach einer vollständigen Entfernung des Füllmaterials in der Höhe bis zu etwas weniger als 2 m messen. Es überrascht folglich nicht, dass sie die Abwässer der Latrinen gemeinsam mit dem von den Dächern der Serapeums-Räume abfließenden Regenwasser aufnehmen konnten. Die Methode, AbwasserAusflüsse mit denen für Regenwasser zusammenzuführen, war bei den Römern sehr verbreitet. Sie gewährleistete im Falle von ergiebigen Niederschlägen die Reinigung der Kanalisation7. Nachdem das Wasser, sei es das Abwasser der Latrinen oder das Regenwasser, gesammelt war, wurde es von den seitlichen Anlagen zu einem Kanal geführt, der sich entlang der Hauptachse des Canopus befindet. Über diesen Punkt hinaus ist es noch nicht möglich, herauszufinden, wie das System sich fortsetzte. Dabei sind zwei Hypothesen möglich:

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Ein besonders gutes Beispiel ist die Cloaca Maxima, die aus genau diesem Grund nach wie vor ihren Zweck erfüllt, und das ohne irgendwelche Instandhaltungsmaßnahmen ununterbrochen seit ca. dem 4. Jh. v. Chr. Dazu läuft derzeit ein Forschungsprojekt von „Roma Sotterranea“.

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Der erste Vorschlag (Abb. 9) beruht hauptsächlich auf einer kritischen Auswertung der Veröffentlichungen Aurigemmas. Dieser behauptet nämlich, bei der Canopus-Grabung ein Abwassersystem erkannt zu haben, das entlang der Längsachse desselben verläuft. Dieser angebliche Abwasserkanal liegt genau in einer Achse mit den beiden Kanälen, die sich in den östlichen bzw. westlichen Korridoren (Nr. 22 und 25) des Serapeums befinden. Zur Stützung dieser Hypothese können drei Argumente angeführt werden: – Das erste besteht in der topographischen Entsprechung zwischen den beiden Serien von Kanälen, die offensichtlich aufeinander zulaufen, um sich zu treffen. – Das zweite bietet eine Erklärung der Funktionsweise des Kanals an, der von Aurigemma im Innern des Canopus entdeckt wurde. Es könnte tatsächlich in Betracht gezogen werden, dass es sich um die giebelförmige Abdeckung („a cappuccina“) eines Kanals handelt. Wenn man bedenkt, dass das Gefälle von Süden nach Norden hätte gehen müssen, verschwindet in Übereinstimmung mit Punkt J (vgl. Abb. 9 und 10) die Abdeckung, da der Kanal sich hier weiter absenken müsste. – Das dritte Argument schließlich stammt aus einer Untersuchung, die im Sommer 2005 durchgeführt worden ist und bei welcher der an der Spitze des Canopus (Nordseite) gelegene Schacht (Abb. 9 und 10) ausgegraben wurde. Obwohl sich die Grabung auf einige Meter um den Brunnen herum erstreckte, sind keine Reste von Kanälen gefunden worden, die hier im Falle der Ablehnung dieser Hypothese bzw. bei Annahme der zweiten Hypothese (Abb. 10) hätten angetroffen werden müssen. Dagegen muss allerdings angeführt werden, dass aus betriebstechnischer Sicht die Führung des Abwassers vom Serapeum unter dem Niveau des Canopus keine ideale Lösung gewesen wäre, auch wenn bei dieser Methode nur ein einziger Kanal benötigt worden wäre.

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Abb. 9: Erster Erklärungsvorschlag zur Funktionsweise des Abwassersystems.

Abb. 10: Zweiter Erklärungsvorschlag zur Funktionsweise des Abwassersystems.

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Der zweite Erklärungsvorschlag (Abb. 10) geht davon aus, dass die beiden Kanäle aus den Seitengebäuden parallel zum Canopus weiterlaufen würden8, jedoch außerhalb von diesem. Sie würden sich erst in der Nähe des an der Spitze des Canopus befindlichen Schachts vereinigen. Für diese Hypothese spricht das bessere Funktionieren des Abflusses auch unter dem Gesichtspunkt der Instandhaltung; wenn auch, wie unter dem dritten Punkt des vorausgehenden Vorschlages gesagt, im Laufe der Grabungskampagne keine Kanäle in der Nähe des Schachts entdeckt worden sind.

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6. Exkurs: Ein außergewöhnlicher Fund Die Entdeckung einer Muschel im Innern der Abwasserkanäle stellt einen außergewöhnlichen Befund von fraglos großem Interesse dar, sei es für die Einschätzung in Hinsicht auf ihren Ursprungsort, sei es vor allem für eine mögliche Interpretation der konkreten Verwendung des Weichtieres. Der Chicoreus ramosus ist ein Bauchfüßer, der im Pazifischen Ozean vorkommt (Insel Luzon, Philippinen); die Muschel hat eine Länge von ca. 20 cm.

Sicher ist allerdings, dass das Abwasser zu dem Haupt-Abwasserkanal des Canopus geführt werden musste, der nördlich von diesem liegt und der vollständig durch die Speleologengruppe „Roma Sotterranea“ erkundet und gereinigt worden ist.

5. Ausblick: Die nächsten Forschungen Bei dieser Lage der Dinge würden weitergehende Ermittlungen in Form einer kleinen Grabung erlauben, mit Gewissheit zu entscheiden, welche der beiden Hypothesen für den weiteren Verlauf der Abwasserkanäle zutrifft. Eine Untersuchung der im Innern der Kanäle entdeckten Ziegelstempel würde es gestatten, mit größerer Genauigkeit die Entstehungszeit des Baukomplexes Serapeum-Canopus zu bestimmen, und mit hoher Wahrscheinlichkeit klären können, welche der verschiedenen Hypothesen die glaubwürdigste ist.

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Hypothesen zu den Grabungen im Boden des CanopusBeckens bei Manderscheid 2000, 109f. bes. 123-129.

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