Das pleomorphe Adenom

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Schwerpunkt: Speicheldrüsenpathologie S. Ihrler1 · S. Schwarz2 · P. Zengel3 · O. Guntinas-Lichius4 · T. Kirchner1 · C. Weiler1

Pathologe 2009 · 30:446–456 DOI 10.1007/s00292-009-1204-6 Online publiziert: 18. Oktober 2009 © Springer Medizin Verlag 2009

1 Pathologisches Institut, Ludwig-Maximilians-Universität München 2 Pathologisches Institut, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen 3 Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Ludwig-Maximilians-Universität München 4 Klinik für Hals-, Nasen und Ohrenheilkunde, Universität Jena

Das pleomorphe Adenom Pitfalls in der Diagnostik und klinischpathologische Progressionsformen

Das pleomorphe Adenom (PA) ist mit 50–60% der häufigste Speicheldrüsentu­ mor. In den letzten Jahren konnten erheb­ liche Fortschritte im Verständnis der ge­ netischen Grundlagen der Entwicklung des PA verzeichnet werden ([6, 10, 20]; vgl. Beitrag „Einsatz molekularer Mar­ ker zur Diagnose und prognostischen Be­

wertung von Speicheldrüsentumoren“). Die histologische Diagnose ist in mindes­ tens 3/4 aller PA unkompliziert, wenn die charakteristische Kombination aus vielfäl­ tigen („pleomorphen“) epithelialen und me­senchymalen Differenzierungsformen vorliegt (. Abb. 1 a–c).

+ CK7/18 + CK14,CK5/6,p63, α-Aktin

1)

-/+ CK14,CK5/6,p63, α-Aktin +/- GFAP,S100 + S100, Vimentin + Vimentin + CK13,CK14,CK5/6,p63 Ki67 6)

7)

2)

b

3)

CK14-Ki67

8)

4)

c a

In der Routinediagnostik existieren 3 Problemfelder beim PA: 1. Das wichtigste ist nomenklatorischer Natur, da der Begriff des „pleomor­ phen Adenoms“ vermeintlich nur die­ se klassischen, vielgestaltigen Formen umfasst. Bei dominierender epitheli­ aler Differenzierung können sich Ab­

CK7-Ki67

5)

Abb. 1 8 a Konzept der histomorphologischen Differenzierungsprozesse des pleomorphen Adenoms in schematischer Darstellung: Ausgangspunkt sind biphasische neoplastische Tubuli (Kreis) aus äußeren Myoepithelzellen (b: CK14/Ki67) und inneren Duktalzellen (c: CK7/Ki67; Vergr. 250:1 in b und c). Rechte Bildseite: Ein Verlust der inneren Duktalzellen geht einher mit Struktur- und Polaritätsverlust der Tubuli und konsekutiver Umdifferenzierung der Myoepithelzellen in 1) schwannomartige, 2) myoepitheliale, 3) lipomatöse, 4) myxoid-chondroide und selten 5) osteoide Differenzierung mit entsprechender Matrixproduktion. Begleitend ein variabler, z. T. vollständiger Verlust einer immunhistologischen epithelialen und/oder myothelialen Differenzierung (vgl. Tab. 1). Linke Bildseite: Seltenere 6) mukoide, 7) squamöse und 8) onkozytäre Differenzierung in luminaler Orientierung

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Infobox 1

Pitfalls beim pleomorphen Adenom (PA) F Formen ohne typische strukturelle bzw.

zytologische Pleomorphie; Beispiele: schwannomartiges PA/Myoepitheliom vs. Schwannom, klarzellige Differenzierung vs. klarzelliges Karzinom F Kapseldurchbruch mit fokaler Pseudo­ infiltration als physiologisches Wachstumsphänomen des PA F Reaktive Plattenepithelmetaplasie z. B. bei Vorbiopsie: Gefahr der Fehlinterpretation als Plattenepithel- oder Mukoepidermoidkarzinom F Zellreiches PA mit regressiven Zellatypien: Abgrenzung von intraduktaler Frühform des CEPA

grenzungsprobleme z. B. vom Basal­ zelladenom oder kanalikulären Ade­ nom, bei dominierender mesenchy­ maler Differenzierung vom Myoepi­ theliom oder von Weichgewebstumo­ ren wie z. B. einem Schwannom erge­ ben. Das von der WHO 2005 [10] als eigenständige Entität definierte Myo­ epitheliom ist nach Ansicht vieler Au­ toren pathogenetisch als die Maxi­ malform einer dominierenden myo­ epithelzelligen Differenzierung inner­ halb des großen Spektrums des PA zu werten [14]. 2. Bei epithelzellreichen PA, die rand­ ständig ein pseudoinfiltratives Wachs­ tum zeigen, ist die Abgrenzung ge­ genüber niedrigmalignen Speichel­ drüsenkarzinomen kritisch. 3. Bei sekundärer Transformation in ein Karzinom ex pleomorphes Ade­ nom (CEPA) ist eine Unterscheidung der verschiedenen Transformations­ schritte notwendig. Die vorliegende Darstellung fokussiert mit zahlreichen Fallbeispielen auf diese Problembereiche des PA.

Histomorphologische Differenzierungsprozesse Die komplexen zellulären und struktu­ rellen Differenzierungsprozesse im PA fasst . Abb. 1 schematisch zusammen: Als morphogenetischer Ausgangs­ punkt und gleichzeitig differenzialdi­ agnostisch wichtiger gemeinsamer Nen­

ner aller Varianten des PA/Myoepitheli­ om gelten die neo­plastischen Tubuli mit äußerer Myoepithelzellschicht (CK5/6, CK14, p63, α-Aktin+) und inneren Duk­ talzellen (CK18/7+). Diese zweireihigen neoplastischen Tubuli entsprechen phä­ notypisch den Schaltstücken der regu­ lären Speicheldrüse (vgl. Beitrag „Mustererkennung zur Differenzialdiagnose lym­ phoepithelialer Läsionen der Speicheldrü­ sen“); ob sie histogenetisch von diesen ab­ stammen, ist ungeklärt. In typischen Fäl­ len des PA geht ein Verlust der inneren Duktalzellen einher mit progredientem Struktur- und Polaritätsverlust dieser Tu­ buli und konsekutiver Akkumulation der Myoepithelzellen. Dabei zeigen die Myo­ epithelzellen eine äußerst variable Trans­ formation in unterschiedliche mesenchy­ male Zelldifferenzierungen im Sinne ei­ ner „epithelial-mesenchymalen Transdif­ ferenzierung“ [1], verbunden mit einem variablen, z. T. vollständigen Verlust der immunhistologischen Markerexpressi­ on einer epithelialen und/oder myotheli­ alen Differenzierung (. Abb. 1 a: rechte Bildseite und . Tab. 1, [10, 14, 22]). Da­ zu kommt noch eine fakultative muzinöse, onkozytäre oder squamöse Differenzie­ rung in Projektion auf die luminalen Duk­ talzellen (. Abb. 1 a: linke Bildseite). Die Komplexität dieser zellulären Zusammen­ setzung kombiniert mit der Heterogeni­ tät des Expressionsverlustes in den modi­ fizierten Myoepithelzellen ist der Grund für das immer wieder angeführte „chao­ tische“ immunhistologische Markerpro­ fil beim PA.

Pitfalls beim pleomorphen Adenom Im Gegensatz zu klassischen „pleomor­ phen“ Fällen eines PA analog . Abb. 1 a–c illustriert . Abb. 2 a–c einen Fall mit do­ minierender spindelzelliger bzw. schwan­ nomartiger Differenzierung. Hier gelingt die Abgrenzung von einem Schwan­nom durch Nachweis vereinzelter Reste einer tubulär-biphasischen Differenzierung mit CK7/18-positiven Duktalzellen, welche in der HE-Färbung nur schwer zu identifi­ zieren sind. Dieser Tumor ist nach WHO 2005 [10] als spindelzelliges bzw. schwan­ nomartiges Myoepitheliom zu klassifizie­ ren, wobei die geforderte Unterscheidung zwischen einem Myoepitheliom und ei­ ner myoepithelzellreichen Form eines PA in Grenzbereichen unscharf und oh­ ne klinische Relevanz ist. Der Flächen­ anteil CK7/18-positiver Tubuli ist im großen Differenzierungsspek­trum des PA und Myoepitheliom sehr variabel und reicht von 1% (. Abb. 2 a–c) bis über 90% in Fällen mit dominierender tubu­ lärer Differenzierung (. Tab. 2, . Infobox 1). Eine prominente, z. T. bizarr struk­ turierte squamöse Differenzierung fin­ det sich gehäuft bei irritierten, z. B. vor­ biopsierten oder ulzerierten PA, häu­ fig bei intraoraler Lokalisation z. B. am Gaumen [10]. Hier besteht das Risiko einer Fehleinschätzung als Plattenepi­ thelkarzinom oder Mukoepidermoid­ karzinom (. Abb. 3 a–c). Die Immun­ histologie bietet, wie in . Abb. 2 a–c und . Abb. 3 a–c gezeigt, in problema­

Zusammenfassung · Abstract Pathologe 2009 · 30:446–456  DOI 10.1007/s00292-009-1204-6 © Springer Medizin Verlag 2009 S. Ihrler · S. Schwarz · P. Zengel · O. Guntinas-Lichius · T. Kirchner · C. Weiler

Das pleomorphe Adenom. Pitfalls in der Diagnostik und klinisch-pathologische Progressionsformen Zusammenfassung In der Mehrzahl der typischen vielgestaltigen Formen ist die Diagnose eines pleomorphen Adenoms (PA) unproblematisch. In schwierigen, weil eher „monomorphen“ Formen können sich bei dominierender epithelialer Differenzierung Abgrenzungsprobleme z. B. zum Basalzelladenom oder kanalikulären Adenom, bei dominierender mesenchymaler, z. B. spindelzelliger Differenzierung vom Myoepitheliom oder von Weichgewebstumoren wie dem Schwannom ergeben. Hier kann der Nachweis einer fokalen tubulär-biphasischen Differenzierung mittels Darstellung von CK7/18-positiven Duktalzellen ein wichtiges Argument für einen Tumor innerhalb des weiten Spektrums des PA darstellen. Eine fokale Pseudoinfiltration als physiologisches Wachstumsverhalten des PA kann Abgrenzungsprobleme von hochdifferenzier-

ten Karzinomen wie dem adenoidzystischen und epithelial-myoepithelialen Karzinom bedingen. Auch diese Karzinome zeigen biphasische Tubulusstrukturen. Die verschiedenen Progressionsschritte zum Karzinom ex pleomorphes Adenom (CEPA), beginnend mit dem intraduktalen Frühstadium, sind in prognostischer und therapeutischer Hinsicht relevant. Die Stadien bis zum CEPA mit geringer extrakapsulärer Invasion sind dabei mit günstiger Prognose, CEPA-Fälle mit extensiver extrakapsulärer Invasion dagegen mit sehr ungünstiger Prognose verbunden. Schlüsselwörter Speicheldrüsen · Pleomorphes Adenom · Karzinom ex pleomorphes Adenom · Immunohistologie

Pleomorphic adenoma. Pitfalls and clinicopathological forms of progression Abstract In the majority of cases the diagnosis of pleomorphic adenoma (PA) is straightforward. In “monomorphic” types of PA problems may result: Epithelial-rich PA need to be distinguished from basal cell adenoma or canali­ cular adenoma. PA dominated by mesenchymal, spindle-shaped differentiation need to be distinguished from myoepithelioma or soft tissue tumours like schwannoma. Focal biphasic-tubular differentiation with CK7/18positive ductal cells is good evidence for a tumor within the wide spectrum of PA. Focal peripheral pseudoinfiltration can represent physiological growth pattern of PA; this may render a difficult distinction from low-mali­ gnant carcinomas like adenoid-cystic or epi-

thelial-myoepithelial carcinoma, harbouring also tubular structures. The different progression steps of carcinoma ex pleomorphic adenoma (CEPA), starting with intraductal carcinoma, are highly relevant with respect to prognosis and therapy. Early stages inclu­ding CEPA with minor extracapsular invasion show favourable prognosis, while cases with extensive extracapsular invasion carry a dismal prognosis. Keywords Salivary glands · Pleomorphic adenoma · Carcinoma ex pleomorphic adenoma · Immunohistology

Infobox 2

Rezidiv des pleomorphen Adenoms F Häufig späte Rezidive (z. T. 10 bis 20 Jahre nach Erstoperation)

F Meist multiknotige Rezidivmanifestation F Einzelknoten meist klein; histologisch

dominieren zellarme, myxoide Knoten; häufig mit inkompletter Kapsel und Pseudoinfiltration F Chirurgische Resektion eines Rezidiv-PA häufig inkomplett mit erneuter Rezidivgefahr F Erhöhte Gefahr der Transformation eines der Knoten in CEPA

Infobox 3

Karzinom ex pleomorphes Adenom (CEPA) F Erhöhtes Risiko zur malignen Transforma-

tion bei lange bestehenden, sklerosierten und rezidivierten PA F Das intraduktale Karzinom entspricht dem Frühstadium der Transformation des PA in das CEPA F Intraduktales sowie intrakapsulär invasives und minimal extrakapsulär invasives Stadium mit sehr guter Prognose F Grob extrakapsulär invasives CEPA mit sehr schlechter Prognose F CEPA ex Rezidiv-PA hat besonders ungünstige Prognose F Invasives CEPA manifestiert sich mit verschiedenen histologischen Typen (am häufigsten Adenokarzinom NOS, G3)

tischen Fällen die Möglichkeit, fokale tu­ buläre Forma­tionen mit biphasischer zel­ lulärer Differenzierung (. Abb. 1 a–c) nachzuweisen als wichtiges Argument für die Einordnung in die heterogene Grup­ pe des PA bzw. Myoepitheliom. Eine ver­ gleichbare Strategie bietet sich an bei der klarzelligen Variante oder der plasmazy­ toiden Variante (häufig am Gaumen) des Myoepithelioms bzw. des PA [10, 14]. Ei­ ne ausgedehntere Gewebseinbettung er­ übrigt bei problematischen Tumoren je­ doch häufig diese immunhistologischen Zusatzuntersuchungen.

Pseudoinfiltration und Rezidiv Die häufig hochgradige Matrixproduk­ tion durch die neoplastischen Myoepi­

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Tab. 1  Heterogenität des immunhistologischen Profils im pleomorphen Adenom   Neoplastische Duktalzelle (Tubuli innen) Neoplastische Myoepithelzelle (Tubuli außen) Myoepithelzellige Differenzierung Schwannomähnliche Differenzierung Myxoid-chondroide Differenzierung Lipomatöse Differenzierung Osteoide Differenzierung

CK7/CK18 ++ −/(+) −/(+) − − − −

Vimentin − ++ ++ ++ ++ ++ ++

S100 −/+ +/++ +/++ +/++ +/++ +(+) −/+

p63 − ++ −/++ −/++ −/++ − −

Bcl-2 − +(+) −/++ −/++ −/+ −/+ −

CK14/CK5/6 −/(+) ++ −/++ −/+ −/(+) − −

α-Aktin − +/++ −/++ −/+ −/(+) − −

GFAP − − −/+ −/++ − − −

− negative Reaktion, + schwache Reaktion (häufig nur fokal), ++ starke Reaktion (meist generalisiert). Im Vergleich zu Myoepithelzellen der neoplastischen Tubuli (oben) progressiver und z. T. kompletter Verlust epithelialer und/oder myothelialer Differenzierungsmarker in den wichtigsten zytologischen Zelldifferenzierungen der „modifizierten“ Myoepithelzellen (unten; vgl. Abb. 1 a)

Tab. 2  Speicheldrüsentumoren mit biphasischen Tubuli Speicheldrüsentumoren Pleomorphes Adenom Myoepitheliom Epithelial-myoepitheliales Karzinom Adenoidzystisches Karzinom

Anteil der tubulären Strukturen am Gesamttumor 1–>90%
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