Balanced Scorecard – das Managementsystem

June 13, 2017 | Autor: Heinz Knoell | Categoria: Balanced Scorecard, Performance Measure, Business School
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Descrição do Produto

2

Balanced Scorecard – das Managementsystem

2.1

Grundlagen

Robert S. Kaplan, Professor an der Harvard Business School, und David P. Norton, Gründer und Geschäftsführer des Nolan Norton Institute (Forschungszweig der KPMG), entwickelten die Balanced Scorecard im Rahmen einer Studie mit zwölf auf dem Gebiet des Performance Measurements führenden Unternehmen.1 Ziel war es, einen Performance-Measurement-Ansatz zu finden, der nicht überwiegend aus finanzwirtschaftlichen Kennzahlen besteht und damit nicht verstärkt vergangenheitsorientiert ist. Ein Unternehmen kann in der heutigen dynamischen, sich schnell verändernden Zeit nicht nur mit Spätindikatoren allein geführt werden. 2 Im Jahre 1992 wurden die Ergebnisse dieser Studie und damit auch die Balanced Scorecard erstmals in der „Harvard Business Review“ veröffentlicht.

Entstehung BSC

Der Aufsatz vergleicht die Balanced Scorecard mit dem Cockpit eines Flugzeugs, das auf einen Blick und zeitgleich alle wichtigen Informationen anzeigt.3 So gibt sie komprimiert Antworten auf die wichtigsten Fragen in einem Unternehmen: – „Wie sollen wir gegenüber Teilhabern auftreten, um finanziellen Erfolg zu haben?“4 – „In welchen Geschäftsprozessen müssen wir die Besten sein, um unsere Teilhaber und Kunden … [zufrieden zu stellen]?“5 – „Wie sollen wir gegenüber unseren Kunden auftreten, um unsere Vision zu verwirklichen?“6 – „Wie können wir unsere Veränderungs- und Wachstumspotenziale fördern, um unsere Vision zu verwirklichen?“7

1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Kaplan, R. S./Norton, D. P., Performance, 1992, S. 71. Vgl. Scheibeler, A. A. W., KMU, 2001, S. 5. Vgl. Kaplan, R. S./Norton, D. P., Performance, 1992, S. 72. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Kaplan, R. S./Norton, D. P., Strategien, 1997, S. 9.

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Balanced Scorecard – das Managementsystem Begriff BSC

Der Name Balanced Scorecard ergibt sich aus den Wörtern „balanced“, dem englischen Wort für „ausgewogen“, und „scorecard“. Der zweite Begriff kommt auch dem Bereich Sport und bedeutet übersetzt Spielberichtsbogen, Punktzettel (beim Boxen) oder Zählkarte (beim Golf).8 Zusammengefasst ergibt sich der ausgewogene Berichtsbogen, der Kennzahlen des Unternehmens darstellt, indem er alle Bereiche gleichberechtigt integriert, ohne Finanzkennzahlen, Innovationen oder Sonstiges hervorzuheben. Er bietet Platz für monetäre (harte) und nicht monetäre (weiche) Erfolgsfaktoren.9

2.2 Zielsetzung

Idee und Zielsetzung

Als Managementsystem nützt sie in erster Linie der Strategie und ihrer Umsetzung. „Die Balanced Scorecard übersetzt die … [Unternehmensvision] und -strategie in ein übersichtliches System zur Leistungsmessung, welches den Rahmen für ein strategisches Leistungsmessungs- und Managementsystem bildet.“ 10 Dabei bietet sie die Möglichkeit, die Visionen und Strategien aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zum Zweck ihrer Umsetzung konkrete Maßnahmen und Ziele abzuleiten.11 „Die Balanced Scorecard ist ein deduktives System – aus der Vision werden die Ziele abgeleitet, aus den Zielen die Steuerungsgrößen und die Maßnahmen. So bietet die BSC die immens wichtige Verbindung zwischen der Strategie und der Aktionsplanung.“12 Umgekehrt sollte die Balanced Scorecard aber auch Rückschlüsse auf die Strategie geben. Eine gut durchdachte BSC ermöglicht dem Betrachter die dahinterstehende Strategie herauszulesen.13 Das Ziel ist, „die Entwicklung eines Unternehmens ganzheitlich, aber zugleich sehr detailliert zu betrachten“.14 Dies bedeutet, dass Ziele des gesamten Unternehmens berücksichtigt werden und bis auf Mitarbeiterebene heruntergebrochen und damit detailliert werden.15 Die 8 9 10 11 12 13 14 15

58

Vgl. Langenscheidt, Handwörterbuch, 1996, S. 569. Vgl. Schaltegger, S./Dyllick, T., Scorecard, 2002, S. 38. Kaplan, R. S./Norton, D. P., Strategien, 1997, S. 2. Vgl. Friedag, H. R./Schmidt, W., Scorecard, 2000, S. 86. Horváth, P., Umsetzungserfahrungen, 2000, S. 125. Vgl. Kaplan, R. S./Norton, D. P., Strategien, 1997, S. 143. Rüth, B., Einführung, 2004, S. 8. Vgl. ebd., S. 9 f.

Idee und Zielsetzung Ziele werden durch Kennzahlen messbar und durch Maßnahmen umsetzbar gemacht, wobei nicht nur Spätindikatoren (wie Finanzziele), sondern auch Frühindikatoren berücksichtigt werden sollen. Wichtig ist, dass alle Mitarbeiter bei der Umsetzung der Strategie eingebunden werden, damit diese realisiert werden kann. Das beginnt bei den Führungskräften und endet bei den Mitarbeitern auf der operativen Ebene. Norton formuliert dies als „Making Strategy Everyone’s Job“.16

Voraussetzung für den Erfolg

Die Balanced Scorecard ist damit ein Kommunikations- und Steuerungsinstrument, das zur Verbindung der strategischen und operativen Planung dient. Die Betrachtung der unterschiedlichen Perspektiven ist nach Gleich der Kern der BSC.17 Dadurch werden neben den monetären Zielen wie Umsatz oder ROCE (Return on Capital Employed) auch die nicht monetären wie zum Beispiel Kundenzufriedenheit oder Innovation berücksichtigt, denn sie sind als Werttreiber für die Erfüllung der finanziellen Ziele verantwortlich und dürfen nicht unbeachtet bleiben. Da es sich bei ihnen im Gegensatz zu den Finanzzielen um Frühindikatoren handeln kann, lassen sich negative Auswirkungen frühzeitig erkennen und gegebenenfalls steuern.

Perspektiven

Norton umschreibt dies treffend: „The only thing worse than bad news is bad news late. “18 Wichtig ist der Ansatz, dass es sich bei der Balanced Scorecard um ein, wie der Name schon sagt, ausgewogenes System handelt. Es wirkt ausgleichend zwischen kurz- und langfristigen Zielen, monetären und nicht monetären Kennzahlen, Spät- und Frühindikatoren sowie zwischen externen und internen Perspektiven.19

Ausgewogenes System

Interessant ist, dass die Balanced Scorecard zwar 1992 das erste Mal publiziert und als Innovation im Bereich Controlling gefeiert wurde, der Ansatz jedoch nicht neu war. Bereits 1959 haben P. Lauzel und A. Cibert die Wichtigkeit von nicht monetären Zielen erkannt und daraus das Tableau de Bord entwickelt, das sich auch auf die unterschiedlichen Unternehmensebenen anwenden lässt. Es ist ebenfalls strategisch ausgerichtet, die Kennzahlen sind durch Ursache-Wirkungs-Beziehungen verbunden und das Reporting erfolgt in Form

Erstveröffentlichung

16 17 18 19

Norton, D. P., Organization, 2002, www, Zugriff am 05.11.2005, S. 3. Vgl. Gleich, R., Performance, 2001, S. 52. Norton, D. P., Organization, 2002, www, Zugriff am 05.11.2005, S. 56. Vgl. Kaplan, R. S./Norton, D. P., Strategien, 1997, S. VII.

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Balanced Scorecard – das Managementsystem eines Berichtsbogens.20 Obwohl noch im selben Jahr das Buch „Des ratios au tableau de bord“ veröffentlicht wurde, setzte sich der Ansatz außerhalb Frankreichs nicht durch. Tableau de Bord

Streng genommen ist die BSC nur eine Erweiterung des Tableau de Bord. Auch Kaplan und Norton erwähnen das französische System in ihrem ersten Buch zur Balanced Scorecard, tun es aber als einfache „Sammlung von kritischen Erfolgsfaktoren“ ab. 21 Es scheint nicht sehr bekannt zu sein, dass die Erfindung der BSC keineswegs neu ist, denn die wenigsten Veröffentlichungen zu dem Thema erwähnen das Tableau de Bord und bezeichnen die Veröffentlichung von 1992 durch Kaplan und Norton als das BSC-Geburtsdatum. Indirekt bestätigen Kaplan und Norton auch die oben genannte These, denn ihre Bücher zur BSC verwenden im Französischen den Begriff des Tableau de Bord, was sicherlich nicht nur daran liegt, dass Franzosen Anglizismen weitgehend zu vermeiden suchen. So wurde das Buch „Balanced Scorecard“ mit „Le tableau de bord prospectif: Pilotage stratégique: Les 4 axes du succès“ übersetzt und das Werk „Die strategiefokussierte Organisation“ heißt in Frankreich „Comment utiliser le tableau de bord prospectif“. Dass sich die Balanced Scorecard im Gegensatz zum Tableau de Bord durchgesetzt hat und international sehr bekannt ist, „kann unter anderem auf drei in der Harvard Business Review zum Themenbereich Balanced Scorecard veröffentlichte Beiträge, … [Buchpublikationen] sowie den hohen Bekanntheitsgrad des Mitautors Kaplan zurückgeführt werden“.22

2.3 Kennzahlensystem allgemein

Abgrenzung zu anderen Kennzahlensystemen

Unter Kennzahlensystemen „versteht man die Gesamtheit von geordneten Kennzahlen, die die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Größen aufzeigen und so betriebswirtschaftlich sinnvolle Aussagen über Unternehmungen und ihre Teile vermitteln“.23 Wie die bereits erwähnte empirische Untersuchung der Universität Essen ergeben hat, sind die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Kennzahlensysteme die Balanced Scorecard, das Rentabilität20 21 22 23

60

Vgl. Gleich, R., Performance, 2001, S. 60 ff. Vgl. Kaplan, R. S./Norton, D. P., Strategien, 1997, S. 28. Hoffmann, O., Performance, 1999, S. 49. Gladen, W., Berichtssysteme, 2003, S. 91.

Abgrenzung zu anderen Kennzahlensystemen Liquidität-Kennzahlensystem von Reichmann und Lachnit, das DuPont-System, das EFQM-Modell (European Foundation for Quality Management) sowie das ZVEI-Kennzahlensystem (Zentralverband der Elektronischen Industrie e.V.). In welchem Verhältnis diese Systeme von den 108 teilnehmenden Unternehmen umgesetzt werden, zeigt Abbildung 21.24 Balanced Scorecard; 33,30 %

DuPont; 24,60 %

DuPont RL ZVEI EFQM Balanced Scorecard EFQM; 7 % RL; 33,30 % ZVEI; 1,80 %

Abbildung 21: Eingesetzte Kennzahlensysteme, Ergebnis einer Studie von 2002 Quelle: Eicker, S./Kress, S./Lelke, F., Geschäftssteuerung, 2005, www, Zugriff am 06.11.2005, S. 6

Bei traditionellen Kennzahlensystemen wie dem Rentabilität-Liquidität-Kennzahlensystem, dem DuPont-System, und dem ZVEI-Kennzahlensystem handelt es sich um Analyse-Kennzahlensysteme. 25 Dabei werden die ausschließlich finanziellen Kennzahlen meist auf ein übergeordnetes Ziel in Form einer Spitzenkennzahl ausgerichtet (oft in Darstellung eines Baumes). Diese Spitzenkennzahl ergibt sich aus mathematischen Zusammenhängen der Kennzahlen unterer Ebenen und liefert Aussagen über das Betriebsergebnis oder die Liquidität eines Unternehmens, wobei Markt- und Kundenorientierung so-

24 25

Traditionelle Kennzahlensysteme

Vgl. Eicker, S./Kress, S./Lelke, F., Geschäftssteuerung, 2005, www, Zugriff am 06.11.2005, S. 5 f. Vgl. Gladen, W., Berichtssysteme, 2003, S. 92.

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Balanced Scorecard – das Managementsystem wie nicht finanzielle Ziele wie Umweltschutz und Mitarbeitermotivation unberücksichtigt bleiben. 26 Diese Kennzahlensysteme konzentrieren sich überwiegend auf den Jahresabschluss und „vermitteln [damit] nur die monetären Ergebnisse historischer Entscheidungen“.27 Tabelle 1: Unterschiede zwischen traditionellen Kennzahlensystemen und der Balanced Scorecard Traditionelle Kennzahlensysteme

Balanced Scorecard

 Analyse- und Informationsaufgaben

 Unterstützung von Planung, Realisierung und Kontrolle

 Monetäre Ausrichtung (vergangenheitsbezogen)

 Ausrichtung auf alle Stakeholder (zukunftsorientiert)

 Kennzahlen ergeben sich aus mathematischen Zusammenhängen untergeordneter Kennzahlen (definitionslogisch)

 Kennzahlen werden individuell betrachtet und basieren auf Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen (empirisch zu bestätigen)

 Begrenzt flexibel; ein System deckt interne und externe Informationsinteressen ab

 Aus den operativen Steuerungserfordernissen abgeleitet; hohe Flexibilität

 Einsatz primär zur Überprüfung des Erreichungsgrades finanzieller Ziele

 Überprüfung des Strategieumsetzungsgrades; Impulsgeber zur weiteren Prozessverbesserung

 Kostenreduzierung

 Leistungsverbesserung

 Fragmentiert

 Integriert

 Kosten, Ergebnisse und Qualität werden isoliert bewertet

 Qualität, Auslieferung, Zeit und Kosten werden simultan bewertet

 Unzureichende Abweichungsanalyse

 Abweichungen werden direkt zugeordnet (Bereich, Person)

 Individuelle Leistungsanreize

 Team-/gruppenbezogene Leistungsanreize

 Individuelles Lernen

 Lernen der gesamten Organisation

Quelle: Eigene Darstellung28

26 27 28

62

Vgl. Gleich, R., Performance, 2001, S. 6. Vgl. ebd., S. 8. Vgl. Müller, A., Management, 2000, S. 65; vgl. Gleich, R., Performance, 2001, S. 6 f; vgl. Gladen, W., Berichtssysteme, 2003, S. 128.

Abgrenzung zu anderen Kennzahlensystemen Bei der Balanced Scorecard handelt es sich um ein Steuerungs-Kennzahlensystem, dessen Hauptaufgabe darin besteht, Organisationsbzw. Problemebenen zu steuern. Dabei werden Gesamtprobleme in Unterprobleme detailliert, wodurch sich die Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen den Kennzahlen unterschiedlicher Ebenen ergeben. Damit handelt es sich bei der BSC nicht ausschließlich um ein Kennzahlen-, sondern um ein Managementsystem.

Steuerungskennzahlensystem

Die gegenüberliegende Tabelle stellt die Unterschiede zwischen den traditionellen Kennzahlen und der Balanced Scorecard einander gegenüber. Die moderne Managementliteratur empfiehlt aufgrund ihrer Strategiebezogenheit und Zukunftsorientierung den Einsatz der neuen Kennzahlensysteme wie die Balanced Scorecard.29

Empfehlung

Diese Empfehlung wird von der Praxis bestätigt. Wie Abbildung 22 zeigt, plant die Mehrheit der Teilnehmer oben genannter Studie, die traditionellen Kennzahlensysteme durch moderne wie die Balanced Scorecard zu ersetzen. DuPont; 4,90 %

RL; 19,50 % DuPont

Balanced Scorecard; 63,40 %

RL ZVEI; 2,40 %

ZVEI EFQM

EFQM; 10 %

Balanced Scorecard

Abbildung 22: Geplanter Einsatz von Kennzahlensystemen, Ergebnis einer Studie von 2002 Quelle: Eicker, S./Kress, S./Lelke, F., Geschäftssteuerung, 2005, www, Zugriff am 06.11.2005, S. 7

29

Vgl. Eicker, S./Kress, S./Lelke, F., Geschäftssteuerung, 2005, www, Zugriff am 06.11.2005, S. 4.

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Balanced Scorecard – das Managementsystem Umsetzung in der Praxis

Wie und in welcher Form sich die Umsetzung der Balanced Scorecard in der Praxis gestaltet und wie weit die Entwicklung aus Sicht der unterschiedlichen Unternehmenstypen wie kleine und mittelständische Unternehmen, Großunternehmen sowie öffentliche Verwaltung bereits fortgeschritten ist, zeigt das Kapitel 5.

2.4 Elemente

Bestandteile einer Balanced Scorecard

Aus welchen Elementen sich die BSC zusammensetzt, wird in Abbildung 23 grafisch dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass es sich hier nicht um ein vordefiniertes Kennzahlensystem handelt, sondern um ein Rahmenwerk, das individuell an das Unternehmen angepasst werden muss und verändert werden kann.

Abbildung 23: Bestandteile einer Balanced Scorecard Quelle: in Anlehnung an Prosser, A./Auer, J./Kellermann, S., SAP®, 2005, S. 14

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Bestandteile einer Balanced Scorecard Im Folgenden werden die aufgezeigten Bestandteile und ihr Nutzen näher betrachtet, um die Beschreibung, worum es sich bei dem Managementsystem Balanced Scorecard handelt, zu komplettieren und das gegebene Bild abzurunden. Jedes Unternehmen, das die Balanced Scorecard umsetzen möchte, muss sich vorstellen können, welche Bestandteile in ihr enthalten sind und was sie bedeuten.

2.4.1

Bestandteile

Unternehmensvision und -strategie

„Visionen sind die Wunschvorstellungen der Unternehmen, die oft noch vagen obersten Ziele, die erst im Laufe der Zeit konkrete Formen annehmen. Sie haben ihren Ausgangspunkt oft in Träumen, in Traumvorstellungen vom eigenen Unternehmen.“30 Meist handelt es sich bei einer Vision um nur einen prägnanten Satz, der besagt, wie sich das Unternehmen in Zukunft sieht.

Unternehmensziele

Albrecht Deyhle, Verleger und Herausgeber des „Controller Magazin“, sagte bereits im Jahre 1971: „Erfolg haben kann nur die Unternehmung, die weiß, was sie will.“ 31 Zwar bezieht sich diese Aussage nicht direkt auf Visionen und Strategien, dennoch wird deutlich, wie wichtig die klare Ausrichtung eines Unternehmens ist. „Strategien zu entwickeln bedeutet im betriebswirtschaftlichen Sinn, Grundsatzentscheidungen zu treffen, die sämtliche Unternehmensbereiche tangieren. Durch Strategien werden wesentliche unternehmerische Absichten in die Realität umgesetzt.“32 Die Strategie ist also die detailliert ausformulierte Vision und enthält somit sowohl Ziele als auch die geplanten Wege dorthin. Nach Deyhle ist eine gut durchdachte Strategie die Grundlage zum Erfolg.

Strategie

Besorgnis erregend ist daher die Tatsache, dass eine wirkungsvolle Umsetzung nur bei 10 % aller Strategien erfolgt.33 Strategien sind wesentlich, wenn man sich am Markt und gegenüber den Mitbewerbern behaupten möchte. Aus diesem Grund müssen Strategien externe Chancen und interne Ressourcen in Einklang bringen. Dies setzt voraus, dass ein Unternehmen seine Stärken und

30 31 32 33

Ehrmann, H., Kompakt-Training, 2003, S. 21. Georg, S., Managementinstrument, 1999, S. 3. Ehrmann, H., Kompakt-Training, 2003, S. 25. Vgl. Frick, I., Größen, 2000, S. 23.

65

Balanced Scorecard – das Managementsystem Schwächen kennt sowie sich den Chancen, aber auch den Risiken am Markt bewusst ist (vgl. Abbildung 24).34

Interne Ressourcen: Kernkompetenzen, Fähigkeiten, Stärken

Externe Chancen: Märkte, Kunden, Wettbewerb

Strategie

Abbildung 24: Zwei Aspekte der Strategie Quelle: Müller, A., Management, 2000, S. 15 Herausforderung

Die Herausforderung für die Unternehmensführung besteht also in der ganzheitlichen Betrachtung des eigenen Unternehmens einschließlich seiner Kunden und der Konkurrenz sowie der eigenen Mitarbeiter.

2.4.2

Perspektivenwahl

Managementinstrument

Die Balanced Scorecard in ihrer Funktion als Management- und Kommunikationsinstrument bietet zum einen die Möglichkeit die Strategie umzusetzen und hilft zum anderen, die Strategie im Unternehmen zu kommunizieren. Sie steuert das gesamte Unternehmen oder einen bestimmten Bereich und gibt Einblicke aus verschiedenen Perspektiven.

Perspektiven

Diese Perspektiven bilden die unterschiedlichen Kernbereiche der Strategie ab. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass alle wesentlichen Bereiche eines Unternehmens durch die Perspektiven in einem ausgewogenen Verhältnis betrachtet werden.35

34 35

66

Vgl. Müller, A., Management, 2000, S. 15. Vgl. Horváth & Partner, Scorecard, 2004, S. 43 f.

Bestandteile einer Balanced Scorecard Jeder Perspektive werden strategische Ziele, Kennzahlen zu deren Messung und Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele zugeordnet. Von den Erfindern der BSC in der heutigen Form werden die vier Perspektiven Finanzen, Kunden, interne Prozesse und Mitarbeiter beispielhaft vorgegeben. Diese „klassischen“ Perspektiven sind aber nicht unabdingbar festgelegt, sondern müssen wie alle Elemente der Balanced Scorecard individuell an jedes Unternehmen angepasst werden. Inhaltlich geht es bei den Perspektiven von Kaplan und Norton um Folgendes:

Perspektiveninhalte

– Die Finanzperspektive enthält Ziele, die Aufschluss über Erfolg oder Misserfolg der Strategie geben und sie damit messbar machen. Anteilseigner und Unternehmensleitung können erkennen, ob sich die Ergebnisse der Unternehmung verbessert und die vorgenommenen Ziele erfüllt haben. Typische Finanzkennzahlen sind Cashflow, Eigenkapitalrendite, Umsatzwachstum oder ROCE.36 Auch wenn alle Perspektiven der Balanced Scorecard als gleichwertig erachtet werden, ist es dennoch bestätigt, dass ein Unternehmen nicht ohne langfristige finanzielle Fortschritte und Gewinne existieren kann und der Finanzperspektive folglich eine besonders wichtige Stellung zukommt. – Die Kundenperspektive stellt den Teil der Strategie dar, der auf den Kunden, den Markt und die Konkurrenz ausgerichtet ist, und enthält vor allem Ziele wie Lieferpünktlichkeit, Kundenzufriedenheit oder Marktanteil. Sie gibt Auskunft darüber, wie das Unternehmen aus Sicht der Kunden gesehen wird und wie es sich am Markt positioniert. – Die Ziele der internen Prozessperspektive sind mit ausschlaggebend für die Erfüllung der Ziele der eben erläuterten Perspektiven. Meist beinhaltet sie die Betrachtung der Qualität, der Kosten und der neuen Produkte.37 – Die Mitarbeiterperspektive ist die Grundperspektive, die die Erfüllung der Ziele der übrigen Perspektiven ermöglicht. Sie wird als Potenzial der Mitarbeiter wie Motivation, Produktivität und Zufriedenheit gesehen.

36

Vgl. Weber, J./Schäffer, U., Controlling, 2000, S. 5 f; vgl. Wolter, O., TQM, 2000, S. 24; dazu auch Ehrmann, H., Kompakt-Training, 2003, S. 33; vgl. Horváth & Partner, Scorecard, 2004, S. 45. 37 Vgl. Kaplan, R. S./Norton, D. P., Strategien, 1997, S. 42.

67

Balanced Scorecard – das Managementsystem Welche bzw. ob weitere Perspektiven gewählt werden, hängt davon ab, inwieweit sie für die strategische Orientierung des Unternehmens von Bedeutung sind.38

2.4.3

Kritische Erfolgsfaktoren (KEF)

Zentrale Aspekte

Die wichtigsten strategischen Ziele eines Unternehmens werden durch die kritischen Erfolgsfaktoren greifbar. Sie stellen die zentralen Aspekte der Strategie dar und werden den Perspektiven zugeordnet. Damit helfen sie, die Hauptaufgabe der BSC, nämlich die Strategieumsetzung, zu gewährleisten.

Mögliche Ziele

Durch die große Anzahl möglicher Ziele in einem Unternehmen besteht Gefahr, dass nicht die richtige Auswahl für die Balanced Scorecard getroffen wird. Deshalb sollten nur solche aufgenommen werden, die von strategischer Relevanz sind. Ziele, die selbstverständlich sind oder Routineaufgaben betreffen, dürfen nicht berücksichtigt werden.39 Gemäß dem Grundsatz „twenty is plenty“ sollten je Perspektive nicht mehr als fünf Ziele definiert werden, um die Übersichtlichkeit und die Umsetzbarkeit der Balanced Scorecard nicht zu gefährden.40

Strategische Ziele

Des Weiteren ist bei der Festlegung von KEF darauf zu achten, dass sie weder zu pauschal noch zu detailliert beschrieben werden und vor allem, dass es sich wirklich um strategische Ziele handelt und nicht bereits um Maßnahmen, die erst später zu beschließen sind.41

2.4.4 UrsacheWirkungsKette

Die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge verbinden die Ziele aller Perspektiven miteinander. Jeder kritische Erfolgsfaktor sollte Teil dieser Kette sein, die im Gesamten die Strategie widerspiegelt. Damit fungieren die Ziele der Finanzperspektive als Endziele der Kette aus Wenn-dann-Aussagen und geben Aufschluss über den Erfolg bzw. Misserfolg der Strategie.42

38 39 40 41 42

68

Ursache-Wirkungs-Modell

Vgl. Ehrmann, H., Kompakt-Training, 2003, S. 97. Vgl. Ehrmann, H., Kompakt-Training, 2003, S. 95. Vgl. Horváth & Partner, Scorecard., 2004, S. 53. Vgl. Rüth, B., Einführung, 2004, S. 52. Vgl. Kaplan, R. S./Norton, D. P., Strategien, 1997, S. 143 f.

Bestandteile einer Balanced Scorecard Es gibt zwei Möglichkeiten, die Ursache-Wirkungs-Kette zu beschreiben. Die erste Variante ist das Herunterbrechen der strategischen Ziele von der Finanzperspektive aus über die Kunden- und Prozessperspektive bis auf die Mitarbeiterperspektive (top-down). Bei dieser Vorgehensweise wird die Rolle eines jeden Zieles betrachtet.43 Die zweite Möglichkeit geht von der Mitarbeiterperspektive aus und hinterfragt, ob die Ziele zur Erreichung der übergeordneten Ziele vonnöten sind (bottom-up). Diese Methode verdeutlicht die Bedeutsamkeit der einzelnen Ziele für die Verwirklichung der Strategie.44 Die Beziehungen der Ziele veranschaulichen das Zusammenspiel der Tätigkeiten im Unternehmen. Damit wird die abstrakte Strategie für jeden Mitarbeiter greifbar und zeigt, wie das eigene Schaffen zum Unternehmenserfolg beitragen kann. An dieser Stelle erfüllt die Balanced Scorecard ihre Aufgabe als Kommunikationsmodell.

2.4.5

Kommunikationsmodell

Kennzahlen und Zielwerte

Durch die Zuweisung von Kennzahlen in Verbindung mit genau definierten Zielwerten zu kritischen Erfolgsfaktoren dienen sie als Messinstrumente, mit denen die Zielerreichung gemessen werden kann. Die strategischen Ziele werden dadurch verständlich und präzisiert.

Messinstrument

Auch bei der Definition von Kennzahlen sollte auf die Menge geachtet werden, denn zu viele den KEF zugeordnete Kennzahlen machen die Balanced Scorecard unübersichtlich und gefährden ihre Umsetzung. Ihre Zielsetzung muss eindeutig erkennbar und Ermittlung und Auswertung müssen möglich sein.45

Anzahl der Ziele

Einer Balanced Scorecard sollten nicht nur so genannte harte Faktoren zugeordnet werden, die sich messen, zählen oder wiegen lassen; denn der Erfolg eines Unternehmens hängt nicht allein von Finanzkennzahlen ab. Horváth spricht sogar davon, dass weiche Kennzahlen wie Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit oder das Image mindestens genauso wichtig und zum Teil sogar wichtiger sind.46 Aus dem-

Harte und weiche Faktoren

43 44 45 46

Vgl. Ehrmann, H., Kompakt-Training, 2003, S. 37; dazu auch Horváth & Partner, Scorecard, 2004, S. 50 f. Vgl. ebd., 2004, S. 51. Vgl. ebd., S. 53 f. Vgl. Horváth & Partner, Scorecard, 2004, S. 66.

69

Balanced Scorecard – das Managementsystem selben Grund empfehlen Kaplan und Norton einen Anteil von 80 % für nicht monetäre Kennzahlen.47 Spät- und Frühindikatoren

Ebenso wichtig ist die Balance zwischen Spät- und Frühindikatoren. Den Finanzzielen, die letztendlich die Umsetzung der Strategie bewerten, liegen meist Spätindikatoren zugrunde, die sich erst nach Ablauf einer Periode messen lassen. Damit der Geschäftserfolg aber steuerbar bleibt, sollten für die anderen Perspektiven Frühindikatoren beachtet werden, die Frühwarncharakter haben und aufzeigen, ob ein Ziel noch erreicht werden kann.

2.4.6

Maßnahmendefinition

Strategierealisierung

Auf Basis der ausgearbeiteten Ziele und ihren zugehörigen Kennzahlen müssen Maßnahmen definiert werden, durch deren Umsetzung die Ziele erreicht werden. Dabei dürfen die Ziele jedoch nicht losgelöst betrachtet werden, sondern unter Berücksichtigung ihrer Beziehungen untereinander.48 Die Strategie wird durch die Bildung von Maßnahmen konkretisiert. Es werden Operationen festgelegt, um die Strategie zu realisieren.49 Dabei sind auch Termine und Verantwortlichkeiten bezüglich jeder Maßnahme zu benennen.

Kommunikationsmodell

Durch die formulierten Maßnahmen erkennt jeder Mitarbeiter den eigenen Beitrag zur erfolgreichen Strategieumsetzung und damit seinen Anteil am Unternehmenserfolg. Die Strategie wird für alle verständlich.50 Auch hier kommt die BSC in ihrer Funktion als Kommunikationsmodell zur Anwendung.

47 48 49 50

70

Vgl. Kaplan, R. S./Norton, D. P., Organisation, 2001, S. 330. Vgl. Rüth, B., Einführung, 2004, S. 66. Vgl. Ehrmann, H., Kompakt-Training, 2003, S. 37; vgl. Horváth & Partner, Scorecard, 2004, S. 51. Vgl. Ferrari, E./Tausch, C., Verwaltung, 2002, S. 253.

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