Der Name der Rose

June 2, 2017 | Autor: Wojciech Sowa | Categoria: Historical Linguistics, Linguistics, Historical Studies
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„Der Name der Rose“ Nach der klassischen Aufassung, die noch auf Paul Kretschmer zurückreicht, wird Makedonisch als eine unabhängige indogermanische Sprache des alten Balkans interpretiert (vgl. Kretschmer 1896: 283288), obwohl die Hypothese in den letzten 20 Jahren immer mehr kritisiert wurde. Es gibt in letzter Zeit vor allem die Versuche, das Makedonische als einen der griechischen Dialekte zu erklären, wobei die genaue Einordnung ins entsprechende Dialektkontinuum umstritten bleibt. So wird z.B. versucht, das Makedonische als nordwestgriechischen Dialekt anzusehen, der nicht-griechische Elemente assimiliert hat (Brixhe-Panayotou 1994: 205-220), oder nach anderen „handelt es sich wohl um ein ursprünglich äol. Idiom, dass frühzeitig unter (nord)westgriechischen und schließlich auch ungriechischen Einfluss geraten ist“ (Peters 2000: 38326). Diese Richtung wird auch durch Geschichtsforscher unterstützt, nach Hammond „the Macedonians from Lower Macedonian spoke an Aeolic dialect, those from Upper Macedonia a „north-western“ Greek dialect“ (Hammond 1994: 131–134).1 Die Entdeckung und Publikation der defixio aus Pella im Jahre 1993 und ihre kommentierte Ausgabe in REG 1995 (Dubois) hat unseren Wissenstand über das Makedonische nur ein wenig erweitert (vgl. Dubois 1995: 191-195; Hajnal 2003: 124), auch die literarische Evidenz kann nicht als Beweis der Gräzität des Makedonischen oder gegen diese verwendet werden, sie bringt jedoch Informationen über eine nahe Verwandtschaft der Gewohnheiten und Traditionen zwischen manchen westgriechischen Stämmen und den Einwohnern des Nordens. Es liegt am Mangel an anderen epigraphischen Denkmälern, dass die durch antike Lexika überlieferten Glossen das einzige Material bilden, über das wir verfügen.2 In seinem Lexikon zitiert Hesych einen regionalen Namen der Rose und notiert seine dialektale oder regionale Herkunft aus Makedonien, vgl. Hsch. A 45 ἄβαγνα· ῥόδα n Μακεδόνες Akk. Sg. Die Form wird –––––––

1 Darstellung der makedonischen Problematik in Brixhe – Panayotou 1994; Brixhe 1997; Hatzopoulos 2007, Panayotou-Triantaphyllopoulou 2007. 2 Typologie der makedonischen Glossen und vorläufige Illustration der anwendbaren Methode in Sowa 2006 und 2007.

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weder in anderen grammatischen oder lexikographischen Quellen bezeugt, noch tritt sie in der epigraphischen bzw. in der literarischen Tradition auf. Dieses Hesychische hapax legomenon bleibt nach wie vor unerklärt. Wir können beobachten, dass die alphabetische Anordnung der Glosse nicht stimmt, die Form ist zwischen *ἀβακῆσαι und ἀβακρόν zu finden (an dieser Stelle sollte man anmerken, dass dies kein seltener Fall, vor allem bei Hesych, ist), vgl.: [ἀβακίµων· ἄλαλος] *ἀβακῆσαι· ἀγνοῆσαι ἁµαρτάνειν gn ἄβαγνα· ῥόδα n Μακεδόνες ἀβακρόν· λεπτόν n ἀβάjων· np Κύπριοι Schon Schmidt schlug eine Emendation der Glosse zur Form ἄβαγνα· ῥόδα (τῶν) ἀµαραντῶν vor, ein Vorschlag, der anscheinend von Kalléris und Pudić angenommen wurde (Kalléris 1954: 66f. Pudić 1971: 210). Kalléris denkt dann an ἄβαγνα· ῥόδα ἀµαραντά ‚Rosen, die nicht verwelken‘, es scheint jedoch, dass die ursprüngliche Gestalt der Glosse doch ἄβαγνα· ῥόδα, ἀµαραντῶν war. Des weiteren wurde die belegte Form ἀµαραντῶν (so eine lectio in Marcianus Graecus 622) durch Latte zum ἁµαρτάνειν emendiert und der anderen Glosse zugeschrieben, auf Grund der Einträge in den Codices des Lexikons von Kyrill (g n).3 Die Existenz eines lokalen Namens der Rose in Makedonien scheint von einem großen kulturellen Wert zu sein, da das mit der griechischen mythologischen Tradition eng verbunden ist. Laut griechischer Mythologie war der phrygische König Midas im Besitz berühmter Rosengärten in Pieria am Fuße des Olymp, anscheinend in der Zeit, als die Phryger noch in Makedonien gewohnt haben.4 Es ist vielleicht der gleiche Midas, der laut Herodot eine äolische Prinzessin geheiratet hat und der erste Barbar wurde, der Opfer ans Heiligtum in Delphi schickte; doch die Rosen sind die gleichen, die für Sappho so wichtig wurden, indem sie sie als ein Symbol der Dichtung darstellte (vgl. Sapph. 55 LP).5 –––––––

3 Vgl. Latte 1953: VIII-LI für Textradition von Hesych und Kyrill, für die Codexfamilien s. idem LII-LIII. 4 Vgl. Hdt. I, 14, 10-14. Abriss der phrygischen Geschichte und klassischen Tradition über Phryger in Sowa 2008: 17-22 mit Literatur. 5 κατjάνοισα δὲ κείσηι οὐδέ ποτα µναµοσύνα σέjεν ἔσσετ‘ οὐδέ ποκ‘ ὔστερον· οὐ γὰρ πεδέχηις βρό βρόδον τὼν ἐκ Πιερίας· ἀλλ‘ ἀφάνης κἀν Ἀίδα δόµωι φοιτάσηις πεδ‘ ἀµαύρων νεκύων ἐκπεποταµένα.

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Wenn wir also Herodot glauben, existierten diese berühmten ‚Gärten von Midas‘ in Makedonien wirklich noch zu Zeiten von Perdikkas dem Ersten, in denen eine spezielle wohlriechende Art von Rosen ‚mit 60 Blättern‘ gepflanzt wurde (vgl. Hdt. 8, 138, Nik in Athen. 15, 683 a-b).6 Theophrast (hist. plant. 6, 6, 4) bezeugt das häufige Auftreten der hundertblättrigen Rose (Rosa centifolia) in dieser Region, vor allem in der Umgebung von Philippoi.7 Die Rosen waren in Griechenland schon in den epischen Zeiten bereits in einer Form ῥόδον < *ρόδον (cf. lesb. βρόδον) bekannt und wie allgemein angenommen ein Lehnwort aus dem Osten (vgl. av. varǩdā ‚Pflanzenname‘, arm. vard ‚Rose‘ als ein NWIr Lehnwort, mparth. w´r ‚Blume‘, sogdisch ward, aber mittelpersisch gwl ‚Blume, Rose‘ Olsen 1999: 909).8 Man kann hier auch einen thrakischen Gebirgszugsnamen ῾Ροδόπη anführen, das Haus und der Geburtsort von Orpheus; er ist als ein griechisches Kompositum ‚mit rosa Gesicht‘ interpretierbar, der zumindest bei den Griechen mit dem Namen einer Nymphe, die Kore begleiteten, bevor sie von Hades entführt wurde, assoziiert ist, vgl. h. Dem. 423: καὶ ῾Ροδόπη Πλουτώ τε καὶ ἱµερόεσσα Καλυψώ. Nach Frisk (GEW I: 2) ist die makedonische Form ‚dunkel‘. Kalléris verweist auf die Existenz verschiedener metaphorischer Namen für Rosen (und für Blumen allgemein) im antiken Griechenland, wie z. B. die arkadische Form εὔοµφον ‚wohlduftend‘ oder die Form, die in Korinth und auf Kos benutzt wurde ἀµβοσία, um eine Art der Lilie wegen ‚ihrer göttlichen Farbe und ihres Geruchs‘ zu bezeichnen (Kalléris 1954: 68f.). Auf Grund solcher Beobachtungen denkt Kalléris an einen möglichen Zusammenhang mit dem Verb ἀάζω ‚atmen, atmen mit offenem Mund‘, was für Kalléris anscheinend aus älterem < *ἀαγ- herkommt, das aber nach Frisk vielmehr als eine Art onomatopoetische Bildung interpretiert werden sollte (Frisk GEW I: 2), was zuerst von Aristoteles wegen seines subliterarischen Status mit dem literarischem Verb αἰάζω, ursprünglich ‚ächzen, stöhnen‘, vermischt wurde (Tichy 1983: 246f.). Nach Kalléris konnte man dann in ἄβαγνα ein Adjektiv ‚das wohlriechende‘ sehen, er schlägt aber selbst einen Anschluss an die mutmaßliche dorische Form –––––––

6 Vgl. Hdt. Oἱ δὲ ἀπικόµενοι ἐς ἄλλην γῆν τῆς Mακεδονίης οἴκησαν πέλας τῶν κήπων τῶν λεγοµένων εἶναι Mίδεω τοῦ Γορδίεω, ἐν τοῖσι φύεται αὐτόµατα ῥόδα, ἓν ἕκαστον ἔχον ἑξήκοντα φύλλα, ὀδµῇ τε ὑπερφέροντα τῶν ἄλλων. 7 Tῶν δὲ ῥόδων πολλαὶ διαφοραὶ πλήjει τε φύλλων καὶ ὀλιγότητι καὶ τραχύτητι καὶ λειότητι καὶ εὐχροίᾳ καὶ εὐοσµίᾳ. τὰ µὲν γὰρ πλεῖστα πεντάφυλλα, τὰ δὲ δωδεκάφυλλα καὶ εἰκοσίφυλλα τὰ δ‘ ἔτι πολλῷ πλεῖον ὑπεραίροντα τούτων· ἔνια γὰρ εἶναί φασιν ἃ καὶ καλοῦσιν ἑκατοντά κατοντάφυλλα· φυλλα πλεῖστα δὲ τὰ τοιαῦτά ἐστι περὶ Φιλίππους. 8 Vgl. auch aramäisch wurrdā < ass. wurtinnu.

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αβος ‚jung, frisch‘ vor (die anscheinend nirgendwo bezeugt ist, außer bei Herodian, hier aber in einer unverständlichen Bedeutung; Kalléris 1954: 71). ἄβαγνα soll dann als Beispiel eines regelmäßigen Kompositums mit *a - ‚jung‘ im ersten und mit dem Verb ἄγνυµι ‚brechen‘ im zweiten Glied interpretiert werden. Die Bedeutung wäre ‚frisch, frisch geschnitten (wörtl. gebrochen)‘ oder ähnliches, was auf den ersten Blick semantisch vielleicht auch irgendwie möglich, aber von der grammatischen Sicht völlig unplausibel ist angesichts der Tatsache, dass der infigierte Stamm im Griechischen nur im Präsens belegt ist (vgl. Perf. *e-oh2(ĝ)/uh2(ĝ)- in ἔαγα oder s-Aorist ἔαξα vgl. LIV2: 664) und die oStufe vielmehr hier ohne das Infix erwartet würde. Auch die Annahme einer Existenz des *a in der Bedeutung ‚jung, frisch‘ scheint mir im Licht der philologischen Evidenz eher problematisch. Das griechische, ausschließlich poetische ἁβρός (wie z.B. in Lesb. ἁβροκοµή ‚mit feinem Haar‘) könnte eine -ro-Ableitung vom bekannten ἥβη sein. Der Vers von Theokrit V, 119, wo die mutmaßliche Form αὖαι (nach Kalléris ἄβαι) in der Bedeutung ‚jung, frisch‘ auftritt, wird nach heutiger allgemein anerkannter Meinung, als αὖαι ‚trocken‘ interpretiert, vgl. µή µευ λωβάσησjε τὰς ἀµπέλος· ἐντὶ γὰρ αὖαι ‚Locusts that hop over our fence, hurt not my vines, for they are dry‘ (übers. Gow 1965 I: 48f.; vgl auch Gow 1965 II: 110). Gibt es dann irgendeine andere Möglichkeit, die makedonische Bezeichnung für Rosen ἄβαγνα zu erklären? Es wäre verlockend, die belegte Form ἄβαγνα auf die indogermanische Wurzel *h2eg- in der Primärbedeutung ‚stechen‘ zu beziehen, die Spuren nur im Hethitischen und Iranischen hinterlassen hat (LIV2 255). Man findet auf hethitisch Verbalformen wie huekzi, hukanzi mit der Semantik ‚töten, schlachten‘, vgl. KUB XVII 24 III 3 l nu LÚMUHALDIM UDU huwekzi ‚der Koch schlachtet die Schafe‘ oder KUB XLI 8 I 18 nu-ssan petesni kattanta hukzi, ‚he slaughters down into the hole‘. Es scheint aber, dass dieses huek- ursprünglich ‚stechen‘ bedeutete und später als Bezeichnung für rituelle Schlachtung spezialisiert wurde (als Gegensatz zu kuen- ‚töten‘, semantisch ursprünglich ‚schlagen, tot schlagen‘, zur Interpretation der anat. Belege s. Strunk 1979: 254ff., Tischler HEG I 1983: 257ff., Puhvel HED 3 1991: 327-330). Kloekhorst deutet auf die Tatsache hin, dass die vorgeschlagene Beziehung zu gr. ()ὀφνίς (vgl. Hsch. O 1980 ὀφνίς· ὕννις, ἄροτρον ohne dialektale Einordnung), ahd. waganso ‚Pflugmesser, Pflugschar‘ oder apreus. wagnis wenig plausibel sei. Das hethitische k- weist auf etymologisches *g oder *gh (oder sogar *ĝh), während der griechischen und althochdeutschen Form ein labiovelares *egh- zu-

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grunde liegen könnte, was aus hethitischer Sicht falsch ist (Kloekhorst 2008: 349). Die altpreußische Form wagnis ‚Pflugmesser‘ sollte auch eher als ein älteres *vag-inis gedeutet werden, wörtlich ‚was die Furche abschneidet‘, vgl. lith. vagà ‚Furche, Höhle‘ und lith. vagìnis arklŷs ‚Pferd, das sich während des Pflügens der Furche entlang bewegt‘ (Smoczyński 2003, 76), und hat natürlich nichts mit dem griechischen glossierten ὀφνίς zu tun. Die einzige Anknüpfung an das hethitische Beispiel könnte das altpersische Verb vaj- sein, das in der Behistun Inschrift von Dareios I auftritt, vgl. avajam ‚stach heraus (Augen)‘, vgl. DareiosɅ Worte über Phraortes, vgl. DB 32 H I J: utāsa 1 cašma : āvajam duvarayāma basta adāriya haruvašim kāra avana ‚ich ließ ihm eine Auge ausstechen; an meiner Pforte wurde er gefesselt gehalten, (und) ganze Volk konnte ihn anschauen‘ (vgl. die gleiche Formulierung in DB §33, STUV; Schmitt 2009: 60, 62). Altpers. avajam ist eine Form der 1.Sg. Impf., die außer einigen Spuren im Sakischen oder im Nordwestiranischen (vgl. Baloci gwaht, gwaj) im Iranischen verloren gegangen ist. Cheung rekonstruiert ihre uriranische Gestalt als *Huaj- und verweist auf idg. *h2eg- mit einer Bemerkung zu semantischen Schwierigkeiten beim Vergleich mit heth. huek-, weil die iranische Semantik vor allem die Bewegung ‚stecht heraus‘ auszudrücken scheint (Cheung 2007: 204f.). Dennoch scheint der Zusammenhang von heth. huek- und apers. vaj- heutzutage allgemein anerkannt zu sein. In solchem Kontext könnten wir auch annehmen, dass der glossierte maked. Akk. Pl. ἄβαγνα in Hsch. A 45 ἄβαγνα· ῥόδα n Μακεδόνες ebenfalls zu der gleichen idg. Wurzel *h2eg- ‚stechen‘ gehört und es wäre dann einfach ein -no-Adjektiv, ein Typ, der im Griechischen ziemlich verbreitet ist, vgl. z.B. ἁγνός (vgl. Ved. yajnáh), κεδνός (~ κήδοµαι), δεινός (~ δείδω, ἔδεισα), auch die Farbenbezeichnungen, wie στιλπνός, φαεινός, κυκνός ‚Schwan‘ (wahrsch. ‚der Wieße‘), usw. (zum Typ Risch 19742, 97f.). Es scheint aber, dass die -noBildungen vor allem „passive“ Semantik aufweisen, vgl. das oben zitierte δεινός ‚furchtbar‘ (eigtl. ‚gefürchtet‘) zu δείδω, deswegen man kann vielleicht an -no- in anderen Funktionen denken. Das -nó- Suffix wurde auch zur Bildung possessivischer Formationen verwendet, wie z.B. bei dem Namen der Makedonier selbst: Μακεδόνες Pl. m., Sg. -ων (ion. att.), neben dem Adj. µακεδνός ‚hoch, groß‘, das als Teil des Caland-Systems gedeutet werden muss, vgl. auch *mak-ró- ‚groß, dünn‘ (gr. µακρός, lat. macer), *mak-isto- (av. masišta- ‚höher, größer‘), usw. Es musste auch ein Adjektiv gegeben haben, das von einem Stamm *mak-ed- (‚groß, hoch‘) mit einem possessiven Suffix *-nó- (vgl. aind.

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śmaśru-ná- ‚mit einem Bart‘ zu śmaśru- ‚Bart‘) gebildet wurde. *maked-nó- ‚von großer, hoher Gestalt‘ entwickelt sich dann einerseits zum griechischen µακεδνός ‚hoch, dünn‘ und andererseits taucht vom gleichen Stamm *mak-ed- ein anderes Adjektiv mit *-ó-Suffix *mak-ed-ó(vgl. lat. calidus ‚warm‘ < *kal-ed-o- ‚der Hitze besitzt‘) auf, was folglich mit einem individualisierenden n-Suffix versehen die Form *maked-ó-n- ‚der Hohe, der Große‘ ergeben hat (Schaffner i.Dr.). In einem solchen Fall würden wir mit einer individualisierenden Formation *h2eg-no- zu tun haben in der Bedeutung ‚die Stechende‘, oder ‚mit Stechen Versehene‘. Da aber die agentive Funktion des -no- Suffixes eher nicht bezeugt zu sein scheint, ist es deswegen auch möglich, die Form des Singulars **ἄβαγνον als eine sekundäre Abstaktbildung zum passivischen *-no-Adjektiv (etwa ‚gestochen‘), wie z.B. Aw. yasna zum yaj-, zu erklären.9 Der /a/-Vokalismus anstelle des /e/ aus *h2egno kann unter Annahme einer möglichen Assimilation von *h2eg-no- > *h2aeg-no- > *aegno > *aagno- erklärt werden, mit umgekehrtem Output wie im Griech., wo die Sequenz *h2ae- über *ae- letztendlich *ee- ergibt (zur Assimilierung vgl. Hajnal 2002, 207-211). Die semantische Motivation für einen Namen der Rose als ‚stechende‘ (Blume) ist einfach zu erklären. Das Motiv der Dornen als einer immanenten Eigenschaft einer Rose wird weithin in den unterschiedlichen Kulturen bezeugt. Auch ist die Rose, so schön und verführerisch, nicht ohne ihre Fehler. Die stacheligen Dornen der Rose können das Fleisch stechen und durchbohren, vgl. Sprichwörter wie z.B. every rose has its thorn, non c'è rosa senza spine, keine Rose ohne Dornen usw. Auch in der Mythologie und in der Literatur sind der Dorn und die Rose eng miteinander verbunden, vgl. Ovid Meth. (X, 720-739) wo Aphrodite läuft, um dem zu Tode verletzten Adonis zu helfen, und von den Dornen gestochen wird. Aus ihren Wunden trat das Blut aus und gab den Rosen ihre typische rote Farbe (vgl. flos de sanguine concolor ortus). Sogar in der Assoziierung der Rose mit der Hl. Jungfrau Maria in der christlichen Periode setzt die Rose ihren Siegeszug vor allem als Symbol der Liebe und Zuneigung fort, ebenso wie die christliche caritas, auch ihre „dornige“ Metapher, die noch in der Folklore verschiedener Nationen präsent ist (z.B. im deutschen Weihnachtslied, vgl. ‚und die Dornen haben die Rosen getragen‘). Das Konzept der Rose als einer ‚dornigen, stechenden Blume‘ wäre dann nichts Unerwartetes. Es würde eher auf ––––––– 9

Als Benennungsmotiv für einen solchen Blumennamen könnte man an Parfümnamen denken, vgl. etwa „Obsession“ eigentlich Abstraktum aus urspr. „was obsessed macht“. Hist. Sprachforsch. 124, 152-159, ISSN 0935-3518 © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2011

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eine grundlegende Metapher verweisen, die eine physische Eigenschaft des Objekts beschreibt. Es ist aber schon merkwürdig, dass wir in historischen Zeiten keinen Beweis für den Stamm *h2eg-no- im Griechischen finden. Das Auftreten der Formen im Lexikon von Hesych wie ἄγγος· *ἀγγεῖον pw) καὶ ῥίζα βοτάνες (Hsch. A 401) oder Hsch. A ἄγνος· φυτόν p οὕτω καλούµενον (immer mit Bezug auf Pflanzen) könnte die These der Existenz von *h2eg-no- (ἄβαγνα) prinzipiell stützen. Natürlich muss der genaue Zusammenhang zwischen ἄβαγνα und den anderen Formen erst detailliert geprüft werden. Literaturverzeichnis Brixhe, C. – Panayotou, A. (1994): Le Macedonien. Langues indo-européennes. Sous la direction de Françoise Bader. 206-220. Paris: CNRS. Brixhe, C. (1997): Un „noveau“ champ de dialectologie grecque: le Macédonien. Katà diálekton. Atti del III Colloquio Internazionale di Dialettologia Greca. Napoli – Fiaiano d`Ischia, 25-28 settembre 1996. A cura di A.C. Cassio, 41-71. Napoli: A.I.O.N. XIX (1997). Cheung, J. (2007): Etymological Dictionary of the Iranian Verb. Lieden: Brill (Leiden Indo-European Etymological Dictionary Series 2). Frisk GEW = Frisk, H. (1960): Griechisches Etymologisches Wörterbuch. Heidelberg: Carl Winters Universitätsbuchhandlung. Gow, A.S.F. Theocritus. Vol. I. Introduction, Text and Translation. Vol. II Commentary. Cambridge: University Press. Hajnal, I. (2002): Mykenisch e-we-pe-se-so-me-na und die Frage eines frühgrechischen Umlauts. Novalis Indogermanica. Festschrift für G. Neumann zum 80. Geburtstag. Hrsg. von M. Fritz und S. Zeilfelder, 201-213. Graz : Leykam (Grazer Vergleichende Arbeiten 17.). Hajnal, I. (2003): Methodische Vorbemerkungen zu einer Paleolinguistik des Balkanraums. Languages in Prehistoric Europe. Hrsg. von A. Bammesberger & Th. Vennemann, 117-145. Heidelberg: C. Winter Universitätsverlag. Hatzopulos, M. (2007): La position dialectale du macedonien a la lumiere de decouvertes epigraphiques recentes. Die Altgriechischen Dialekte. Wesen und Werden. Hrsg. von I. Hajnal, 157-176. Innsbruck: Institut für Sprachwissenschaft der Universität (IBS 126.) Hehn, V. (18773): Kulturpflanzen und Haustiere in ihrem Übergang aus Asien nach Griechenland und Italien sowie in das übrige Europa. Berlin: Gebrüder Borntraeger. Hoffmann, O. (1906): Die Makedonen, ihre Sprache und Volkstum. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Kalléris, J.N. (1954 [1976]). Les anciens macédoniens. Étude linguistique et historique. Tome I. Tome II. Athenes. Kloekhorst, A. (2008): Etymological Dictionary of the Hittite Inherited Lexicon. Leiden: Brill (Leiden Indo-European Etymological Dictionary 5). Latte, K. (ed.) (1953-1966): Hesychii Alexandrini lexicon. 1-2 (A-O). Hauniae: Ejnar Munksgaard editore. LIV2 = Lexikon der Indogermanischen Verben. Die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen. Unter Leitung von Helmut Rix. Unter der Mitarbeit vieler anderer bearbeitet von Martin Kümmel, Thomas Zehnder, Reiner Lipp, Brigitte Schirmer. Hist. Sprachforsch. 124, 152-159, ISSN 0935-3518 © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2011

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