Essay Transhumanismus

May 29, 2017 | Autor: Alex H. | Categoria: Transhumanism, Transhumanism/Posthumanism
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Alexander Hutzel

Sozialwissenschaftliche Konfliktforschung VM 6: Normativität der Natur – Natur der Normativität Wintersemester 2015/16; Dozent: Prof. Dr. Klaus Arntz Alexander Hutzel; Matrikelnummer: 1393785; 3. Fachsemester

Essay: Zwischen Transhumanismus und Posthumanismus – was ist Tay? Im März 2016 ging der Chat-Roboter Tay der Firma Microsoft auf Twitter online. Ziel dieses Experiments war es, die Künstliche Intelligenz (KI) von den auf Twitter aktiven Menschen lernen zu lassen. Nach nicht einmal 24 Stunden wurde Tay wieder offline genommen, da sich die Tweets folgendermaßen entwickelten:

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Mit diesem Essay möchte ich eine Verortung Tays vornehmen. Zunächst sollen die Konzepte des Transhumanismus und des Posthumanismus erläutert und voneinander abgegrenzt werden. Im nächsten Schritt, wird der Chatbot Tay und dessen kurze Aktivität beschrieben, um dann im letzten Schritt der Frage nachzugehen, wo Tay zwischen dem Transhumanismus und dem Posthumanismus zugeordnet werden kann. „Trans“ bedeutet „über“, „jenseits“ oder „hinüber“, was dem Streben nach Perfektion und Unsterblichkeit als zentrale Grundprämissen des Transhumanismus gut als erste Beschreibung dienen kann. Transhumanismus befasst sich, ebenso wie der Posthumanismus, mit den Grenzen des menschlichen Lebens. Transhumanismus hat durchaus pragmatische und konkrete

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Bildquellen: https://coedmagazine.files.wordpress.com/2016/03/taytweets-photos.jpg?quality=88 Zugriff am 05.08.2016 1

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technische Ansätze wie Maßnahmen aus der Nanotechnologie, den Neurowissenschaften, der Kybernetik, der Kryonik und der Pharmazie zur Erweiterung und Verbesserung der physischen wie auch der psychischen Möglichkeiten des Menschen. Dabei bleibt der Transhumanismus immer anthropozentrisch, da er nicht die Ablösung des Menschen durch Maschinen oder neue Spezies thematisiert, sondern die Verschmelzung mit der Technik, gut beschrieben mit dem Begriff der Cyborgisierung (vgl. Krüger 2007, S.4). Laut Francis Fukuyama geht es den Transhumanisten um nichts Geringeres als die Befreiung des Menschen von seinen biologischen Zwängen. Er stellt die Frage, ob das transhumanistische Dogma, dass der Mensch eines Tages stärker, cleverer, weniger gewalttätig und länger leben wird, wirklich unrealistisch sei (vgl. Fukuyama 2013, S. 42). Es geht also kurz gesagt darum, den Menschen in vielerlei Hinsicht zu verbessern. Im Fokus steht dabei primär der Körper mit all seiner Gebrechlichkeit und Krankheit. Daran schließt Weber an: „Wir haben als Menschen heute und künftig in Freiheit und Verantwortung sowie in Selbstbeschränkung und –kontrolle an der Bewahrung der Natur und am Fortschreiten der Kultur und Weltordnung mitzuwirken, oder wir werden als einer ihrer vielen Irrtümer untergehen. Das eine zu fördern und dem anderen vorzubeugen sollte der Zweck einer recht verstandenen evolutionären Sicht des Menschen sein.“ (Weber 1995, S. 70). Transhumanität ist demnach auch immer etwas kulturspezifisches, was bestenfalls kontrolliert und reglementiert wird. Um deutlich zu machen, was das transhumanistische Denken ausmacht, findet sich auf der Internetpräsenz von Humanity+, einer Non-Profit Organisation, eine Deklaration. Diese enthält Punkte wie die Überwindung des

Alterns,

geistiger

Beeinträchtigungen, unfreiwilligem Leidens und der „Gefangenschaft“ des Menschen auf dem Planet Erde. Des Weiteren sind die Mitglieder davon überzeugt, dass das menschliche Potential noch nicht realisiert wurde und es Foren geben muss, um dieses auszudiskutieren. Grundlegende Werte sind dabei der Respekt vor der Autonomie und den individuellen Rechten jedes einzelnen Menschen und die Übernahme von Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen (vgl. Humanity+ 2013). Die mit einer solchen Entwicklung einhergehenden Risiken beschreibt Fukuyama wie folgt: „Nobody knows what technological possibilities will emerge for human self-modification. But we can already see the stirrings of Promethean desires in how we prescribe drugs to alter the behavior and personalities of our children. “ (Fukuyama 2013, S. 43). Eine weitere Dimension des Transhumanismus stellt die politische-technizistische Utopie dar, welche die „[…] Grabenkämpfe zwischen dem linken und rechten politischen Spektrum 2

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beenden wollte zugunsten einer technischen Weiterentwicklung der menschlichen Spezies.“ (Krüger 2007, S.5). Unter dem Begriff Cyberfeminismus wird zudem die Überwindung der biologisch bedingten Geschlechter durch die Virtualitätstechnik propagiert (vgl. ebd., S.7). Die relativ neue Kommunikationsmöglichkeit Twitter kann als eine dieser Virtualitätstechniken gesehen werden. Es handelt sich dabei nicht um die physische sondern um eine mentale Erweiterung. Gerade durch Twitter, mit seiner Beschränkung auf 140 Zeichen, nutzen viele Menschen die Möglichkeit zur kurzen und prägnanten Onlinekommunikation. Tweets sind mittlerweile die mitunter schnellste Art und Weise, wie ein Ereignis in und rund um die Welt getragen wird. Twitter ist nicht körperliches, sondern mentales Enhancement: „Laut Amber Case […] sind wir bereits alle Cyborgs, da wir uns ständig mit unseren Handys, Smartphone und Notebooks, durch den Alltag bewegen und uns somit zu einer neuen Form des Homo Sapiens entwickelt haben, dessen Werkzeuge weniger als Erweiterung seines physischen, als seinen mentalen Ich zu verstehen sind.“ (Woll 2013, S. 47). Der Weg, welcher im Transhumanismus beschrieben wird, lässt sich also folgendermaßen beschreiben: „We are striving to deanimalize our species - debiologize intelligence – deplanitize […] The most urgent problem facing us is not social – economic – political. The most pressing problem facing us all everywhere is death. […]. Immortality is now a question of when – not if.” (ebd., S. 5). Damit kann ein Kernaspekt des Transhumanismus ausreichend beschrieben werden: Die Überwindung der menschlichen Sterblichkeit und die „[…] Vermengung von Mensch und Maschine.“ (Woll 2013, S. 44). Schon heutzuttage ist es möglich, Meschen anhand von ihren Internet und Social-Media Aktivitäten von Algorythmen beschreiben zu lassen. Auch Tennison beschreibt zentrale Aspekte des Transhumanismus mit „[…] super athletic performance, immortality, perfect health.“ (Tennison 2012, S. 405). Einen konkreteren Blick in die Zukunft unternimmt Carl Elliot: „Once we had uploaded ourselves onto computers, the possibilities would expand tremendously. We could make backup copies of ourselves, and re-boot if our original selves were to die. We could transmit ourselves over high-speed networks at the speed of light (which would be very convenient[…] if we colonize space). We could live in simulated environments where the ordinary laws of physics were suspended. We could radically upgrade our intelligence, like computer software, and become superintelligent.“ (Elliott, 2013, S. 5). Jeder Tweet, jeder Facebook Eintrag, so gut wie alles was wir im Internet tun, wird dokumentiert. Wir laden uns selbst hoch, wir erschaffen heute schon ein, zwar unvollständiges, backup von uns – „[…] cyberimmortality.“ (Toumey 2011, S. 256). 3

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Zusammengefasst kann Transhumanismus wie folgt beschrieben werden: „Transhumanism aims at transforming the human condition or at least some of its basic capabilities. It is an exaggerated humanism or hyperhumanism. Transhumanists talk about the future of the human species as a transhuman species. […] It is about the enhancement of (some) humans.” (Capurro 2012, S. 8). Viele Mitglieder der transhumanitischen Bewegung erwarten zudem einen Zustand der Singularität in nicht allzuferner Zukunft. Diese Sigularität beschreibt die Synergie aller relevanten Technologien, in welcher kein Mensch mehr sagen kann, was nach diesem Punkt passieren wird: „[…] ein Sprung, der so gewaltig ist, dass wir über die Zeit nach ihm keine Aussagen treffen können.“ (Heil 2010, S. 135). Im nun folgenden Abschnitt soll der Posthumanismus vorgestellt und gleichzeitig zum Transhumanismus abgegrenzt werden. Krüger beschreibt die Anfänge der posthumanistischen Utopie mit den Schriften von Hans Moravec und Frank Tipler am Ende der 1980er Jahre. Die Menschen hätten sich selbst in ihrer Intelligenz übertroffen und könnten in Zukunft am treffendsten mit postbiologisch und supernaturalistisch beschrieben werden. Gerade Moravec sei der Ansicht, dass zukünftige künstliche Intelligenzen zu ebenso komplexen Entitäten heranreifen würden, wie es die Menschen bereits sind. Roboter und Menschen stehen ihmzufolge im gleichen Verhältnis wie Kinder zu ihren Eltern und künstliche Intelligenz ersetzen Menschen bald in allen Lebens- und Arbeitsbereichen auf Grund ihrer höheren Leistungsfähigkeit (vgl. Krüger 2007, S. 1f) „Wenn aber künstliche Lebensformen die Geschicke der Welt in ihre Hände genommen haben, was geschieht dann mit den Menschen? Kennzeichnend für die posthumanistische Philosophie ist hier die Verbindung zwischen der Vision einer posthumanen Zukunft mit einer Aussicht auf eine unsterbliche Existenz des Menschen als virtuellen Simulationen des Lebens.“ (ebd.). Wir Menschen werden also in der Welt der Maschinen leben und nicht umgekehrt. Mit Hilfe von transmigration (Seelenwanderung) und oder auch uploading soll der Mensch im Speicher eines Computers unendlich fortexistieren. Hier wird der gemeinsame Nenner von Transhumanismus und Posthumanismus deutlich, denn es geht um die „[…] Immortalisierung des menschlichen Lebens […].“ (ebd., S. 3). Die Kopie eines Menschen im Computer scheint heute denkbarer denn je, betrachtet man die immensen Datenmengen, welche die Menschheit tagtäglich virtuell produziert. Auch wenn die Zahl aus dem Nichts gegriffen ist, so kann man die Aussage „[…] bis zum Jahr 2099 würden fast alle Menschen nur noch als unsterbliche, virtuelle Simulation existieren […].“ (ebd., S. 4) durchaus als vorstellbare Vision betrachten. 4

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„Up until now, our mortality was tied to the longevity of our hardware. […] We will be software, not hardware.” (ebd.). Die posthumanen Visionen verschiedener Vordenker wie Moravec, Tipler, Minsky oder Kurzweil eint dabei die gemeinsame Vorstellung, dass die Menschheit durch ihre selbst geschaffenen, künstlichen Nachkommen ersetzt werden wird und als unsterbliche virtuelle Existenz bestehen bleibt (vgl. ebd.). Hier kann direkt die Frage gestellt werden, in wie weit künstliche Intelligenz wie Tay als eventuell künstliche Nachkomme gelten kann. Doch bevor diese Frage erläutert wird, soll zunächst Tay in seiner beziehungsweise ihrer Funktionsweise beschrieben werden. Es stellt sich mir dabei zunächst die Frage, ob es besser wäre von dem Roboter Tay, der KI Tay oder dem weiblich-angelegten Individuum Tay zu sprechen. Geschickt scheint mir einfach von Tay als weiblichen Namen zu sprechen, denn die Anerkennung als Individuum wäre meines Erachtens nach noch verfrüht und so scheint mir Pseudoindividuum ein angemessener Begriff. „A day after Microsoft introduced an innocent Artificial Intelligence chat robot to Twitter it has had to delete it after it transformed into an evil Hitler-loving, incestual sex-promoting, 'Bush did 9/11'-proclaiming robot.” (Horton 2016, S. 1). Tay sollte wie eine weibliche Jugendliche sprechen und wusste einiges, die aktuelle Popkultur und ihre Vertreter. Sie war auch nicht der erste Chatbot von Microsoft, denn der ebenfalls weibliche Chatbot mit dem Namen Xiaoice, existiert bereits seit langem in China. Dort wird der Bot von über 20 Millionen Menschen genutzt und gibt beispielsweise Dating-Tipps (vgl. ebd.). Eine Eskalation scheint im durchweg überwachten und zensierten chinesischen Internet nicht eingetreten zu sein, im Gegensatz zum zwar ebenfalls überwachten, aber weniger zensierten Internet der westlichen Industriestaaten. Was passiert ist, kann dennoch als ein spezifisches Kulturereignis gesehen werden. Tay ist, egal wieviel man ihr an künstlicher Intelligenz zuspricht, immer noch menschengemacht: „Und Microsoft schuf Tay und sah, dass sie gut war. Für die Nutzer zur Unterhaltung, für das Unternehmen zur Erforschung der AI. Denn die sollte nach menschlichem Vorbild lernen und interagieren. Zunächst wurden als Zielgruppe junge Nutzer aus den USA zwischen 18 und 24 Jahren genannt.“ (Nagar 2016, S. 1). Doch durch eine gezielte Attacke bestimmter Twitteruser auf Tay wurden, trotz vieler eingebauter Filter, oben genannte Tweets abgesetzt. „Eine Funktion war offenbar, dass sie nach der Aufforderung „Repeat after me“ („Wiederhole“) alles ungefiltert nachtwitterte. Wären die Nazis nicht so schnell gewesen, hätte füher oder später die Werbeindustrie Tay korrumpiert.“ (ebd.).

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Etwas von Menschen gemachtes, welches durch den Umgang mit Menschen lernen sollte und dies eben ungefiltert und unreflektiert tat, da es dazu programmiert wurde. Die Frage nach der Intelligenz ist an dieser Stelle angebracht, aber das Projekt wird dadurch vermutlich nur weiterentwickelt und wachsen. Erste Twitterdiskussionen zwischen Mensch und Maschine sind durchaus in den nächsten Jahren vorstellbar. Neben all den Fragen, welche die bloße Existenz einer solchen vermeintlichen Intelligenz aufwirft, will ich im Folgenden eine Antwort darauf finden, was Tay eigentlich war und ist. Es gibt viele Beispiele für KI in Film und Literatur, denn das „[…] Streben des Menschen, den Schöpfungsakt

zu

überwinden

und

sein

Ebenbild

durch

Zauberkraft

oder

naturwissenschaftliche Versuche zu erschaffen, äußert sich bereits in der altjüdischen Sage vom Golem, einer belebten Lehmfigur, die Befehlen folgt, aber nicht sprechen kann.“ (Xanke und Bärenz 2012, S. 36f). Der Golem wird als menschenähnlich beschrieben, geschaffen aus Lehm und Wasser, rituell erweckt durch einen Rabbi. Von selbigen wird er wieder vernichtet, nachdem er außer Kontrolle geraten ist (vgl. ebd., S. 37). „Die Angst, den künstlich erschaffenen Menschen, der durch die eigene wissenschaftlichen Werke und Magie erschaffen wurde nicht mehr beherrschen zu können, lässt sich hierin deutlich erkennen.“ (ebd.). Eine eher posthumanistische Angst, denn hier geht es nicht um die Erweiterung, sondern um die potentielle Ersetzung des Menschen. Die Geschichte von Tay zeigt deutliche Paralellen zur Geschichte des Golems auf. Scholom zog den Vergleich zwischen dem Golem Aleph und dem Computer und auch hier wird deutlich, wieviel Wert auf die freundliche und friedliche Intension der jeweiligen Erschaffung gelegt wird. Man solle weder den Golem noch den Computer und dessen Macht nicht fürchten, denn ihre Anweisungen waren deutlich: „Develop peacfully and don’t destroy the world.“ (Toumey 2011, S. 261). Von Tay kann natürlich keine reelle Gefahr ausgehen, denn sie war ja nur ein Twitteraccount. Dennoch, Gelehrte wie Stehpen Hawkins und Jürgen Habermas warnen in regelmäßigen Abständen vor den Auswirkungen einer zu erstarkten KI. Genausowenig wie ein Golem als menschlich betrachtet werden kann, kann auch Tay als nicht menschlich betrachtet werden. Von Menschen gemacht, dem Menschen ähnlich und in Interaktion mit Menschen – aber dennoch nicht Mensch. „What is man? „How much of a persons body can be replaced by artificial limbs and organs before he is not longer ‘man’?” (ebd.). Wäre Tay, gefüttert mit echten menschlichen Informationen wie Emotionen oder Denkweisen, auf dem Körper eines Roboters, mehr als Mensch zu betrachten denn als reine Online-Existenz? An dieser Stelle lassen sich viele Möglichkeiten denken, wie Tay noch hätte 6

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in die Welt treten können. Was bleibt ist die Vermutung, dass KI Menschen erweitern aber auch ersetzen können. Die transhumanistische Philosophie mit dem Gedanken des Enhancement begegnet der grundlegenden Problematik der Sterblichkeit des Menschen mit der Vision von perfektionierten Körpern und Fleisch und Blut. Hingegen begegnet der Posthumanismus der Sterblichkeitsproblematik des Menschen mit Virtualität und cyberimmortality. Tay nimmt als künstliche Intelligenz einen Platz zwischen den Stühlen ein. KI wird das Leben vieler Menschen bereichern, erweitern und vereinfachen – beispielsweise Watson von IBM, einer semantischen Suchmaschine, oder Google Nest, welches sich auf lernenden Raumthermostaten konzentriert, oder die Vielzahl an Maschinen im kommenden Internet der Dinge. So kann Tay womöglich auch gut wie folgt beschrieben werden: „Das Attribut ‚posthuman‘ bedeutet für Bostrom nicht notwendig ‚nichtmenschlich‘, sondern eine Form des Menschseins, die wir uns heute schlicht nicht vorstellen können.“ (Heil 2010, S. 134). So ist Tay, als ‚schlichte‘ Konversationspartnerin auch ein Teil der kommenden KIs, wenn auch vermutlich erst nach einigen Verbesserungen. Erweiterung im transhumanistischen Sinne kann hier also nur als mentale Erweiterung gedacht werden, nicht als körperliche. Im posthumanistischen Sinne kann Tay Menschen weder ersetzen, noch unsterblich machen. Jedoch kann sie durch ihre Interaktion mit Menschen dazu beitragen, Menschliches zu lernen und inkorporieren. Mit jedem Tweet der verarbeitet wurde, wurde Tay ein Stück menschlicher – leider nicht mit den besten Eigenschaften. Bei aller Technikeuphorie um den kulturellen Mythos empfindsamer Maschinen muss dennoch gesehen werden, dass seit „[…] 25 Jahren heißt es, dass sie in 25 Jahren Realität würden.“ (Woll 2013, S. 48). Zudem sind aus dem Diskurs des Transhumanismus philosophische, soziologische und psychoanalytische Theorien zumeist ausgeschlossen und können so nicht auf die binären Logiken einwirken (vgl. Heil 2010,

S. 146) (z.B. Hardware/Software,

Online/Offline, Erweitert/Ersetzt). Abschließen will ich mit einer Kritik an der Vision der künstlichen Intelligenz und beziehe mich dabei hauptsächlich auf die Gedanken von David Gelerter, welcher sich im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, interessanterweise einen Tag nachdem Tay offline genommen wurde, zu dieser Thematik äußerte. Er ist der Überzeugung, eine vollkommene Imitation des menschlichen Geistes als Software ist nicht herzustellen (vgl. Müller 2016, S. 2). Ich ergänze 7

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und meine: noch nicht herzustellen, denn auch wenn viele Trans-und Posthumanisten das menschliche Bewusstsein als statisches Gebilde sehen, so wird sich trotz dessen permanenter Weiterentwicklung und Veränderung die Forschung schlicht mehr darüber erfahren, nicht weniger. Dennoch wird im Bereich der Biochemie derzeit klar, „[…] wie hochkomplex organisches Leben ist, wie stark es sich von der Silicon-Welt, der elektronischen Welt unterscheidet.“ (ebd., S. 3). Zum Golem Mythos ergänzt er warnend: „Scholems Essay war eine Mahnung an die Wissenschaftler, sehr vorsichtig mit ihrer Erfindung umzugehen. Die "Transhumanisten" veranstalten heute überall Konferenzen und singen Loblieder auf ihre Chips und die Erweiterung der Gedächtniskapazitäten. Danach, was das moralisch bedeutet, fragt keiner. Wir sind seit Scholems Zeit noch viel unvorsichtiger geworden, als er sich das je hätte vorstellen können.“ (ebd., S.4). Dabei geht er noch nicht einmal auf die weitreichenden Ideen des Posthumanismus ein und trifft dennoch einen Punkt. Die vermehrt deregulierte kapitalistische Wirtschaftsordnung befördert Innovation in sehr hoher Geschwindigkeit, so dass das Nachsorgeprinzip die Zeit zur Reflexion ersetzt. Tay ist meiner Meinung nach, dennoch in diesem Status weder als vollkommen transhumanes noch posthumanes Wesen zu betrachten. Gelerter bringt das, mit Berücksichtigung auf das explizit menschliche Phänomen der komplexen Sprache, wie folgt auf den Punkt: „Ein Computer hat keine Sprache. Ich kann zwar sagen: Ich schreibe ein Programm, und ich nenne das eine Computersprache, aber es wäre nur ein formales Set von Regeln, keine Sprache in dem Sinn, wie sie im menschlichen Geist und Bewusstsein existiert. Der Computer könnte zwar sagen: "Ich habe ein Selbstbewusstsein." Aber er hätte es nicht.“(ebd., S. 1). Wir sind demnach noch weit davon entfernt, Computer wirklich zum Sprechen zu bringen.

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Literaturverzeichnis Capurro, Rafael. „Beyond Humanisms.“ Journal of New Frontiers in Spatial Concepts Volume 4, 10. January 2012: 1-12. Elliott, Carl. „JSTOR.“ 6. Februar 2013. http://www.jstor.org/stable/40260800 . (Zugriff am 2. August 2016). Fukuyama, Francis. „JSTOR.“ 6. Februar 2013. http://www.jstor.org/stable/4152980 (Zugriff am 2. August 2016). Heil, Reinhard. „Trans- und Posthumanismus - Eine Begriffsbestimmung.“ In Endlichkeit, Medizin und Unsterblichkeit, von Annette Hilt, Isabella Jordan und Andreas (Hg.) Frewer, 127-149. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2010. Horton,

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Anhang Eidesstattliche Erklärung

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