TRAIAN: BELLICOSISSIMUS PRINCEPS

Share Embed


Descrição do Produto

Aus: M. A. Speidel, Heer und Herrschaft im Römischen Reich der Hohen Kaiserzeit (Stuttgart 2009) 121 - 165.

TRAIAN: BELLICOSISSIMUS PRINCEPS I. Traian und das Heer «Dem Senat, dem Römischen Volk und mir selbst zum Heil nehme ich hiermit M. Ulpius Traianus an Sohnes statt an!» – Mit diesen Worten soll Kaiser Nerva im Herbst des Jahres 97 auf dem Kapitol in Rom, nachdem er sich mit Göttern und Menschen beraten hatte, die Adoption Traians verkündet haben (Plin., Paneg. 8,1–3. Dio 68,3,4). Verschwörungen, Unruhe im Heer und zuletzt eine Meuterei der Praetorianer hatten ihn zu diesem Schritt gedrängt. Plinius der Jüngere legte in seiner nur drei Jahre nach der Adoption gehaltenen Lobrede auf den neuen Herrscher besonderen Nachdruck auf die gegen Nerva gerichtete Stimmung im römischen Heer und nennt diese sogar als eigentliche Voraussetzung für die (angeblich zögernde) Zustimmung Traians zur Mitherrschaft: «Die Zerrüttung der Heeresdisziplin machte dich zu demjenigen, der sie wiederherstellte und (gar noch) verbesserte». (Paneg. 6,2. Siehe bes. 5,5ff.). In derselben Rede beschrieb Plinius Traian als Heerführer vom Schlage der alten Helden, als geborenen Soldaten und beliebten Feldherrn, dessen schon früh erworbener Kriegsruhm alle Feinde Roms endlich wieder in Angst und Schrecken versetze und sie zum Gehorsam gegenüber Rom zwinge (Paneg. 12,1ff.). Deshalb, so Plinius, war die Adoption auch unmittelbar erfolgreich: «Sogleich sank aller Aufruhr zusammen – nicht wegen der Adoption, sondern wegen (der Persönlichkeit) des Adoptierten» (Paneg. 8,5).1 Aber nicht nur Plinius war der Ansicht, dass das unmittelbare Ende aller Gefahren für die Person und die Regierung Nervas vor allem auf Traians überragenden Einfluss beim Heer zurückzuführen sei. Auch in der späteren TradiErstmals erschienen in: A. Nünnerich-Asmus (Hg.), Traian. Ein Kaiser der Superlative am Beginn einer Umbruchzeit? (2002) 23–40. — Abgekürzungen: Bennett, Trajan = J. Bennett, Trajan. Optimus Princeps (1997). Birley, Hadrian = A. Birley, Hadrian. The restless Emperor (1998). Campbell, Emperor = J.B. Campbell, The Emperor and the Roman Army 31 BC – AD 235 (1984). Davies, Service = R.W. Davies, Service in the Roman Army (1989). Eck, Statthalter = W. Eck, Die Statthalter der germanischen Provinzen vom 1.–3. Jahrhunder (1985). Millar, Near East = F. Millar, The Roman Near East 31 BC – AD 337 (1993). Piso, Fasti I = I. Piso, Fasti Provinciae Daciae I. Die senatorischen Amtsträger (1993). Strobel, Dakerkriege = K. Strobel, Untersuchungen zu den Dakerkriegen Trajans. Studien zur Geschichte des mittleren und unteren Donauraums in der Hohen Kaiserzeit (1984). Strobel, Deutung = K. Strobel, in: J. Knape / K. Strobel, Zur Deutung von Geschichte in Antike und Mittelalter. Bamberger Hochschulschriften 11 (1985). Strobel, Donaukriege = Die Donaukriege Domitians (1989). 1

Statim consedit omnis tumultus. Non adoptionis opus istud, sed adoptati. Im gleichen Sinne auch Plin., Paneg. 5,5ff. 6,3ff. 8,3ff. Für wertvolle Hinweise danke ich Werner Eck (Köln).

122

Traian: Bellicosissimus Princeps

tion und bis in heutige Zeit wird Traian gerne bereits zum Zeitpunkt seiner Adoption als Mann beschrieben, der nach einer langen militärischen Laufbahn bei den Legionen grosses Ansehen genoss. Traians spätere Erfolge scheinen dieses Bild zu bekräftigen. Nervas Hoffnung, durch die Adoption Traians im Herbst 97 eine Wende zum Besseren zu bewirken, wäre demnach tatsächlich unmittelbar Wirklichkeit geworden, und zwar vor allem wegen der grossen militärischen Erfahrung des Adoptierten und seines hervorragenden Rufs beim Heer.2 Es lohnt sich deshalb, die Ereignisse, die zur Adoption Traians führten, sowie dessen militärischen Werdegang besonders aus der Sicht der Soldaten genauer zu betrachten.

Die Adoption Traians aus Sicht der Soldaten Nerva war kein Kaiser nach dem Geschmack der Soldaten (Suet., Dom. 23. Dio 68,1f.). Er verdankte seine Herrschaft den Mördern Domitians, auch wenn er selbst nicht zum engsten Kreis der Verschwörer gehörte (Dio 67,15,5). Als Kaiser wirkte er bei der Ächtung des Ermordeten und bei der Tilgung seines Andenkens massgeblich mit (Suet., Dom. 23. Dio 68,1,1f.). Um die Gunst der Truppen bemühte sich der neue Kaiser zunächst kaum. Er hatte nie als Offizier gedient, und es war letztlich seine mangelnde Autorität bei den Soldaten – vielleicht mehr noch als sein Alter und seine Kinderlosigkeit –, die ihn und seine Regierung schon bald nach seinem Herrschaftsantritt wiederholt in höchste Gefahr gebracht hatte. Domitian hingegen, war beim Heer stets beliebt gewesen. Er war mehrfach mit seinen Soldaten ins Feld gezogen, hatte mit ihnen Siege errungen und sie ausgezeichnet, er hatte ihren Sold um einen Drittel erhöht sowie vermutlich ihre Dienstzeit und die Auszahlung ihrer Entlassungsgelder neu geregelt (Suet., Dom. 6f.).3 Bei der überwiegenden Mehrzahl der Soldaten bewirkte die Ermordung Domitians deshalb Unverständnis, ja offene Ablehnung. Einige verlangten Domitians Erhebung unter die Götter, andere hielten sein Andenken auch weiterhin auf ihren Denkmälern hoch, und an der Donau, wo Domitian zuletzt mit seinen Truppen gesiegt hatte, drohte angeblich sogar offene Meuterei (Suet., Dom. 23. ILS 2034. Philostr., v.soph. 1,2). Die Unzufriedenheit im Heer war aber umso bedrohlicher, als Nervas Herrschaft auch im Senat nicht unumstritten war. Einige Mitglieder der höchsten Führungsschicht waren sogar bereit, die verärgerten Soldaten durch Versprechungen für ihre eigenen, gegen Nervas Herrschaft gerichteten Unter2

3

Einige jüngere Untersuchungen kommen allerdings zu ganz anderen Ergebnissen: Strobel, Deutung. W. Eck, in: M. Clauss (Hg.), Die römischen Kaiser. 55 historische Porträts von Augustus bis Iustinian (1997) bes. 116. Siehe jetzt auch G. Seelentag, Taten und Tugenden Traians (2004). M.A. Speidel, Die römischen Schreibtafeln von Vindonissa (1996) 64ff. Zu Domitians Verhältnis zum Heer siehe auch Seelentag (Anm. 2) 115–121. 272.

Traian: Bellicosissimus Princeps

123

nehmungen zu gewinnen (z.B. Dio 68,3,2. Epit. 12,6). Vom Heer der Provinz Syria, das Plinius wenig später als «riesig und besonders berüchtigt» beschrieb (Ep. 9,13,11: amplissimus et famosissimus exercitus), fürchtete man, dass es dem damaligen Statthalter der Provinz, M. Cornelius Nigrinus Curiatius Maternus, dem Held der Donaukriege Domitians und dessen höchstdekorierten General, zur Macht verhelfen könnte (Plin., Ep. 9,13,2 u. 10ff.).4 Offenbar war Cornelius Nigrinus dem Andenken Domitians gegenüber weniger feindlich eingestellt, als jene Kreise, die die Regierung Nervas unterstützten – ein Standpunkt, der bei den Soldaten auch ausserhalb Syriens sicherlich breite Zustimmung fand.5 Besondere Gefahr für Nerva ging von der Praetorianergarde in Rom aus, denn sie machte keinen Hehl aus ihrer Wut über die Ermordung Domitians und drängte auf Rache. Unter ihrem neuen Praefekten, Casperius Aelianus, der bereits unter Domitian mehrere Jahre in derselben Stellung gewesen war (Dio 68,3,3), setzten sie Nerva in seinem Palast gefangen und erpressten unter Androhung von Gewalt die Herausgabe der Mörder Domitians (Plin., Paneg. 5,5ff.. Dio 68,3,3. Epit. 12,6–8). Damit hatte Nerva als Kaiser viel von seiner Autorität verloren. Von einer concordia exercituum, wie sie Nervas Münzen priesen (BMC Emp. III 1f. etc.), konnte zumindest im Hinblick auf die Loyalität zum Kaiser, keine Rede sein. Zwar konnte sich Nerva wegen des Sieges seiner Truppen im bellum Suebicum (CIL V 7425) an der Donau Hoffnung auf mehr Popularität beim Heer machen, denn daraus ergab sich für den Kaiser der willkommene Anlass, den Siegerbeinamen Germanicus anzunehmen und sich zum Imperator II ausrufen zu lassen (Plin., Paneg. 8,2f. u. 16,1. Dio 68,3,4. BMC Emp. III 9f.). Doch war es mittlerweile bereits zu spät, um damit allein seine Herrschaft zu sichern. Wollte sich Nerva aus der Abhängigkeit der Garde lösen, musste er sich militärische Unterstützung sichern. Er entschied sich deshalb, M. Ulpius Traianus, den damaligen Statthalter Obergermaniens, zu adoptieren (Plin., Paneg. 6,1 u. 4. 7,3).6 Das obergermanische Heer, das Traian unterstand, beschrieb Plinius in seiner Lobrede als «überaus schlagkräftig, riesig und treu ergeben» (Paneg. 9,2: fortissimus, amplissimus, amantissimus sui exercitus). Wenn hinter dieser Formulierung mehr steckt, als das nachträgliche Lob für das Heer des späteren Kaisers (und damit gleichzeitig auch für dessen Qualitäten als Heerführer), so durfte Traian auf die Loyalität seiner obergermanischen Truppen zählen. Das aber war entscheidend, denn Traian hatte das Italien und Rom am nächsten gelegene grosse Provinzheer unter seinem Kommando. Im niedergermanischen Heer, hingegen, bestand seit der Ermordung Domitians möglicherweise eine gewisse Unzufriedenheit. Darin lag vielleicht auch einer der Gründe, weshalb Traian unmittelbar 4 5 6

G. Alföldy, Römische Heeresgeschichte. Beiträge 1962–1985 (1987) 153ff. K.-H. Schwarte, BJ 179 (1979) 139ff. 149f. Strobel, Deutung 41ff. Dazu etwa Strobel, Deutung 48. Eck, Statthalter 45ff.

124

Traian: Bellicosissimus Princeps

nach seiner Adoption die Statthalterschaft Obergermaniens an seinen Gefolgsmann L. Iulius Ursus Servianus abtrat und sich nach Niedergermanien begab, um persönlich das Kommando über die dort stationierten Truppen zu übernehmen.7 Denn eine grosse Zahl dieser Soldaten war mit Domitian an Rhein und Donau siegreich ins Feld gezogen, und gerade die Legionen Niedergermaniens hatten nach dem Jahre 89 stolz den Namen Domitians geführt (z.B. legio X Gemina pia fidelis Domitiana). Jedenfalls liess Traian schon kurz nach seiner Ankunft in Köln Entlassungen vorbereiten, die dann für die Hilfstruppen am 20.2.98, wenige Wochen nach Nervas Tod, verkündet wurden, wie ein Militärdiplom aus Elst (Niederlande) zeigt.8 Es ist durchaus wahrscheinlich, dass auch aus den niedergermanischen Legionen Soldaten entlassen wurden, was dann aber vielleicht noch im Dezember des Vorjahres geschah.9 Das Elster Militärdiplom gibt zwar keinen Hinweis darauf, dass die darin erwähnten Entlassungen aus anderen, als den üblichen Altersgründen vorgenommen wurden, doch betrafen sie die dienstältesten Jahrgänge und somit jene Soldaten, die am längsten mit und unter Domitian gekämpft hatten. Das Diplom aus Elst lässt vielleicht noch einen weiteren Grund für mögliche Unzufriedenheiten im niedergermanischen Heer vor der Ankunft Traians in der Provinz erschliessen. Denn die lange Liste der Truppen, aus denen entlassen wurde, lässt sich als Hinweis darauf deuten, dass die Entlassungen überfällig waren. In jedem Fall aber trugen die Entlassungen dazu bei, allfällige Missstimmungen unter den Soldaten Niedergermaniens zu verringern. Wie aber wollte Traian die Loyalität aller Soldaten gewinnen? Was hatte er Cornelius Nigrinus, dem berühmten General Domitians, entgegenzustellen? Genoss Traian tatsächlich, wie immer wieder gerne behauptet wird, schon vor seiner Adoption einen Ruf als beliebter und bedeutender Feldherr? Fast alles, was dazu überliefert ist, stammt aus der im Jahre 100 gehaltenen Lobrede des jüngeren Plinius (Paneg. 12–19). Plinius beabsichtigte mit diesem Text natürlich nicht, sine ira et studio Geschichte zu schreiben. Vielmehr schilderte er darin die unmittelbare Vergangenheit unter starker Einbeziehung offizieller, d.h. von Traian selbst geprägter Darstellungsweisen – selbstverständlich eindeutig zu Gunsten des neuen Kaisers. Die Beschreibung von Traians militärischen Erfahrungen vor seiner Adoption sind in dieser Rede auffallend verkürzt, summarisch und, mit einer einzigen Ausnahme, vollkommen frei von konkreten Berichten über militärische Erfolge. Daraus allein ergibt sich schon der Verdacht, dass sich Traians militärische Verdienste auch nicht entfernt mit jenen seines Rivalen messen liessen. Nach Plinius hat Traian an Rhein und Euphrat als Militärtribun sowie in Spanien als Legionskommandeur gedient (Paneg. 14,3 u. 15,1). Über die Zeit als Legionstribun berichtet Plinius, Traian habe sie genutzt, um möglichst viel über 7 8 9

Dazu HA, Hadr. 2,6. Eck, Statthalter 47f. Siehe auch folgende Anmerkung. RMD IV 216 vom 20.2.98. H. Nesselhauf, CIL XVI S. 186.

Traian: Bellicosissimus Princeps

125

die Belange des Heeres sowie über fremde Völker und Länder zu lernen (15,1ff.). Gerade in einer Lobrede ist daran nichts überraschend. Denn die Zeit des Legionstribunates war für die jungen Mitglieder der Senatsaristokratie – wenn sie ihre Aufgabe ernst nahmen – eine Zeit, in der sie sich mit allen Aspekten des Heerwesens vertraut machen sollten.10 Dennoch betrachteten einige ihren Militärtribunat als vergnüglichen Urlaub (Tac., Agr. 5) oder besuchten während dieser Zeit, wie Plinius, den Unterricht berühmter Philosophen (Ep. 1,10 u. 3,11). Wenn sich Traian als Legionstribun tatsächlich ernsthaft seinen militärischen Aufgaben gewidmet hatte, so ist darin höchstens insofern eine besondere Leistung zu erkennen, als er dann – im Gegensatz zu einigen Altersgenossen – die Erwartungen an einen jungen senatorischen Militätribun auch wirklich erfüllte. Ganz unglaubwürdig sind aber Plinius' Berichte von Traians militärischen Erfolgen während dieser Jahre. Einen ersten grossen Erfolg soll er in jener Zeit errungen haben, in der sein Vater in Syrien Statthalter gewesen war (73/74– 77/78) und für die erfolgreiche Durchsetzung römischer Interessen an der Euphratgrenze von Vespasian die Triumphalinsignien erhalten hatte (Paneg.14,1. ILS 8970). Den Erfolg seines Vaters habe der junge Traian, wie Plinius behauptet, so sehr gemehrt, dass er bereits zu jenem Zeitpunkt den Siegernamen Germanicus verdient hätte. Denn allein durch die Nachricht seines Anrückens seien die Parther damals in Angst und Schrecken versetzt und in ihrem wilden Übermut gebändigt worden. Daran kann aber nur wenig wahr sein. Der damals zwischen 20 und 25 Jahre alte Traian konnte zwar in seiner Funktion als Legionstribun auch Kommandoaufgaben bei militärischen Operationen im Feld übernehmen.11 Es ist aber vollkommen unwahrscheinlich, dass ein junger senatorischer Militärtribun während seiner Lehrjahre beim Heer bereits einen solchen Ruf hatte, dass allein sein Name den Gegner zurückschrecken liess. (Es sei denn, die Parther hätten den jungen M. Ulpius Traianus mit seinem gleichnamigen Vater verwechselt). Auch am Rhein, und vermutlich wiederum als Militärtribun, soll Traian grosse Bewunderung geerntet haben (Plin., Paneg. 14,1). Allerdings nennt Plinius diesmal überhaupt keinen Anlass dafür: vermutlich gab es auch nichts zu berichten. Stark übertrieben und deshalb unwahrscheinlich klingt auch Plinius' Behauptung, Traian habe aus Ehrgeiz einen kurzen Militärdienst abgelehnt und deshalb ganze zehn Jahre lang als Tribun gedient (Paneg. 15,2f.). Ein solch langer Zeitraum wäre äusserst ungewöhnlich gewesen, denn ein Legionstribunat dauerte unter gewöhnlichen Umständen wohl höchstens zwei bis drei Jahre.12 Den einzigen konkreten und glaubwürdigen militärischen Erfolg vor der Adoption beschreibt Plinius im Zusammenhang mit Traians Kommando über die 10 11 12

Zu den Aufgaben der Militärtribune ausführlich H. Devijver, The Equestrian Officers of the Roman Imperial Army I (1989) 1ff. Ebd. 12ff. A.R. Birley, The Fasti of Roman Britain (1981) 9. Ders., The Roman Government of Britain (2005) 4.

126

Traian: Bellicosissimus Princeps

legio VII Gemina (Paneg. 14,2–5).13 Diese Legion hatte Traian Ende 88 oder im Januar 89 aus ihrem Standlager in Legio (León) im Nordwesten Spaniens in Eilmärschen an den Rhein geführt. Besonderes Lob fand Plinius für die grosse Geschwindigkeit des Zuges sowie für Traians persönliche und energievolle Teilnahme an allen Strapazen des Unternehmens. Wenn man von vorne herein annehmen darf, dass Plinius hierin Traian in übertriebenem Masse lobte, so hielt er es mit der Wahrheit in einer weiteren Einzelheit noch weniger genau: denn er behauptete, Traian hätte nicht eine sondern gleich mehrere Legionen an den Rhein geführt (Paneg. 14,3). Ganz besonders aufschlussreich ist jedoch der historische Zusammenhang dieses Unternehmens, den Plinius allerdings ganz bewusst unbenannt lässt: Traian sollte seine Legion an den Rhein führen, um Domitian bei der Niederschlagung des Aufstandes des obergermanischen Statthalters L. Antonius Saturninus zu helfen. Traian kam mit seiner Legion aber zu spät, denn der Aufstand war schon vor Ende Januar vom niedergermanischen Statthalter A. Bucius Lappius Maximus niedergeschlagen worden. Auch dazu schwieg Plinius in seiner Lobrede. Immerhin scheint es durchaus wahrscheinlich, dass sich Traian noch kurze Zeit in Obergermanien aufhielt, um an den unmittelbar anschliessenden Strafoperationen im sogenannten «zweiten Chattenkrieg» Domitians teilzunehmen. Dies ist wohl die wahrscheinlichste Deutung jener Bemerkung, mit der Plinius den Bericht über Traians Legionskommando abschliesst:14 Traian sei nach seinem Eilmarsch von Domitian für würdig befunden worden, mehrere weitere, militärische Unternehmungen anzuführen.15 Wenn Traian bei seinem Marsch an den Rhein tatsächlich ein gewisses Organisationstalent gezeigt hatte und auch einige nicht unwichtige Fähigkeiten eines grossen Heerführes hatte erahnen lassen, so war sein Zug dennoch weniger ein Beweis für sein ausserordentliches militärisches Talent, als vielmehr für seine offene Treue gegenüber Domitian. Es ist deshalb erstaunlich, dass Plinius im Jahre 100 den Eilmarsch in seiner Lobrede vor dem Senat als Traians herausragendste militärische Leistung beschrieb, anstatt konkret über die eine oder andere seiner angeblich so zahlreichen militärischen Siege zu berichten. Auch dass er Traian zu jenem Zeitpunkt sogar als Domitians stärkste Stütze beschrieb (Paneg., 14,5) scheint nun gerade vor dem Senat eine vollkommen unnötige Übertreibung – zumal Lappius Maximus, der Antonius Saturninus tatsächlich besiegt hatte und sich als confector belli Germanici feiern liess (ILS 1006), noch 13 14 15

Zu diesem Posten Traians T. Franke, Die Legionslegaten der römischen Armee in der Zeit von Augustus bis Traian (1989) 162ff. mit weiterer Lit. So auch Strobel, Deutung 19. Für die Annahme, dass Traian in den folgenden Donaukriegen Domitians eine herausragende Rolle gespielt, als comes des Kaisers oder als Statthalter Pannoniens fungierte habe, ist weder in der Rede des Plinius noch sonst ein konkreter Hinweis zu finden. Anders: J. Fitz, Die Verwaltung Pannoniens in der Römerzeit I (1993) 162ff. Birley, Hadrian 27 und 318 Anm. 12.

Traian: Bellicosissimus Princeps

127

am Leben war und vielleicht sogar unter den Zuhörern im Senat sass.16 Es lassen sich für Plinius' Hervorhebung dieser Geschichte wenigstens zwei Erklärungen finden: entweder gab es sonst nichts, womit Traians Talent als Heerführer unter Beweis zu stellen war, oder die Episode spielte in der offiziellen Darstellung Traians, aus bestimmten Gründen, eine wesentliche Rolle. Vermutlich traf beides zu. Die Betonung der Geschichte vom Eilmarsch Traians ist in der späteren offiziellen Darstellung dann besonders sinnvoll, wenn sie ursprünglich nicht für den Senat, sondern vor allem für die vielen, Domitian freundlich gesinnten Soldaten gedacht war. So konnte versucht werden, jene Kreise beim Heer, die eher Cornelius Nigrinus zuneigten, davon zu überzeugen, dass auch Traian ein von Domitian hochgeschätzter Feldherr war. Denn die Geschichte «bewies», dass Domitian in Zeiten grösster Not vor allem auf Traian und seine militärische Hilfe zählte, dass Traian nicht nur ein ausgezeichneter sondern auch ein besonders treuer Feldherr Domitians gewesen ist, und dass er seinem Rivalen Cornelius Nigrinus somit in nichts nachstand. All dies zeigte sich auch schliesslich darin, dass ihn Domitian im Anschluss angeblich für würdig befand, weitere wichtige Kommandostellen zu übernehmen. Es ist deshalb durchaus möglich, dass Traian mit der Geschichte seines Eilmarsches das Heer insgesamt zu gewinnen suchte. Gleichgültig, ob die offizielle und stark übertriebene Schilderung der militärischen Errungenschaften Traians vor seiner Adoption tatsächlich als Reaktion auf die Machtansprüche des Cornelius Nigrinus zu verstehen sind oder nicht, so zeigten sie doch mit aller Deutlichkeit die Anstrengungen, die Traian zu Beginn seiner Regierung unternahm, um als geborener Soldat und siegreicher Feldherr Domitians zu gelten. Doch Traian liess es bei der blossen Propaganda nicht bewenden.

Kaiser und Kamerad Mit der Adoption Traians und der Entfernung seines Rivalen Cornelius Nigrinus aus allen öffentlichen Funktionen waren die Machtverhältnisse im Reich aus politischer Sicht geklärt. Noch fühlte sich Traian aber nicht sicher. Solange nicht auch die Soldaten treu zu ihm standen, fehlte seiner Herrschaft die notwendige Stabilität. Dies war eine der Lehren aus der kurzen Regierungszeit Nervas. Mit welchen Mitteln die Gefolgschaft der Soldaten zu erringen war, hatte Traian sowohl bei seinem Vater, als auch von Domitian lernen können. Dass er diese Aufgabe ernst nahm, beweist der Umstand, dass der neue Kaiser die ersten beiden Jahre seiner Regierung beim Heer an Rhein und Donau verbrachte. Auch wenn daneben innerrömische Gründe dazu führten, dass sich Traian zunächst aus Rom fernhielt, zeugen die Massnahmen, die er in dieser Zeit ergriff, von seinem grossen Talent als Heerführer und festigten seine Herrschaft. 16

Zur Laufbahn des Lappius Maximus siehe Eck, Statthalter 148ff.

128

Traian: Bellicosissimus Princeps

Nach seiner Ankunft in Köln befahl Traian dem Praetorianerpraefekten Casperius Aelianus mit der Garde an den Rhein zu ziehen, wo er seinen Dienst an der Seite des neuen Kaisers zu versehen hätte. Als Vorwand diente Traian, dass er die Gardetruppen für einen in den Quellen nicht näher benannten Zweck brauche. Traian hatte jedoch keineswegs die Absicht, Aelianus und jene Prätorianer, die die Meuterei gegen Nerva angeführt hatten, in seine Dienste zu übernehmen. Nicht nur die pietas gegenüber seinem Adoptivvater forderte deren Bestrafung, sondern allein schon der Ungehorsam gegenüber einem regierenden Kaiser und – schlimmer noch – die Androhung von Gewalt. Wollte Traian bei den Soldaten und den Kommandeuren nicht sogleich in den Ruf eines schwachen Führers geraten und sich damit der ständigen Gefahr neuer Meutereien aussetzen, musste er ein Zeichen setzen: Er liess Casperius Aelianus und führende Prätorianer umbringen (Dio 68,5,4). An seine Stelle setzte er Attius Suburanus.17 Als dieser seinen neuen Posten antrat, überreichte ihm Traian das Dienstschwert mit den Worten: «Nimm dieses Schwert und verwende es für mich, wenn ich gut regiere – andernfalls gegen mich.» (Dio 68,16,12. Vict., De Caes. 13,9. Vgl. Plin., Paneg. 67,8). Mit diesem Zeichen seines vollen Vertrauens in einen Gefolgsmann sowie seines ausgesprochenen Willens, «gut» zu regieren, konnte Traian Zeitgenossen und Nachwelt beeindrucken. In Wirklichkeit verliess er sich aber keineswegs auf die Wirkung solcher Gesten seines Vertrauens. Allein die Hinrichtung des Casperius Aelianus, der im Grunde ja nichts wesentlich anderes getan hatte, als das, wozu Traian nun seinen neuen Gardepräfekten aufrief, zeigt deutlich, wie wenig der neue Kaiser gewillt war, Ungehorsam zu dulden. Auch waren die Praetorianer mittlerweile nicht mehr die einzige Truppe in der unmittelbaren Nähe des Kaisers. Denn zu dieser Zeit hatte Traian wohl bereits seine neue, berittene Garde aufgestellt: die equites singulares Augusti.18 In ihrer Mehrheit bestand diese neue, 1000 Mann starke Begleittruppe des Kaisers aus einer Auswahl der besten Hilfstruppenreiter, zunächst vor allem des niedergermanischen Heeres, wobei besonders der Stamm der Bataver ein bedeutendes Kontingent stellte. Indem Traian den Batavern und ihren Nachbaren die Ehre erwies, in grosser Zahl in der berittenen kaiserlichen Leibgarde zu dienen, gewann er mehr als eine hervorragende Kavallerieeinheit. Denn die Völker Niedergermaniens, allen voran die Bataver, die bereits den julisch-claudischen Kaisern ihre Leibgarde gestellt hatten, waren durch die schmachvolle und unverdiente Entlassung ihrer kaiserlichen Gardereiter von Galba gekränkt (Suet., Galba 12) und von Vespasians Legionen schliesslich sogar besiegt worden. Spott und Schmähungen waren die Folge (Juv., 8,51). Nun fanden sie durch Traian erneut 17 18

H.-G. Pflaum, Les carrières procuratoriennes équestres sous le Haut-Empire romain (1960–61) Nr. 56. Hierzu und zum folgenden M.P. Speidel, Riding for Caesar. (1994) bes. 15ff. 38ff. Ders., Die Denkmäler der Kaiserreiter. (1994).

Traian: Bellicosissimus Princeps

129

hohe Ehre und Anerkennung. Der Anblick der neuen, kaiserlichen Gardereiter wurde in Rom mit Spannung erwartet (Mart. 12,8). Auch die Hauptstadt der Bataver liess Traian neu gründen, gab ihr eine neue Organisation und seinen Namen: Ulpia Noviomagus (Nijmegen). Damit sicherte sich Traian die besondere Gefolgschaft dieser Stämme ebenso, wie die der übrigen batavischen Reitertruppen (vgl. Tac., Germ. 29). Die neuen Soldaten brauchten aber, wie auch der neue Kaiser, neuen, eigenen Ruhm. Deshalb suchte Traian nach einem dazu geeigneten Feld. Dass der neue Kaiser nach Nervas Tod weiterhin am Rhein blieb und erst beinahe zwei Jahre später nach Rom zurückkehrte, scheint in der Hauptstadt die Erwartung geweckt zu haben, dass er militärische Operationen gegen die Germanen beginnen werde (Mart. 10,7). Vielleicht zählte auch Tacitus zu jenen, die im Jahre 98 einen Germanenkrieg erwarteten. Denn in diesem Jahr schrieb er sein Buch über die Germanen und ihren 210jährigen Kampf mit Rom (Germ. 37, vgl. 41) und erinnerte an Domitians «falschen Triumph über die Germanen» vom Jahre 83 (Tac., Agr. 39,1). Allerdings gehörte Tacitus zu jenen, die das Ende der grossen Expansionskriege seit dem Beginn der Kaiserzeit bedauerten (Ann. 1,3,6. 4,32,1f. 11,20,1f.) und seine Einschätzung dessen, was Rom in seinem Verhältnis zu den Germanen militärisch erreichen könne und solle, wurde vermutlich nicht von allen geteilt. Jedenfalls begann der neue Kaiser nun eine Inspektionsreise zu den Grenztruppen und ihren Lagern an Rhein und Donau (ILS 1019). Die wenigen überlieferten Nachrichten, die sich mit diesem Unternehmen verbinden lassen, weisen vor allem auf den Ausbau und die Festigung bestehender Anlagen und Verhältnisse hin. So wird von von der Wiederherstellung eines früheren, friedlichen Zustandes am rechten Rheinufer berichtet.19 Darauf deuten auch die ersten, noch im Jahre 98 geprägten Goldmünzen der Alleinherrschaft Traians, die ein Bild der sitzenden Germania, d.h. der Germania pacata, zeigen.20 Auch die Anlage neuer und nach ihm selbst benannter Festungen im Grenzgebiet soll er befohlen haben (Amm. 17,1,11). In diesen Zusammenhang gehören aller Wahrscheinlichkeit nach sowohl die archäologisch bezeugte Fortsetzung des Ausbaus am Grenzsicherungssystem21 als auch verschiedene Massnahmen zur Organisation des römischen Grenzlandes, wie die Gründungen von Ulpia Noviomagus (Nijmegen) und der colonia Ulpia Traiana (Xanten) in Niedergermanien oder der civitas Ulpia Sueborum Nicrensium (Ladenburg) in Obergermanien. Sicher bezeugen Meilensteine, dass in den Jahren 97 und 98 an der Strasse zwischen Mainz und Koblenz gebaut wurde (CIL XIII 9146. 9147. 9162). 19 20

21

Oros., Hist. 7,12,2: Germaniam trans Rhenum in pristinum statum reduxit. Eutr. 8,2,1: urbes trans Rhenum in Germania reparavit. P. Strack, Untersuchungen zur römischen Reichsprägung des zweiten Jahrhunderts. I. Die Reichsprägung zur Zeit des Traian (1931) 69ff. Vgl. W. Wiser, in: A. Nünnerich-Asmus (Hg.), Traian. Ein Kaiser der Superlative am Beginn einer Umbruchszeit? (2002) 145ff. H. Schönberger, JRS 59 (1969) 160ff. Ders., BerRGK 66 (1985) 369ff. 381ff.

130

Traian: Bellicosissimus Princeps

Aureus mit der Büste Traians und dem Bild der sitzenden, zum Frieden bereiten Germania (Germania pacata). Ihren linken Arm stützt sie auf einen hexagonalen, germanischen Schild. In ihrer rechten Hand hält sie als Zeichen des Friedens einen Ölzweig. Mit diesem Münzbild feierte Traian u.a. den aussenpolitischen Erfolg seiner Reise und der Truppeninspektion an Rhein und Donau in den Jahren 98 und 99 n.Chr. RIC II 15.

Im Winter 98/99 hatte Traian die Donau erreicht (Plin., Paneg. 12,3. 16,2). Auch hier veranlasste und bestätigte er Massnahmen zum Ausbau und zur Festigung der Reichsgrenze, wobei er sich wiederum eng an die strategischen Konzepte Domitians hielt:22 Er liess das Grenzsicherungssystem ausbauen (AE 1976, 609: 98 n.Chr., Novae. CIL III 1642: 99 n.Chr., Prahovo) und den Bau der Legionslager von Vindobona und Brigetio vorantreiben.23 Im Hinterland gründete Traian an der Stelle des aufgegebenen Legionslagers die Colonia Ulpia Traiana Poetovio. Ferner wurden Verkehrswege und Kanalanlagen, vor allem im Bereich der «Eisernen Tore» ausgebaut, bzw. neu angelegt (ILS 5863. AE 1973, 475). Auch am niedermoesischen Donauhafen von Sexaginta Prista, einem wichtigen Stützpunkt der moesischen Kriegsflotte, wurde gebaut.24 Schliesslich regelte oder bestätigte Traian hier ebenfalls das Verhältnis mit den benachbarten Germanenstämmen jenseits der Grenze (Tac., Germ. 42. Vgl. Plin., Paneg. 12,1f.).25 Dies gelang ohne eigentliche kriegerische Auseinandersetzungen, denn Traian konnte seine Ziele dadurch verwirklichen, dass er, wie etwa im Winter 98/99, die Germanen durch die Vorführung der militärischen Macht seiner Truppen einschüchterte (Plin., Paneg. 12. 16,2). Der «aussenpolitische» Erfolg des fast zweijährigen Unternehmens an Rhein und Donau lag somit vor allem in der Sicherung des 22 23 24 25

Siehe J. ⇧a⌃el, JRS 63 (1973) 79ff. Strobel, Untersuchungen 159ff. M. Mirkovi⌅; in: The Roman Limes on the Middle and Lower Danube (1996) 37ff. A. Mócsy, RE Suppl. 9 (1962) 614f. 649f. B. Lörincz, AArchHung 27 (1975) 343ff. Strobel, Dakerkriege 85. 95. V. Velkov, Epigraphica 27 (1965) 107. Strobel, Donaukriege 107ff. Ders., Dakerkriege 152.

Traian: Bellicosissimus Princeps

131

Friedens an den Nordgrenzen des Reiches. Auch wenn es nicht zum grossen Germanenkrieg kam, den einige vielleicht erwartet hatten, wurde dieser Erfolg in Rom schliesslich als Sieg verkündet und gefeiert (Plin., Paneg. 12). Die Germanen gehörten nun nicht mehr zu den grossen Feinden Roms (vgl. Mart. 12,8). Auch die Goldmünzen mit dem Bild der befriedeten Germania wurden bis ins Jahr 100 weiter geprägt, während das ganze Unternehmen von Beginn an von Botschaften der militärischen Sieghaftigkeit Traians in der übrigen Münzprägung begleitet war.26 Selbst noch gegen Ende des Jahres 114 wird auf dem Ehrenbogen für Traian in Benevent dieselbe Botschaft verkündet: friedliche Sicherung der Grenzen durch den Einfluss Roms auf die Barbaren (Landseite, linker Pfeiler, unten) und die Garantie für den Frieden an den Reichsgrenzen durch den Kaiser und das römische Heer (Landseite, rechter Pfeiler, unten).27 Daneben hatte das Unternehmen der Jahre 98/99 aber noch einen zweiten, in den Quellen deutlich genannten Zweck, der unmittelbar mit der Sicherung der Herrschaft des neuen Kaisers zusammenhing. Denn die Inspektionsreise diente auch zur Sicherung der Gefolgschaft der Grenztruppen und ihrer Befehlshaber (Plin., Paneg. 18f. Dio Chr., Or. 1,28f.). Als Anlass wurde deshalb auch die unter Domitian angeblich völlig verkommene Disziplin der Truppen angegeben (Plin., Pang. 6,2; 13,4; 18,1; Ep. 8,14,7, vgl. 10,29,1). Solche Behauptungen gehörten zwar zu den Mitteln, die jeder Kaiser anwenden konnte, der selbst als Erneuerer der Heeresdisziplin auftreten wollte (HA, Hadr. 3,9. 10,2f.). Im Falle Traians ist allerdings besonders an die unruhige Stimmung im römischen Heer nach dem Tode Domitians zu denken. Um sich die Gefolgschaft der Soldaten zu sichern und die Disziplin der Truppen zu erneuern, bediente sich Traian vor allem zweier Mittel: Er liess die Soldaten militärische Übungen, Manöver und Paraden vollziehen und er machte selbst dabei mit (vgl. Dio Chr., Or. 12,16ff.). Nach Plinius (Paneg. 13. 18f.) teilte der neue Kaiser die Mühen und Anstrengungen der Soldaten, lernte ihre Namen, beobachtete, leitete und beteiligte sich an den Manövern, prüfte die Waffen, die Anlagen und die Truppen, kümmerte sich um die Kranken und Erschöpften, ging nach einem Rundgang durch die Zelte als letzter ins Bett und hielt schliesslich die Befehlshaber dazu an, dasselbe zu tun. Mit grosser Wahrscheinlichkeit benutzte Traian die Gelegenheit auch dazu, militärische Auszeichnungen (ILTun 778) und das beim Regierungsantritt eines neuen Kaisers übliche Geldgeschenk persönlich auszuzahlen (Paneg. 25,2). Er gab sich dabei sowohl als imperator und dux als auch als legatus und miles (Plin., Paneg. 10,3). Militärische Tüchtigkeit (virtus) gehörte zwar zum Ideal, das jeder Kaiser zu verkörpern suchte, doch hat kein regierender Kaiser vor Traian in seiner öffentlichen Selbstdarstellung solchen Nachdruck auf sein kameradschaftliches Verhältnis zu den Soldaten gelegt. Auch die Bilder auf der grossen Säule in Rom, 26 27

Strobel, Deutung 22. 24 mit Anm. 96ff. 113f. W. Gauer, JDAI 89 (1974) 317ff. Strobel, Deutung 21f.

132

Traian: Bellicosissimus Princeps

die seine Kriegserfolge in Dakien feierten, zeigen, wie Traian sein Verhältnis zu den Soldaten verstanden wissen wollte: Er war mit seinen Truppen in den Krieg gezogen, er teilte die Anstrengungen und Gefahren des Feldzuges indem er die Arbeiten der Soldaten persönlich leitete und beaufsichtigte, Kundschafter begleitete, in kritischen und wichtigen Momenten zu seinen versammelten Soldaten sprach, bei grossen Schlachten stets anwesend war, oder zur Rettung bedrängter Truppen herbeieilte und besonders verdiente Soldaten auszeichnete und beschenkte. Noch bei der Belagerung von Hatra während des Partherkrieges ritt der weit über sechzigjährige Kaiser zusammen mit seiner Leibgarde einen Angriff gegen die Stadt und wurde dabei um ein Haar verwundet (Dio 68,31,3). Auch auf Münzen, die er u.a. mit Bildern von Paraden und Heeresansprachen prägen liess, feierte Traian sein besonderes Verhältnis zum Heer. Dass ihm dies ein wichtiges Anliegen war, ist auch daran zu erkennen, dass er sich im Umgang mit seinen Soldaten, selbst in offiziellen Verlautbarungen, stets als Kamerad, commilito, bezeichnete (Plin., Ep. 10,20. 10,53. 10,101. 10,103. Dig. 29,1,1).28 Zwar hatten schon frühere Kaiser diese Anrede gelegentlich gebraucht, doch die Flavier, einschliesslich Domitians, scheinen sie, ähnlich wie früher schon Augustus (Suet., Aug. 25,1), vermieden zu haben. Traian bezeichnete sich aber nicht nur als Kamerad, er benahm sich vielmehr auch entsprechend und hatte bei den Mannschaften damit offenbar den gewünschten Erfolg (Plin., Paneg. 12,3f. 12,13. 16,2). Unter den Augen des «grossen Kaisers Traian» kämpften seine Soldaten «wie einst Achilleus» (SEG XLIII 911). So versuchte er auch Domitian zu übertreffen, von dem damals in Rom behauptet wurde, er habe auf seinen Reisen an Rhein und Donau, im Angesicht nicht nur des eigenen Heeres sondern auch des Feindes, sein Schiff von einem anderen schleppen lassen, da er weder das Geräusch noch die Erschütterungen durch die Ruderer ertragen wollte (Plin., Paneg. 81,4ff.). Der stark betonte militärische Gesichtszug in seiner öffentlichen Selbstdarstellung prägte denn in besonderem Masse das Bild Traians in der schriftlichen Überlieferung, die auch entsprechend kräftige Übertreibungen enthält.29 In rechtlichen Angelegenheiten bewies Traian seinen Soldaten ebenfalls grosses Wohlwollen. So verlieh er ohne weiteres das Römische Bürgerrecht an die Tochter eines Kohortenzenturionen, der darum gebeten hatte, ohne dafür besondere Umstände oder Gründe geltend gemacht zu haben (Plin., Ep. 10,106f.). Ferner erlaubte er allen Soldaten, ein Testament zu verfassen, das selbst dann rechtsgültig war, wenn es formalen Ansprüchen nicht genügte (Dig. 29,1,1. Vgl. 29,1,24). Dieses Vorrecht war zwar nicht grundsätzlich neu, doch scheint Traian es nun erstmals zu einem allgemeinen und zeitlich unbeschränkten Privileg für alle Soldaten erhoben zu haben. Nach seinen eigenen Worten war es die «Red28 29

Campbell, Emperor 37f. 45ff. Z.B. Plin., Paneg. 6,2. 14,3. 19,3. Plin., Ep. 10,29,1. Fronto, Princ. hist. 11 VdH p.209. Dio 68,7,5. 68,8,2. HA, Hadr. 10,2ff.

Traian: Bellicosissimus Princeps

133

lichkeit meiner Gesinnung gegenüber den besten und treuesten Mitsoldaten …», die Traian dazu bewogen.30 Da diese Formulierung Bestandteil der Anweisungen (mandata) an seine Provinzstatthalter, die gleichzeitig grosse Provinzheere kommandierten, wurde, konnten diese daraus deutlich ersehen, wie sehr dem Kaiser am Wohl seiner Soldaten gelegen war. Bei ihren Handlungen hatten sie dies entsprechend zu berücksichtigen. Mit anderen Regelungen versuchte Traian die Disziplin der Soldaten zu festigen (vgl. Dio 68,7,5). So verfügte er etwa, dass die öffentlichen, zivilen Feiertage für die Angehörigen des Heeres keine Geltung hätten (Dig. 2,12,9). Damit sollte vermutlich erreicht werden, dass sich die Soldaten nicht mehr Feiertage nahmen, als ihnen ohnehin schon in ihrem militärischen Festkalender zustanden.31 Dem Urteilsspruch gegen einen Zenturionen, der ein ehebrecherisches Verhältnis gehabt hatte, fügte er einige Grundsätze zur disciplina militaris bei, damit in Zukunft die Provinzstatthalter in solchen Fällen selbst urteilen konnten (Plin., Ep. 6,31,4ff.). Auch zeigte er sich unnachgiebig gegenüber solchen Bitten von Heeresangehörigen, die er für ungerechtfertigt hielt. Entscheidend waren, nach Traians eigenen Worten, sachliche Notwendigkeit und Nutzen (Plin., Ep. 10,21f. Vgl. 10,27f.). Mehrere allgemeine Regelungen traf Traian auch im Hinblick auf die Truppenrekrutierung. Sie betrafen etwa Strafen für Sklaven, die sich gegen geltende Rechtsvorschriften zur Aufnahme ins Heer gemeldet hatten (Plin., Ep. 10,29f.), für Angeklagte, die auf diese Weise einer drohenden Todesstrafe entgehen wollten (Dig. 49,16,4,5) oder für Väter, die ihre Söhne verstümmelten, um sie dienstuntauglich zu machen (Dig. 49,16,4,12). Mehr noch: Selbst die Frage, ob jemand das Recht habe, im römischen Heer zu dienen, der mit nur einem Hoden geboren worden war, oder einen verloren hatte, beschäftigte Traian. Er erlaubte solchen Personen Soldaten zu werden, denn schliesslich hätten auch Sulla und Cotta unter diesem Mangel gelitten (Dig. 49,16,4 praef.). Zur Friedenssicherung an den Reichsgrenzen gehörte auch ein gesicherter Nachschub an neuen Rekruten. Auch diesem Thema widmete Traian seine Aufmerksamkeit und wiederum wurde dies im Bildschmuck eines grossen öffentlichen Denkmals dargestellt (Beneventer Bogen, Landseite, linker Pfeiler, Mitte). Es ist deshalb besonders interessant, dass Traians Massnahmen zur Unterstützung von Kindern aus ärmeren Familien und zur Förderung des Kindernachwuchses in Italien von Plinius mehrfach in einen direkten Zusammenhang mit künftigen Rekrutierungen ins römische Heer gebracht wurde.32 Welche Rolle solche Überlegungen bei Traians grossen Anstrengungen um die Alimentarinstitution in 30 31 32

Dig. 29,1,1: secutus animi mei integritudinem erga optimos fidelissimosque commilitones … existimavi, ut … Vgl. den militärischen Festkalender aus Dura Europos (P.Dura 54). W. Eck, Die Verwaltung des Römischen Reiches in der Hohen Kaiserzeit II (1997) 203ff. mit weiterer Lit. Plin., Paneg. 26,3: alimentisque tuis ad stipendia tua pervenirent. 28,5: Hi subsidium bellorum ornamentum pacis publicis sumptibus aluntur …; ex his castra … replebuntur.

134

Traian: Bellicosissimus Princeps

Italien tatsächlich spielten, ist kaum mehr festzustellen. Zwar liegt der Beginn seiner Bemühungen um diese Institution zeitlich unmittelbar nach seiner Rückkehr von der Donaufront (Dio 68,5,4), doch lassen sich verstärkte Rekrutierungen in Italien für die Grenzheere, ausser in Krisensituationen, auch in der Folgezeit nicht nachweisen. Der etwa seit Claudius feststellbare, starke Rückgang italischer Legionsrekruten setzte sich weiterhin unvermindert fort.33 Dennoch hat Traian den Bestand des römischen Heeres erheblich gemehrt: Neben der bereits erwähnten Aufstellung der berittenen Begleittruppe der equites singulares Augusti, richtete er auch zwei neue Legionen ein, die legio II Traiana Fortis und die legio XXX Ulpia Victrix34 sowie mehrere neue Hilfstruppen35 und weitere, nichtreguläre Verbände.36 Während die Aufstellung der equites singulares Augusti vermutlich vor allem im Zusammenhang mit Traians anfänglichem Misstrauen gegenüber den Praetorianern stand, so war der Anlass aller übrigen Truppenaufstellungen Traians ein Krieg. Genauer waren dies die Dakerkriege, die u.a. zur Aufstellung der beiden neuen Legionen führten, die Besetzung Arabiens, die die Formierung von 6 lokal rekrutierten cohortes Petraeorum zur Folge hatte, sowie der Partherkrieg, für den vor allem in Kleinasien (Galatien und Paphlagonien), Syrien und Nordafrika neue Hilfstruppen aufgestellt wurden.37 Mit den Massnahmen, die Traian seit dem Beginn seiner Herrschaft im Hinblick auf das Heer ergriff, gelang es ihm, die Sicherheit an den Reichsgrenzen zu erhöhen und gleichzeitig seine eigene Herrschaft zu festigen. Das Ergebnis dieser Politik war auch im Relief des Ehrenbogens in Benevent zu lesen (Landseite, rechter Pfeiler, Mitte und unten): Der Kaiser steht mit seinen Begleitern Soldaten gegenüber, die verschiedene Gattungen des Grenzheeres vertreten, und die von ihm Befehle entgegennehmen.38 Die Botschaft war offensichtlich, dass sich das Heer, auf Befehl des Kaisers, (wieder) seiner Hauptaufgabe, dem Grenzschutz, widmete. Traian und die ihm loyal ergebenen Truppen waren die Garantie für den Frieden an den Reichsgrenzen und damit für die Blüte der Provinzen und des Reiches.

33 34 35 36 37 38

G. Forni, Il Reclutamento delle legioni da Augusto a Diocleziano (1953) 160ff. Ders., Esercito e marina di Roma antica. Raccolta di contributi (1992) 38ff. 52ff. 84ff. 110f. J.C. Mann, Hermes 91 (1963) 483ff. R. Syme, Danubian Papers (1971) 91. Strobel, Deutung 22. Ders., Dakerkriege 98f. mit weiterer Lit. Bennett, Trajan 99. P. Holder, The Auxilia from Augustus to Trajan. BAR Int.Ser. 70 (1980) 18. Strobel, Dakerkriege 146ff. P. Holder, Auxilia (Anm. 35) 18. K. Fittschen, AA 1972, 754.

Traian: Bellicosissimus Princeps

135

Traiansbogen in Benevent, Landseite, mittlere und untere Reliefs. – Linker Pfeiler, mittleres Relief: Musterung eines Rekruten im Beisein des Kaisers. (Traian sorgt für den Erhalt der Kampfkraft des Heeres). Unteres Relief: Traian trifft Vereinbarung mit (germanischen?) Barbaren, dazwischen Jupiter. (Traian sorgt durch Verträge für die Sicherheit des Reiches). – Rechter Pfeiler, mittleres Relief: Vor dem Kaiser (rechts) symbolhafte Figuren der Fruchtbarkeit und eine Göttin mit Mauerkrone am Pflug. Dazwischen der bärtige Kriegsgott Mars (Traian sorgt für die Blüte der Städte und Provinzen durch den Schutz des Heeres). Unteres Relief: Traian erteilt Vertretern verschiedener Truppengattungen Weisungen. Alle Personen sind friedensmässig gekleidet. (Traian sichert den äusseren Frieden durch das ihm ergebene Heer).

136

Traian: Bellicosissimus Princeps

II. Traians Eroberungszüge Unter der Herrschaft Traians erreichte das Römische Reich, wenn auch nur für sehr kurze Zeit, seine grösste Ausdehnung. Seit dem Jahre 106 begann Traian dem Reich weite Länder als neue Provinzen hinzuzufügen: Dacia (106), Arabia (106), Armenia maior (114), Assyria (? 115/6) und Mesopotamia (115/6). Auch in Nordafrika erweiterte er den römischen Herrschaftsraum. Im Jahre 116 stand Traian am Persischen Golf. Kein römischer Kaiser vor ihm war je so weit in den Osten vorgedrungen und keiner hatte dem Reich seit Augustus so viel neues Gebiet hinzu erobert. Diese unbestreitbaren Tatsachen haben das Urteil über Traians Grenz- und Aussenpolitik geprägt. Er gilt meist als der letzte Kaiser, der nach altem römischen Ideal seine militärische Tüchtigkeit (virtus) und die Macht Roms bewusst zur Expansion des Reiches einsetzte.39 Damit stand er aber im Widerspruch zur kaiserzeitlichen Praxis, das Reich nicht wesentlich über die seit Augustus bestehenden Grenzen hinaus auszudehnen. Denn das übliche Vorgehen an den Reichsgrenzen bestand bei Konflikten mit den benachbarten Stämmen und Völkern darin, nach einer militärischen Bestrafung eine neue, romfreundliche Ordnung einzurichten und die römischen Truppen, wenn notwendig unter Zurücklassung einiger vorgeschobener Posten, wieder hinter die bestehenden Grenzen zurückzuziehen.40 Militärische Eingriffe, insbesondere Eroberungen sollten aber die Ausnahme bleiben. Das römische Heer, dessen Hauptaufgabe die Friedenssicherung an den Reichsgrenzen war,41 hätte allein schon durch seine Anwesenheit die Barbaren vor möglichen Feindseligkeiten oder gar Angriffen abschrecken sollen (Veg. 3 prooem.).42 Mit seinen Eroberungen scheint Traian auch den Rat des Augustus, das Reich innerhalb der bei seinem Tode bestehenden Grenzen zu belassen (Tac., Ann. 1,11. Dio 56,33,5), missachtet zu haben. Die Begründung für diesen Rat war offenbar die Vorhersage finanzieller Verluste für das Reich im Falle weiterer Eroberungen.43 Sein Nachfolger, Hadrian, hat sowohl auf die Fortsetzung von Traians «Eroberungspolitik» verzichtet als auch auf alle Provinzen, die Traian jenseits des Euphrat und Tigris dem Reich hinzugefügt hatte. Es ist deshalb von besonderem Interesse, die «Eroberungspolitik» Traians im Vergleich mit der vor ihm herrschenden, militärischen Praxis an den Reichsgrenzen zu betrachten. 39 40

41

42 43

So etwa Bennett, Trajan 188ff. Campbell, Emperor 391. B. Isaac, The Limits of Empire. The Roman Army in the East (19922) bes. 26. Millar, Near East 80ff., bes. 90ff. Von den zahlreichen Beispielen siehe bes. Tac., Ann. 11,18ff. ILS 986. Allgemein dazu etwa H. Wolff, in: R. Frei-Stolba / M.A. Speidel (Hg.), Römische Inschriften – Neufunde, Neulesungen und Neuinterpretationen. Festschrift für Hans Lieb (1995) bes. 320ff. Vgl. etwa Strabo 17,3,25. Tac., Hist. 4,48,1. 4,74,1ff. Front., Strat. 1,1,8. Dio 52,27,5. Herod. 7,8,4. ILS 395f. 419. 986. Ferner: ILS 140, Z. 8ff., wo Augustus als custos imperi Romani totiusque orbis terrarum praeses bezeichnet wird. Siehe dazu allgemein E. Wheeler, The Journal of Military History 57 (1993) 7–41. 215–240. Dazu ausführlich A. Mocsy, Pannonien und das römische Heer. (1992) 8ff.

Traian: Bellicosissimus Princeps

137

Ein Bruch mit der Tradition? Eine besondere Stütze hat die Einschätzung Traians als kriegsbegeisterter Kaiser im Urteil des severischen Konsulars und Historikers Cassius Dio, dem wir unsere wichtigste Quelle zur Regierungszeit Traians verdanken. Denn Dio betont, Traian sei vom Krieg begeistert gewesen (68,7,5. Vgl. Epit. 20,5: fuit bellicosissimus omnium, qui ante eum fuerunt) und habe seinen Partherkrieg aus Ruhmsucht begonnen (68,17,1. Vgl. 68,29,1. Epit. 48,10).44 Zu schnell habe der Kaiser damals stolze Siege verkündet, während am Schluss doch überall Niederlagen folgten und er nicht einmal das habe halten können, was er erobert hatte (68,29ff.). Der verlustreiche Partherkrieg sei schliesslich zwecklos und umsonst gewesen (68,33,1). Doch Dios Urteil ist keineswegs einseitig. So gestand er Traian trotz aller Kritik zu, bei der Festsetzung seiner Kriegsziele massgehalten zu haben (68,7,5). Ferner soll Traian auf den Titel optimus princeps viel stolzer gewesen sein, als auf den Siegerbeinamen Parthicus, da er ihn mehr auf seinen Charakter bezog als auf seine militärischen Fähigkeiten (Dio 68,23,2). Auch verurteilte Dio keineswegs alle militärischen Unternehmungen Traians (vgl. 68,6,1). Seine Kritik richtete sich vielmehr gegen dessen Partherkrieg, oder genauer: gegen alle Kriegszüge, die zur Errichtung neuer Provinzen jenseits der östlichen Reichsgrenzen geführt haben, also auch gegen jene die Septimius Severus und Caracalla veranlassten. Denn ein Überschreiten der Euphratgrenze musste auf jeden Fall eine militärische Antwort der Parther zur Folge haben, die in Dios Einschätzung nur zu hohen Kosten und enormen Verlusten für das Reich führen konnten (75,1,1. 75,3,3. 75,9,4. 75,10,1. 75,11,1ff. 78,1,1). Nach Dios Vorstellungen sollte das römische Heer keine gefährlichen Eroberungszüge führen, sondern kriegsbereit an den Grenzen stehen, für die Sicherheit des Reiches sorgen und jenseits der Grenzen höchstens Strafexpeditionen unternehmen (52,27. 52,37,1. Vgl. 52,18,5). Sonst drohe die Gefahr, sogar den vorhandenen Besitz zu verlieren (56,33,5. Vgl. Tac., Agr. 41,2). Dies war im Wesentlichen die Art und Weise, wie die römischen Kaiser vor Traian das Heer eingesetzt hatten. Wenn Claudius mit seinem Einmarsch in Britannien eine ganz andere Politik verfolgt zu haben scheint, so konnten wenigstens die Stämme im Süden der Insel, die bereits Caesar tributpflichtig gemacht hatte (Caes, BG 5,22,4. Dio 40,3,2. Cic., Att. 4,18,5), spätestens seit dem Jahre 24 v.Chr. aus römischer Sicht als von Rom abhängig gelten (Liv., Per. 64. Vgl. Horaz, Carm. 4,14,41ff. RgdA 32. Strabo 4,5,3). Nach offizieller Auffassung galten sie dann aber als feste, der Zuständigkeit des Kaisers zugeordnete Bestandteile des Reiches.45 44 45

Vgl. F. Millar, A Study of Cassius Dio (1964) 82. 142f. Suet, Aug. 48. Tac., Ann. 1,11. Strabo 6,4,2. 17,3,25. Dig. 49,15,19,3. Dazu etwa P.A. Brunt, in: P.D.A. Garnsey / C.R. Whittaker (Hg.), Imperialism in the Ancient World (1978) 168ff. Claudius’ dauerhafte Besetzung und Provinzialisierung Britanniens ist deshalb mit Traians Vorgehen gegen die Daker (siehe unten im Text) durchaus vergleichbar.

138

Traian: Bellicosissimus Princeps

Folglich war Rom nicht bereit, auf die Beherrschung dieser Länder zu verzichten, auch wenn das Ausmass des römischen Einflusses nicht überall im gleichen Masse mit der öffentlich verkündeten Allmacht Roms übereinstimmte. Claudius brauchte jedenfalls den Vorwurf nicht zu fürchten, er habe mit seinem Feldzug nach Britannien die Vorgaben des Augustus missachtet, zumal dieser selbst mehrfach Feldzüge dorthin angekündigt hatte (Dio 49,38,2. 53,22,3. 53,55,2).46 Mit der theoretischen und zum Teil unter Augustus wenigstens zeitweilig auch tatsächlichen Zugehörigkeit zum Reich liessen sich aber auch die römischen Ansprüche und Unternehmungen im rechtsrheinischen Gebiet (RgdA 26), in Dakien (RgdA 30), sowie in Grossarmenien (RgdA 27. Florus 2,32. Dio 54,9,4f. 55,9,4. RIC I2, Augustus 40f. 101ff. 117ff.) rechtfertigen. Das Abhängigkeitsverhältnis Dakiens von der Herrschaft Roms war zudem unter Domitian im Jahre 89,47 dasjenige Grossarmeniens unter Nero in den Jahren 62 und 63 (Tac., Ann. 15,17ff. 24ff. Dio 62,22,1ff.) erneut vertraglich festgelegt worden. Auch das arabische Königreich der Nabataeer war seit Augustus ein fester Bestandteil des Römischen Herrschaftsraumes (z.B. Jos., Ant. 16,9,1ff. 10,8f. [271–299. 335– 355]. Jos., Ant. 18,5,1 [115]. 5,3 [120–124]). Ganz anders war aber das Verhältnis Roms zum Partherreich. Denn auch wenn das Reich der Parther von Augustus und seinen unmittelbaren Nachfolgern nicht als gleichrangig anerkannt wurde (RgdA 32. Jos., Ant. 18,4,4 [96] mit Tac., Ann. 6,31ff. 12,10ff. 15,1ff. etc.), so galt doch der Euphrat wohl schon seit Pompeius (Plut., Pomp. 33,6) als Grenze zwischen den beiden Herrschaftsgebieten (z.B. Vell. 2,101. Strabo 16,1,28. 16,2,10. Sen., Brev. vit. 4,5. Jos., Ant. 18,4,5. Tac., Ann. 6,37. 12,11f. 14,25). Auch scheint es durchaus wahrscheinlich, dass diese Grenze unter Augustus noch einmal vertraglich bestätigt wurde (vgl. Tac., Ann. 15,17 mit Ann. 15,1. Prop. 4,6,79. Dio 54,9,1. Oros. 6,21,29). Damit entfiel aber eine wichtige Berechtigung, im parthischen Einflussgebiet neue Provinzen einzurichten. In Dios Augen waren deshalb jenseites der Euphratgrenze wohl höchstens Strafexpeditionen zu rechtfertigen. In Traians (und Severus') Eroberungskriegen im Osten erkannte Dio somit zurecht einen Bruch mit der Tradition, den er aus wirtschaftlichen und militärischen Erwägungen nicht befürworten wollte. Wahrscheinlich ist Dios Kritik an jeder Reichserweiterung im Osten aber zusätzlich in seiner tief empfundenen Abneigung gegen seinen Zeitgenossen Caracalla begründet. Denn der Feldzug dieses Kaisers gegen die Parther sollte, so Dio (78,1,1), gar zur Eingliederung des gesamten Partherreichs ins Imperium Romanum führen, und wurde von Caracalla unter einem fadenscheinigen Vorwand und als Überfall begonnen. Solcher Willkür, die zudem ein in Dios Urteil völlig falsches Ziel verfolgte, wollte der Historiker in seinem Geschichtswerk kein lobenswertes Vorbild aufzeigen.

46 47

Siehe zusammenfassend etwa D. Kienast, Augustus. Prinzeps und Monarch (19993) 354f. Strobel, Donaukriege 89ff.

Traian: Bellicosissimus Princeps

139

Allerdings wurde Dios kritische Einschätzung der Eroberungen Traians nicht von allen geteilt. So hielt der jüngere Plinius seinen Zeitgenossen Traian nicht, wie Dio (68,7,5), für einen Freund des Krieges, sondern vielmehr für einen Freund des Friedens: ein Kaiser, der zwar keinen Krieg fürchte, aber auch keinen suche (Paneg. 16,1f.). Dieses als Lob ausgesprochene Urteil verkündete Plinius allerdings noch bevor Traian seinen ersten Krieg begonnen hatte, und es ist durchaus möglich, dass Plinius damit auf enstprechende Vorwürfe aus der Zeit der Kriegsvorbereitungen gegen die Daker antwortete.48 Um die Mitte des zweiten Jahrhunderts berichtete der Historiker und Konsular L. Flavius Arrianus, der als junger Mann vielleicht sogar selbst an Traians Partherfeldzug teilgenommen hatte,49 dass sich Traian, unter Wahrung der Würde Roms, lange bemüht habe, einen Krieg mit den Parthern zu vermeiden. Erst als er einsehen musste, dass diese nicht bereit waren, ihr Unrecht wieder gutzumachen und den früheren Zustand wiederherzustellen, habe sich der Kaiser zum Waffengang entschlossen (Arr., Parth. fr. 33). Schliesslich fand die endgültige Aufgabe der traianischen Provinzen jenseits des Euphrat unter Hadrian durchaus die Kritik vieler Zeitgenossen, und aus dem Kreise führender Militärs drohte dem neuen Kaiser sogar die Gefahr eines Umsturzversuchs (vgl. HA Hadr. 5,8. 7,1ff.).50 Noch um die Mitte des zweiten Jahrhunderts hielt Cornelius Fronto, Konsular und enger Vertrauter der Kaiser Antoninus Pius, Mark Aurel und Lucius Verus, die Aufgabe der Provinzen Traians für einen klaren Fehler (Fronto, Princ. Hist. 11, VdH p. 209.).51 Freilich hat aber auch Hadrian den Anspruch Roms auf eine übergeordnete Vorherrschaft in diesen Gebieten keineswegs verzichtet (HA Hadr. 12,8. 21,11ff.). Die wahren Gründe, die Rom zum Krieg bewogen, und die tatsächlichen Kriegsziele sind oft nur sehr schwer oder überhaupt nicht mehr zu erkennen. Denn selbst im Altertum waren sie meist nur dem Kaiser und seinen engsten Beratern vollständig bekannt, und zudem verfügen wir fast nie über schriftliche Zeugnisse aus der Hand der Gegner Roms. Allerdings war es trotz des Ideals der virtus nicht möglich, kaiserliche Ruhmsucht als offiziellen Kriegsgrund zu verkünden, denn Rom unterlag der selbst gegebenen Vorschrift, nur «gerechte Kriege» führen zu dürfen.52 Wollte ein Kaiser einen Krieg beginnen, musste er deshalb eine Bedrohung der Sicherheit an den Grenzen oder eine vertragliche Verpflichtung mit einem Verbündeten geltend machen. Es gibt somit auch kaum einen Krieg, für den die Überlieferung, sofern sie ausreichend vorhanden ist, nicht einen im römischen Sinne notwendigen und gerechtfertigten Kriegsgrund benennt. Dies gilt auch für die Partherkriege Traians und des Septimius Severus. 48 49 50 51 52

Strobel, Deutung 16. Birley, Hadrian 70. Dazu etwa Birley, Hadrian 78ff. 85. Siehe auch Eutrop 8,6,2. Zu Frontos Kritik an Hadrian siehe bes. Davies, Service 71ff. Virtus: Campbell, Emperor 120ff. 389ff. Zur Grenz- und Eroberungspolitik bes. D. Potter, in: D. Kennedy (Hg.), The Roman Army in the East, JRA Suppl. 18 (1996) 49–66.

Traian: Bellicosissimus Princeps

140

Denn obwohl Cassius Dio behauptet, beide Kaiser seien angeblich allein aus Ruhmsucht gegen die Parther gezogen, überliefert er für beide Unternehmen auch die offiziellen Kriegsgründe: Vertragsbruch und feindliche Aggression (68,17,1. 75,1,2f.). Im Falle des Septimius Severus fügte Dio sogar die strategischen Überlegungen hinzu, mit denen der Kaiser die Errichtung seiner neuen Provinzen jenseits des Euphrat rechtfertigte (75,3,2). Dass Dio diesen Gründen keinen Glauben schenken wollte, ist allerdings allein noch nicht Grund genug, sie vollkommen zu verwerfen und Dios Vorwürfen der Ruhmsucht vorbehaltlosen Glauben zu schenken. Es bleibt deshalb nur, die überlieferten, von Rom offiziell vorgebrachten Kriegsgründe auf ihre Glaubwürdigkeit zu prüfen und die Ergebnisse mit den verkündeten Kriegszielen zu vergleichen.

Die Dakerkriege Es wird oft angenommen, dass der eigentliche Zweck der Truppeninspektion Traians in den Jahren 98 und 99 von Anfang an in der Vorbereitung des im Jahre 101 begonnenen ersten Krieges gegen das dakische Reich des Decebalus bestand.53 Dies kann zwar keinesfalls ausgeschlossen werden, doch die Quellen berichten nichts, was die ursprüngliche Zielsetzung der Rhein- und Donaureise Traians zwingend mit dem ersten Dakerkrieg verbindet. Die zeitgenössischen Äusserungen beschreiben dieses Unternehmen vielmehr als Regelung der Verhältnisse mit den Germanen. Die auffallende Übereinstimmung der Massnahmen und Erfolge Traians an Rhein und Donau in den Jahren 98/99, dum exercitos suos circumit (ILS 1019), zeigen, dass der neue Kaiser seine Inspektionsreise zu den Truppen mit einer einheitlichen und von Beginn an festgelegten Absicht unternahm. Nach Aussage der erhaltenen Quellen gehörte dazu die Inspektion der Grenztruppen, die Erhöhung ihrer Schlagkraft und der Ausbau des Grenzsicherungssystems an den beiden Grenzflüssen. Er hielt sich dabei an die strategischen Vorgaben seiner Vorgänger, setzte die traditionelle Grenzpolitik fort und verzichtete auf einen Angriffskrieg. Für die Annahme, dass das Unternehmen von Anfang an als Flankensicherung für die Dakerkriege gedacht war, besteht hingegen kein zwingender Anlass. Denn eine Inspektion der Grenztruppen und der Ausbau der Grenzsicherung war für den neuen Herrscher eine Aufgabe, die auch ohne künftige Kriegsabsichten sowohl gross als auch vornehm und drängend genug war. Was Traian in den Jahren 98 und 99 an Rhein und Donau erreichte, erbrachte ihm denn auch die gesuchte Erhöhung der äusseren und vor allem auch der inneren Sicherheit seiner Herrschaft sowie den Ruf eines sieghaften Feldherrn.54 53 54

Strobel, Dakerkriege 158f. Ders., in: E. Schallmeyer (Hg.), Traian in Germanien, Traian im Reich (1999) 23 mit Anm. 27. Birley, Hadrian 40. 46. H. Halfmann, Itinera Principum (1986) 38f.

Traian: Bellicosissimus Princeps

141

Aus Dios Bericht geht nicht hervor, zu welchem Zeitpunkt sich der Kaiser für einen Krieg entschied (vgl. Dio 68,6,1). Wenn aber der Entschluss, gegen Decebalus Krieg zu führen, sich nicht sicher mit dem Beginn der Inspektionsreise im Jahre 98 verbinden lässt, kann auch nicht mit Sicherheit behauptet werden, dass Traian von Anfang an einen Angriffskrieg zur endgültigen Lösung des Dakerproblems geplant hat, und dass er mit diesem Krieg die angebliche Schmach des domitianischen Friedens von 89 habe ausmerzen wollen.55 Schliesslich hatte das Dakerreich nach dem Frieden mit Domitian die formelle Oberhoheit Roms erneut offiziell anerkannt und war als abhängiger Staat in das von Rom kontrollierte Vorfeld der Reichsgrenzen wieder eingliedert worden.56 Damit war ein Zustand erreicht, der durchaus den traditionellen römischen Vorstellungen zur Sicherheit an den Grenzen entsprach (vgl. RgdA 30). Erst die Domitian feindlich gesinnte Überlieferung hat diesen Frieden nach seinem Tod als schmachvoll beschrieben und mit allerlei Lügen und Gerüchten zu einer schimpflichen Niederlage umgedeutet (Dio 67,7,2ff. Plin., Paneg. 12,2). Auch langfristige wirtschaftliche Motive, genauer der Wunsch, die dakischen Gold- und Erzbergwerke in Besitz zu nehmen, lassen sich als Kriegsgrund nicht erkennen, zumal Edelmetall im vorrömischen Dakien wohl gar nicht in grösseren Mengen abgebaut wurde.57 Sicherlich stammen einige der Vorwürfe gegen den domitianischen Friedensschluss aus der Zeit, in der Traian seinen eigenen Krieg gegen Decebalus vorbereitete. Dazu dürfte etwa auch die Höhe der jährlichen Hilfszahlungen an den Dakerkönig gehören (Dio 68,6,1. Vgl. Plin., Paneg. 12,2). Es ist wahrscheinlich, dass diese Kritik bereits während Traians Inspektionsreise zustande kam, als der neue Kaiser die Verträge Roms mit seinen nördlichen Grenznachbarn revidierte (Plin., Paneg. 12,1f. Tac., Germ. 42). In diesem Fall liegt es nahe anzunehmen, dass sich Decebalus damals geweigert hatte, die Bedingungen des Vertrages vom Jahre 89 zu seinen Ungunsten ändern zu lassen, und dass er damit den Zorn Traians erregt hatte. Traians Bereitschaft, gegen Decebalus Krieg zu führen, könnte u.a. hier ihren Ursprung haben. Allerdings wäre damit noch keine Lage entstanden, aus der sich nach römischer Vorstellung ein Angriffskrieg rechtfertigen liess. Wenn Traian dennoch bereits im Laufe seiner Inspektionsreise an der unteren Donau seine Bereitschaft zum Krieg gegen die Daker verkündet hat, gehört vielleicht auch der Ausbau der dortigen Verkehrswege und Militäranlagen in diesen Zusammenhang (siehe oben). Allerdings liessen sich die von Traian damals veranlassten Baumassnahmen alle auch ausschliesslich zur Grenzverteidigung nutzen, und da er auch am Rhein den Ausbau der Sicherungsanlagen vorantreiben liess, kann daraus allein noch keineswegs der Entschluss für einen Angriffskrieg gegen das Dakerreich noch im Jahre 99 sicher erschlossen werden. 55 56 57

So jedoch etwa Strobel, Dakerkriege 155ff. Strobel, Donaukriege 89ff. H. Wolff, in: Fs Lieb (Anm. 40) 316f. Vgl. auch Strobel, Dakerkriege 158.

142

Traian: Bellicosissimus Princeps

Es bleibt deshalb offen, ob Traian sogleich befahl, mit den Rüstungen zu beginnen, oder ob erst weitere Übergriffe der Daker den letzten Ausschlag gaben, wie es dann in der späteren Überlieferung heisst (Iul., Caes. 22. Vgl. Dio 68,6,1). Bevor dann im Frühjahr 101 die Kampfhandlungen begonnen wurden, hatten sieben volle Legionen, grössere Abteilungen weiterer drei Legionen, je ein Expeditionskorps aus Britannien und von den östlichen Grenzprovinzen, sowie zahlreiche reguläre Hilfstruppen und nichtreguläre Verbände und Aufgebote aus allen Reichsteilen den Befehl erhalten, sich im Aufmarschgebiet bereit zu halten. Zusammen mit den Verbänden der Donauflotte und den gemeinsam mit Traian reisenden Einheiten der hauptstädtischen Gardetruppen war dies das grösste Expeditionsheer, das Rom bis dahin je zusammengezogen hatte.58 Zweifellos nahmen die umfangreichen Kriegsvorbereitungen beträchtliche Zeit in Anspruch. Die frühesten, wirklich fassbaren Hinweise für Traians Entscheidung zum Krieg lassen sich aber erst für das Jahr 100 nachweisen. In diesem Jahr wurden die ersten Truppenverschiebungen veranlasst59 und die Münzprägung begann abermals, mit der Aufnahme neuer Bilder, militärische Themen aufzugreifen (BMC Emp. III XCVI. 152. RIC II, Traian 396. 410. 422ff.). Als der jüngere Plinius beim Antritt seines Konsulats am 1. September des Jahres 100 seine Lobrede auf Traian hielt, müssten die Kriegsvorbereitungen wohl schon im vollen Gange gewesen sein. Dennoch werden die Daker nirgendwo in der Rede namentlich genannt, vielleicht weil die offizielle Kriegserklärung erst kurz vor Traians Aufbruch am 25. März des Jahres 101 (CIL VI 2074) ausgesprochen wurde. Es ist trotzdem bemerkenswert, dass Plinius in seiner wortreichen Lobrede das Thema eines kommenden, grossen und siegreichen Krieges nicht ausgeführt hat. Er lobte vielmehr die Art der Grenzsicherung, wie sie Traian während seiner Inspektionsreise an Rhein und Donau betrieben hatte: Ein wahrer Imperator, so Plinius, unterwerfe die Feinde Roms, ohne sie militärisch zu besiegen. Dies sei herrlicher als alle Triumphe (Paneg. 16,3f.). Nur in allgemein gehaltenen Wendungen sagte Plinius jedem Barbarenkönig, sollte er Traian durch seinen dreisten Wahn herausfordern, eine vernichtende Niederlage und dem Kaiser einen glänzenden Triumph vorher (Paneg. 16,5ff.). Es gibt keinen Zweifel, dass damit auch der Dakerkönig Decebalus gemeint war. Noch im gleichen Atemzug kommt Plinius dann aber zur Erkenntnis, dass dieser Fall wohl nicht eintreten werde, da es von diesen Königen wohl keiner tatsächlich wagen würde, gegen Traian und sein Heer anzutreten (Paneg. 17,3). Auch Martial lobte um die gleiche Zeit den soldatischen und sieghaften Heerführer Traian und drohte den Feinden Roms. Doch auch in seiner Aufzählung der feindlichen Völker fehlen die Daker (Mart. 12,8). Offensichtlich gab es in Rom selbst im Spätsommer des Jahre 100 noch Leute, darunter ranghohe Staatsmänner wie Plinius, die der Ansicht waren, es würde nicht zum Krieg 58 59

Strobel, Dakerkriege 80ff. 162. Ebd. 85ff.

Traian: Bellicosissimus Princeps

143

mit Decebalus kommen. Ob Traian sie bewusst in dieser Meinung beliess, während er sich selbst schon fest zum Angriff entschieden hatte, oder ob auch er noch auf eine friedliche Lösung hoffte, ist nicht mehr zu erkennen. Sicher ist nur, dass sich jede Hoffnung auf eine friedliche Regelung schnell zerschlug. Offiziell gab das Verhalten des Dakerkönigs den Anlass für Traians Entschluss zum Krieg. Ihm wurde vorgeworfen, gegen die Bestimmungen des Friedensvertrags von 89 verstossen zu haben, und für dakische Übergriffe über die Reichsgrenze verantwortlich zu sein (Dio 68,6,1. Iul., Caes. 22). Solche Vorwürfe waren nach römischem Verständnis für eine Kriegserklärung ausreichend und verlangten nach einer Bestrafung der Schuldigen. Man begann deshalb, noch kurz vor Ausbruch der Kampfhandlungen, mit der Prägung von Münzen mit dem Bild des Mars Ultor, des Kriegsgottes der Rache.60 Auch das grosse Siegesdenkmal von Adamklissi, das den erfolgreichen Abschluss der Kriege feierte, wurde Mars Ultor geweiht.61 Daraus ist der offizielle Zweck des Feldzuges zu erkennen: Die Daker sollten für ihre Vergehen militärisch bestraft werden.62 Zu den verkündeten Kriegszielen gehörte offenbar auch die Revision des domitianischen Vertrages von 89, vor allem die Verringerung der darin versprochenen jährlichen Hilfszahlungen Roms (Dio 68,6,1). Vermutlich war auch die Entfernung des Decebalus und seiner Getreuen geplant, sowie die Einsetzung eines neuen, romfreundlichen Königs, wie dies bei solchen Gelegenheiten üblich war. Da Traian zu diesem Zeitpunkt aber – soweit erkennbar – noch keine neuen Legionen ausgehoben hatte,63 gehörte die Zerschlagung des Dakerreiches, eine anschliessende römische Besetzung und die Umwandlung des gesamten Gebietes in eine römische Provinz vermutlich nicht zum ursprünglichen Ziel dieses ersten Krieges. Am 25. März des Jahres 101 (CIL VI 2074) brach Traian, wohl nach einer offiziellen Kriegserklärung des Senats an den Dakerkönig, mit Einheiten der hauptstädtischen Gardetruppen an die dakische Front auf. In Viminacium, dem Lager der legio VII Claudia, traf er auf den Hauptteil der Angriffsarmee und setze kurz darauf mit seinem Heer über die Donau. Über die Einzelheiten des Kriegsverlaufs sind wir nur sehr schlecht unterrichtet, denn die grossen Bücher und Berichte, die einst die Dakerkriege Traians beschrieben und verherrlichten, sind allesamt, einschliesslich Traians eigener Darstellung, bis auf ganz geringe Fragmente, verloren.64 Viele dieser Werke werden allerdings die Schilderung der Dakerkriege in der Römischen Geschichte des Cassius Dio beeinflusst haben (vgl. Dio 53,19,6), von der uns immerhin mehrere Auszüge und Zusammenfassungen aus byzantinischer Zeit erhalten geblieben sind. Aus diesen lassen sich, zusammen mit den archäologischen Quel60 61 62 63 64

P. Strack, Reichsprägung I (Anm. 20) 90f. Strobel, Dakerkriege 35. Strobel, Dakerkriege 34f. So auch Bennett, Trajan 87. Zur Aufstellung der legio II Traiana fortis und der legio XXX Ulpia victrix siehe Anm. 34. Zu den Quellen Strobel, Dakerkriege 19ff. mit Literatur.

144

Traian: Bellicosissimus Princeps

len, vor allem der Bilderfolge auf der grossen Traianssäule, den Inschriften und den Münzen, wenigstens die wichtigsten Stationen des Unternehmens erkennen.65 Von Viminacium marschierte der Kaiser mit seinem Heer auf der römischen Uferstrasse das kurze Wegstück ostwärts nach Lederata, wo er auf einer Schiffsbrücke die Donau überschritt. Von hier führte der römische Vormarsch über Arcidava, Berzobis und Aizis nach Tibiscum. Ziel war das Zentrum des Dakerreiches hinter dem Eisernen-Tor-Pass, dem antiken Tapae. Während Traian bis hierher während der Frühlings- und Sommermonate offenbar weitgehend ungestört vorgedrungen war und seine Verbindungslinien und Positionen unterwegs hatte ausbauen können, erwartete ihn nun Decebalus mit seinen Streitkräften bei Tapae. Es entbrannte die einzige grosse Feldschlacht dieser ersten Kampagne des ersten Dakerkrieges, die Traian schliesslich seinen ersten bedeutenden Sieg einbrachte (Dio 68,8,1f.). Den römischen Truppen war der Durchbruch durch den äusseren Gebirgsgürtel Siebenbürgens gelungen, der Eiserne-Tor-Pass war fest in ihrer Hand und sie begannen nun weiter in die fruchtbaren Gebiete im Südwesten Siebenbürgens vorzudringen. Decebalus' Reichszentrum war nur noch wenige Kilometer entfernt. Allerdings hatte der Dakerkönig keine vernichtende Niederlage hinnehmen müssen und es war ihm offenbar gelungen, seine Verbände geordnet zurückziehen. Er verschanzte sich nun in den Gebirgsfestungen um seine Hauptstadt. Doch Decebalus hatte nicht die Absicht, Traian das weitere Geschehen diktieren zu lassen. Er befahl einem bedeutenden Teil seiner Reitertruppen, weit östlich vom bisherigen Kriegsschauplatz die Donau zu überqueren und in die römische Provinz Moesia inferior einzufallen. Mit diesem Entlastungsangriff hoffte der Dakerkönig wohl, die Unterstützung der dortigen, stammesverwandten Bevölkerung in seinem Kampf gegen Rom für sich zu gewinnen und damit Traian und seine Truppen zum Rückzug hinter die Donau zu zwingen. Der Einfall der gegnerischen Truppen und die Verwüstungen, die sie anrichteten, zwangen Traian tatsächlich, Siebenbürgen in aller Eile mit ausgewählten Verbänden zu verlassen und sich ins Krisengebiet nach Untermoesien zu begeben. Zusammen mit den Soldaten des untermoesischen Provinzheeres begann nun der Kampf gegen die Invasoren, der schliesslich in der blutigsten und schwersten Schlacht der Dakerkriege gipfelte. Auch sie konnte Traian für sich entscheiden. Diese Schlacht, die der Kaiser wenig später als den eigentlichen Wendepunkt in der militärischen Auseinandersetzung mit Decebalus erkannte, fand vermutlich noch vor dem Ende des Jahres 101 an jenem Ort statt, an dem der Kaiser später das grosse Siegesdenkmal von Adamklissi errichten liess. Dem Sieg folgte ein römischer Vorstoss über die Donau, das Olttal entlang bis nach Buridava, von wo

65

Zu den im folgenden geschilderten Ereignissen der beiden Dakerkriege bes. Strobel, Dakerkriege 162ff.

Traian: Bellicosissimus Princeps

145

aus sowohl der Rote-Turm-Pass, die zweite Hauptpforte nach Siebenbürgen, als auch der östlich gelegene Bran-Pass militärisch kontrolliert wurden.

Während des Einfalls seiner Truppen in Niedermoesien war es Decebalus offenbar gelungen, einige Erfolge gegen die römischen Besatzungen in Siebenbürgen zu erzielen. Traian begab sich deshalb wieder an den vormaligen Kriegsschauplatz und verstärkte die dortigen Truppen durch eine weitere Legion. Hierauf bat Decebalus den römischen Kaiser um ein Treffen, um Frieden und seine Unterwerfung anzubieten. Als Traian Decebalus wissen liess, dass er persönlich zur Konferenz nicht erscheinen werde, schickte auch Decebalus nur Vertreter, und ein Frieden kam nicht zustande (Dio 68,9,1ff.). Daraufhin begann Traian mit seiner Offensive gegen die dakischen Bergfestungen. Es gelang ihm in schweren Kämpfen, einige Burgen einzunehmen und dabei auch die Waffen, Kriegsmaschinen und das Feldzeichen zurückzugewinnen, welches die Daker bei ihrem Sieg über Cornelius Fuscus im Jahre 86 erbeutet hatten (Dio 68,9,3). Den entscheidenden Erfolg erzielte aber Lusius Quietus mit seinen maurischen Reitern in einem Umgehungsangriff (Dio 68,8,3). Auf diesem zweiten Schlachtfeld konnte Quietus den dakischen Verbänden schwere Verluste beibringen und eine grosse Zahl ihrer Soldaten gefangennehmen. Gleichzeitig gelang es dem römischen Statthalter der Provinz Moesia inferior, vermutlich an einem dritten Schauplatz, eine dakische Festung zu erobern und die Schwester des Decebalus gefangen zu nehmen (Dio 68,9,4). Nach diesen Rückschlägen entschloss sich Decebalus zum Frieden. Er warf sich vor Traian zu Boden, verpflichtete sich zu Gehorsam und willigte in die Forderungen des Siegers ein (Dio 68,9,6).

146

Traian: Bellicosissimus Princeps

Es ist leicht zu verstehen, weshalb Decebalus zu diesem Zeitpunkt um Frieden bat. Seine Kräfte waren erschöpft, es drohte ihm die vollständige Einkreisung und die Hoffnung auf einen Sieg war geschwunden. Decebalus war, wie ihm auch die römische Überlieferung bezeugt, ein ausgezeichneter Feldherr, der seine Schritte stets zur richtigen Zeit einleitete: Er wählte mit Bedacht den Augenblick zum Angriff und fand mit ebenso sicherem Gespür den rechten Zeitpunkt für den Rückzug. Auch wusste er einen Sieg genauso geschickt auszunützen, wie er es verstand mit einer Niederlage fertig zu werden (Dio 67,6,1f.). Es ist durchaus wahrscheinlich, dass er, wie ihm dies die Überlieferung unterstellt (Dio 68,9,4), von Anfang an daran gedacht hatte, den Frieden nur dazu zu benützen, um sich zu erholen und seine Kräfte neu zu sammeln. Denn schon kurz nach dem Friedensschluss begann er mit dem neuerlichen Aufbau seiner Mittel. Nicht überliefert und weit weniger einsichtig sind die Gründe, die Traian dazu bewogen, auf das dakische Friedensangebot so kurz vor seinem absehbaren Gesamtsieg einzugehen. War es die Erschöpfung seiner Truppen und der nahende Winter,66 oder glaubte Traian mit dem Erreichten seine wichtigsten Kriegsziele bereits erfüllt zu haben?67 Der für Traian offenbar überraschende Zeitpunkt des erneuten Kriegsausbruches im Jahre 105 und der darauf folgende, leichte Sieg seiner Truppen sprechen vielleicht eher dafür, dass Traian im Jahre 102 die völlige Zerstörung des Dakerreiches noch nicht für notwendig hielt. So kam es denn zum Frieden von 102, der das Reich des Decebalus, bzw. das, was dem Dakerkönig davon verblieb, erneut zu einem abhängigen Königreich des Imperium Romanum machte. Die Bedingungen des Friedensvertrages waren nun allerdings wesentlich härter als zuvor (Dio 68,9,5f.): Decebalus musste seine Festungen schleifen, er hatte die Waffen und Kriegsmaschinen auszuliefern, sowie die römischen Militäringenieure, die ihm Domitian im Rahmen des Friedens von 89 zur Verfügung gestellte hatte, zurückzusenden (vgl. Dio 67,7,4). Er verpflichtete sich ferner, alle römischen Überläufer auszuliefern und auch in Zukunft weder römische Deserteure aufzunehmen, noch, wie bisher, auf römischem Gebiet Soldaten zu werben. Schliesslich hatte er sich aus allen römisch besetzten Gebieten zurückzuziehen und sich aussenpolitisch Rom vollständig unterzuordnen. Zur endgültigen Bestätigung des Friedensvertrags durch den Senat schickte Decebalus schliesslich Gesandte nach Rom. Für die Daker waren dies äusserst harte Bedingungen, und wenn Decebalus sie erfüllte, so bestand für Rom keine Notwendigkeit, je wieder gegen ihn Krieg zu führen. Im Herbst des Jahres 102 zog Traian nach Rom, feierte noch vor dem Jahreswechsel einen Triumph68 und nahm den Siegerbeinamen Dacicus an (Dio 68,10,2). Während Decebalus der Besetzung weiter Gebiete seines Reiches durch 66 67 68

So Strobel, Dakerkriege 200f. So H. Wolff, in: Fs Lieb (Anm. 40) 316. B. Bargagli / C. Grosso, I Fasti Ostienses (1997) 33.

Traian: Bellicosissimus Princeps

147

römische Truppen zustimmen musste, scheint die Einrichtung einer neuen Provinz noch nicht verkündet worden zu sein. Das änderte allerdings nichts an der Tatsache, dass Rom nun grosse Teile der späteren Provinz Dacia bereits fest in der Hand hielt. Auch war Traian nicht gewillt, die besetzten Landschaften wieder aufzugeben. Dies zeigt mit aller Deutlichkeit der Bau einer grossen Steinbrücke über die Donau beim obermoesischen Drobeta,69 der Ausbau der militärischen Infrastruktur an der untermoesischen Grenze und in den besetzten dakischen Gebieten sowie die Aufstellung neuer Hilfstruppen aus den dortigen Bewohnern.70 Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden in diesen Jahren auch die beiden Legionen II Traiana Fortis und XXX Ulpia Victrix aufgestellt.71 Trifft dies zu, so zeigt auch deren Aufstellung, dass an einen Abzug der römischen Truppen aus den besetzten Gebieten Dakiens nicht gedacht war. Dass Traian aber seit dem Ende des ersten Dakerkrieges auch konsequent die Eroberung und Zerschlagung des noch verbleibenden Dakerreiches vorbereitete, lässt sich daraus hingegen nicht erschliessen. Decebalus hat seinerseits jedoch die Hoffnung auf eine für ihn günstige militärische Lösung auch nach dem Frieden von 102 nicht aufgegeben. Was ihn zu dieser scheinbar so offensichtlichen Fehleinschätzung der eigenen Kräfte veranlasste, liegt völlig im Dunkeln. Nach dem Abschluss des Friedens mit Traian bemühte sich der Dakerkönig jedenfalls um den Aufbau eines gegen Rom gerichteten Bündnisses mit seinen Nachbarn (Dio 68,10,3). Selbst mit dem Partherkönig Pacorus scheint er Verbindung aufgenommen und ihm Geschenke gemacht zu haben (Plin., Ep. 10,74). Er beschaffte sich ferner Waffen, nahm erneut Überläufer auf, setzte seine Verteidigungsanlagen wieder instand und ging sogar mit Gewalt gegen die mit Rom verbündeten Jazygen vor. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss Traian erkannt haben, dass sich Decebalus weder durch harte Friedensverträge noch durch massive, militärische Bewachung den Interessen Roms unterordnen liess. Somit blieb, aus römischer Sicht, nur die vollständige Zerschlagung des Dakerreichs und die Errichtung einer römischen Provinz an seiner Stelle.72 Die Nachricht von Decebalus’ klaren Verstössen gegen den Friedensvertrag von 102 – zumindest jedoch der Zeitpunkt ihres Eintreffens – scheint für Traian überraschend gekommen zu sein. Denn der Kaiser verliess 69 70

71 72

D. Tudor, Les ponts romains dus Bas Danube (1974) bes. 70ff. P.V. Hill, NC VII 10 (1970) 61. 63. 65ff. Zur Organisation der besetzten Gebiete und zum Ausbau der militärischen Infrastruktur siehe etwa Strobel, Dakerkriege 67. 89f. 75. 95f. 188f. 203f. Piso, Fasti I 1f. Vgl. auch N. Gudea, 44. JbRGZM (1997) 5f. Aufstellung neuer Hilfstruppen: W. Eck / A. Pangerl, Chiron 36 (2006) 226f. P. Weiss, Chiron 36 (2006) 288. D. Dana / F. Matei-Popescu, Dacia NS 50 (2006) 206. 209. Siehe oben Anm. 34. Vermutlich gehört der von Ammian 24,3,9 berichtete Ausruf Traians: sic in provinciarum speciem redactas videam Dacias etc. – wenn er nicht völlig frei erfunden ist – in die unmittelbare Vorbereitungsphase des zweiten Dakerkrieges.

148

Traian: Bellicosissimus Princeps

Rom im Jahre 105 erst Anfang Juni, um zu seinen Truppen an die untere Donau zu ziehen. Zu Beginn des zweiten Dakerkrieges erfolgte erneut eine offizielle Kriegserklärung durch den Senat (Dio 68,10,3f.). Nach vergeblichen Versuchen, den Frieden auf diplomatischem Wege zu erneuern (Dio 68,11,1) und die benachbarten Völker zum Kriegseintritt zu bewegen, begann eine wachsende Zahl hochrangiger dakischer Gefolgsleute mit ihren Untergebenen den König zu verlassen. Ohne Erfolg blieb auch sein Überraschungsangriff auf die Besatzungstruppen in der unmittelbaren Umgebung seiner Hauptstadt. Decebalus wurde nun immer verzweifelter. Noch bevor der römische Kaiser überhaupt auf dem Kriegsschauplatz eingetroffen war, musste der Dakerkönig einsehen, dass er militärisch nicht gewinnen konnte. So versuchte er Traian, der sich noch in Moesien aufhielt, durch einen Überläufer ermorden zu lassen (Dio 68,11,3). Als auch dies misslang, traf er sich mit dem erfolgreichen General Pompeius Longinus zu Kapitulationsverhandlungen, und nahm diesen zusammen mit einigen seiner Begleiter gefangen (Dio 68,12,1ff.). Dies scheint ihm vorübergehend etwas Zeit verschafft zu haben. Denn die hohen Forderungen, die er für die Freilassung des Longinus stellte, d.h. die Räumung aller römisch besetzten Gebiete bis zur Donau und eine Entschädigung für sämtliche Kriegskosten, schlug Traian zunächst weder ab noch nahm er sie an. Der Verzögerung des römischen Vormarsches setzte dann aber Longinus durch seinen Selbstmord ein Ende. Mittlerweile war die Jahreszeit allerdings soweit fortgeschritten, dass die römischen Operationen erst wieder im Frühjahr 106 aufgenommen werden konnten. In mehreren Heereskolonnen rückten dann die römischen Armeen gegen das dakische Reichszentrum vor, besiegten die gegnerischen Verbände und nahmen Anfang August Sarmizegetusa, die Hauptstadt des Decebalus, ein. Dem König gelang zwar die Flucht, doch wurde er von einem Verfolgertrupp unter der Führung des Hilfstruppenreiters Ti. Claudius Maximus eingeholt und konnte sich nur knapp durch Selbstmord der Gefangennahme entziehen (AE 1969/70, 583. Dio 68,14,3).73 Sein abgeschlagenes Haupt wurde Traian gebracht, der mittlerweile die Verstecke der riesigen Schätze des Dakerkönigs hatte auffinden können (Dio 68,14,4f.). Seinen Abschluss fand das Unternehmen schliesslich in einer letzten Ansprache des Kaisers vor seinem versammelten Expeditionsheer.74 Traian reiste jedoch nicht sofort nach Rom, sondern verblieb an der Donau, um die wichtigsten Massnahmen zur Umwandlung der neu eroberten Gebiete einzuleiten.75

73 74 75

M.P. Speidel, Roman Army Studies I (1984) 173ff. Ebd. 369ff. Piso, Fasti I 1ff.

Traian: Bellicosissimus Princeps

149

Denar mit der Legende DAC(ia) CAP(ta) auf der Rückseite. Das Bild zeigt die als Frauengestalt in heimischer Kleidung dargestellte Dacia. Ihre Hände auf dem Rücken gefesselt sitzt sie auf einem Haufen dakischer Schilde und Waffen. Das Münzbild feiert die endgültige Unterwerfung Dakiens im Jahre 106 n.Chr. RIC II 96.

Als Traian im Sommer des Jahres 107 nach Rom zurückkehrte und in einem zweiten Triumph seinen endgültigen Sieg über die Daker feierte, hatte er dem Reich eine neue Provinz und eine reisige Kriegsbeute gewonnen. Dass dies von Anfang an und aus Ruhmsucht so geplant gewesen sei, lässt sich allerdings nicht sicher behaupten. Denn die überlieferten Ereignisse lassen zunächst auch andere Kriegsziele und Lösungen möglich scheinen. Erst für die Zeit kurz vor dem zweiten Krieg kann Traians Entscheidung zur Zerschlagung des gesamten, ohnehin seit Augustus als Bestandteil des Imperium Romanum geltenden dakischen Königreichs (RgdA 30) und seiner vollständigen Umformung in eine römische Provinz sicher erschlossen werden. Die Überlegungen, die Traian zu diesem Entschluss führten, werden in den Quellen nirgendwo ausgeführt. Mit einiger Sicherheit wird aber die Geschichte des römischen Verhältnisses zu den Dakern und ihren Königen eine wichtige Rolle gespielt haben. Denn seit der späten Republik hatten die Daker immer wieder für Unruhe und Unsicherheit an der unteren Donau gesorgt. Obwohl römische Heere zahlreiche und oft harte militärische Schläge gegen sie geführt hatten, waren sie nicht von ihrer eigenständigen, mit den Interessen Roms nur selten zu vereinbarenden Politik abzubringen gewesen (vgl. z.B. ILS 986).76 Weder aus römischer Sicht für die Daker günstige Friedensverträge, wie jener Domitians im Jahre 89, noch die äusserst harten Bedingungen des traianischen Vertrags von 102 unterwarfen sie den Interessen der kaiserlichen Grenzpolitik. Wollte Traian nach den dakischen Verletzungen des Friedensvertrages von 102 ernsthaft Ruhe und Sicherheit an den Nordgrenzen der moesischen Provinzen durchsetzen, musste er einsehen, dass weder Strafexpe76

Bennett, Trajan 86.

Traian: Bellicosissimus Princeps

150

ditionen, noch Friedensverträge, ja nicht einmal schwerste militärische Bewachung den Dakerkönig zu einem friedlichen und verlässlichen Verbündeten Roms machen würden. Eine Vernichtung des dakischen Heeres, die Entfernung des Decebalus und ein anschliessender Rückzug hinter die Donau kann ebenfalls kaum als sinnvolle Lösung in Betracht gezogen worden sein. Denn in den machtleeren Raum wären dann wohl andere, möglicherweise ebenso feindliche Völker nachgezogen. Es ist deshalb zu fragen, ob, aus römischer Sicht, Traian überhaupt eine andere Wahl blieb, als das Dakerreich gänzlich zu zerschlagen und in eine römische Provinz umzuwandeln.

Arabia adquisita Über die Besetzung Arabiens ist nur ein einziger Satz im Geschichtswerk des Cassius Dio überliefert (68,14,5): «Um eben diese Zeit (d.h. 105/6 n.Chr.) bezwang Palma, der Statthalter von Syria, Arabia Petraea und machte es den Römern untertan». Die Ursachen und der Verlauf des Unternehmens liegen somit weitgehend im dunkeln. Viel wurde deshalb über die möglichen Beweggründe Traians spekuliert.77 Die wenigen erhaltenen Hinweise deuten aber darauf hin, dass Traian damals auf Entwicklungen im Inneren des von Rom abhängigen Nabataeerreiches reagierte. Denn schon der Umstand, dass der römische Truppeneinmarsch im Königreich der Nabatäer im Jahre 106 gleichzeitig mit dem zweiten Dakerkrieg stattfand, zeigt, dass der Zeitpunkt für den Beginn dieses Unternehmens kaum Teil eines lange vorbereiteten Plans war.78 Dies lässt sich auch daran erkennen, dass aus dem östlichen Heer damals Hilfstruppen, Spezialeinheiten und Reiterverbände, sowie sogar die Abteilung wenigstens einer Legion aus der Provinz Syria, der legio VI Ferrata, für den zweiten Dakerkrieg an die Donau entsandt worden waren.79 Ferner wurde die Statthalterschaft im benachbarten Iudaea im Jahre 105/106 Pompeius Falco (cos. 108) anvertraut, der unmittelbar zuvor Statthalter in Lycia-Pamphylia gewesen war.80 Diese damals ganz aussergewöhnliche Berufung zu einer zweiten praetorischen Statthalterschaft lässt darauf schliessen, dass drängende Aufgaben oder gar Gefahren eine solche Versetzung notwendig machten. Die Betonung des Truppenkommandos in der Statthaltertitulatur des Pompeius Falco (legatus Augusti pro praetore provinciae Iudaeae et legionis X Fretensis), weist darauf hin, dass seine besonderen Aufgaben in Iudaea im militärischen Bereich lagen (ILS 1035. 1036). Wäre der Einmarsch in Arabia das Ergebnis einer langfristigen Planung gewesen, die alleine 77 78 79 80

Dazu Ph. Freeman, in: D. Kennedy (Hg.), The Roman Army in the East. (1996) bes. 99ff. Ebd. 93f. K. Strobel, ZPE 71 (1988) 251ff. Zu Pompeius Falco zuletzt ausführlich E. Dabrowa, Legio X Fretensis. A Prosopographical Study of its Officers (I–III c. AD). Historia Einzelschriften 66 (1993) 36ff.

Traian: Bellicosissimus Princeps

151

der kaiserlichen Eroberungsabsicht entsprungen war, so hätte sich der Zeitpunkt des Einmarsches sicherlich verschieben lassen. Denn dann hätte Traian sowohl die ganze öffentliche Aufmerksamkeit auf diesen siegreichen Feldzug richten als auch über eine vollständige Invasionsarmee verfügen können. Gegen die Annahme, den Einmarsch in Arabia in einen Zusammenhang mit Traians angeblicher Ruhmessucht und mit weitreichenden Eroberungsplänen im Osten zu bringen, spricht auch das Ausbleiben grosser Siegesfeiern nach Abschluss der Operation.

Sesterz mit der Legende ARAB(ia) ADQVIS(ita) und dem Bild der als Frauengestalt in langem griechischen Gewand dargestellten provincia Arabia auf der Rückseite. Sie hält in der rechten Hand, über einem kleinen Dromedar, einen Ölzweig zum Zeichen des Friedens. Mit diesem Münzbild feierte Traian die Umwandlung des im Jahre 106 n.Chr. von römischen Truppen besetzten Nabatäerreiches in eine neue Provinz. RIC II 466.

Nur Weniges lässt sich als verhältnismässig sicher erkennen: Der letzte Nabatäerkönig, Rabbel II, war kurz vor dem römischen Einmarsch gestorben – allem Anschein nach, ohne seine Nachfolge gesichert zu haben.81 Möglicherweise liegen ferner in den Zeugnissen einiger Graffiti Hinweise für innere Unruhen in Arabia in der Zeit vor und nach dem römischen Einmarsch vor, wobei aber die Datierung dieser Texte in den fraglichen Zeitraum keineswegs gesichert ist.82 Aus diesen Nachrichten ergibt sich aber bereits Grund genug für einen römischen Einmarsch. Denn die Forderung der römischen Grenzpolitik nach Sicherheit und Ruhe an und vor den Provinzgrenzen führte Rom auch in anderen Fällen dazu, auf die Nachricht vom Tode des letzten Königs oder von der Machtlosigkeit eines Monarchen, die Herrschaft in einem abhängigen Königreich zu übernehmen (so 81 82

G.W. Bowersock, Roman Arabia (1983) 72ff. Ph. Freeman (Anm. 77) 93. Ph. Freeman (Anm. 77) 100f. mit der Literatur. Siehe auch K. Strobel, ZPE 71 (1988) 257.

152

Traian: Bellicosissimus Princeps

bes. Tac., Hist. 5,9. Jos., BJ 7,7,1ff.). Die Meldung vom Tode Rabbels II., sowie möglicherweise von gewalttätigen Auseinandersetzungen im Nabatäerreich werden deshalb für Traian wohl Anlass genug gewesen sein, den Befehl zum Einmarsch zu geben. Geleitet wurde der Einmarsch in Arabia von A. Cornelius Palma Frontonianus (cos. 99), dem Statthalter Syriens. Er erhielt für seinen Erfolg von Traian die Triumphalabzeichen, ein Denkmal mit seinem Bildnis auf dem Augustusforum und die hohe Ehre eines zweiten Konsulats im Jahre 109 (Dio 68,16,2. ILS 1023). Daraus ergibt sich die Wahrscheinlichkeit, dass der römische Einmarsch auch mit Kampfhandlungen verbunden war. Auch Ammianus Marcellinus, der Historiker des vierten Jahrhunderts, berichtet von mehreren römischen Siegen Traians in Arabia (Amm. 14,8,13). Gleichzeitig mit dem Vorstoss aus Syria scheinen römische Truppen auch aus Ägypten (vermutlich über Iudaea) in Arabia einmarschiert zu sein.83 Traian selbst verzichtete jedoch sowohl auf einen Triumph über die Nabatäer, als auch auf den Siegerbeinamen Arabicus. Mit der Legende Arabia adquisita (nicht capta!) verkündete die Münzprägung die Eingliederung Arabiens in die von Rom direkt beherrschte Welt.84 All dies lässt vermuten, dass die militärischen Operationen von verhältnismässig geringem Ausmass waren. Dafür spricht auch die Geschwindigkeit, mit der Traian zum siegreichen Feldherr ausgerufen wurde, und mit der das Unternehmen seinen militärischen Abschluss fand. Denn die Verleihung der ornamenta triumphalia an Cornelius Palma setzte die Akklamation des Kaisers zum imperator voraus.85 Zuletzt hatte Traian diese Ausrufung im Jahre 102, gegen Ende des ersten Dakerkrieges, angenommen. Zwischen Juli und August des Jahres 106 nahm er sie gleich zweimal an:86 für seinen Sieg über die Daker und für die Besetzung von Arabia.87 Daraus wird deutlich, dass das Unternehmen in Arabia spätestens kurz nach der Jahresmitte militärisch weitgehend als abgeschlossen galt.

83 84 85 86 87

Ph. Freeman (Anm. 77) 94ff. K. Strobel, ZPE 71 (1988) 264ff. BMC Emp. III lxxvii. ciif. 96f. 185. 194. 202f. etc. RIC II Trajan 94. 244f. 465ff. 610f. Siehe allgemein G.W. Bowersock (Anm. 81) 81ff. W. Eck, ZPE 124 (1999) 223ff. imp. V: CIL X 6823. XVI 52 vom Juli-Sept. 106. imp. VI: CIL XVI 160 vom 11.8.106. Die nächsten Imperatorenakklamationen fanden erst wieder im Rahmen seiner Partherkriege ab dem Jahre 114 statt: D. Kienast, Römische Kaisertabelle (19962) 123. Zu den Auswirkungen des Unternehmens an der Weihrauchstrasse und der arabischen Küste und den vorgelagerten Inseln des Roten Meeres siehe auch den Beitrag «Ausserhalb des Reiches?», in diesem Band.

Traian: Bellicosissimus Princeps

Der Nahe Osten zur Zeit Traians

153

Traian: Bellicosissimus Princeps

154 Der Partherkrieg

Der von Traian öffentlich verkündete Anlass seines Partherkrieges war der Umstand, dass der von Rom ernannte König Grossarmeniens, Axidares, im Jahre 113 von den Parthern vertrieben und ohne die Billigung Traians durch einen anderen, Parthamasiris, ersetzt worden war. Möglicherweise hatte der abgesetzte König Traian sogar förmlich um Hilfe gebeten. Cassius Dio jedoch, dem nicht wenige moderne Historiker in seinem Urteil bis heute folgen, hielt dies für einen Vorwand und sah den eigentlichen Kriegsgrund in Traians Ruhmsucht (Dio 68,17,1). Die Herrschaft im Partherreich selbst war damals unter drei sich bekämpfenden Rivalen, Pacorus, Chosroes und Vologaeses umstritten.88 Dabei war Chosroes offenbar der mächtigste unter ihnen, jedenfalls aber derjenige, den Traian als eigentlichen Gegner erkannte. Denn Chosroes war es gewesen, der den bisherigen König von Armenien vertrieb und ohne Traians Einwilligung durch Parthamasiris ersetzte (Dio 68,17,2f.). Die Entfernung eines von Rom gekrönten, armenischen Königs und parthische Bemühungen, einem Kandidaten ohne römische Zustimmung die Krone in diesem Land zu sichern (Tac., Ann. 11,8ff. 12,44ff.), hatten zuletzt unter Nero zu einem grossen Krieg zwischen den beiden Reichen geführt. Denn Grossarmenien galt nach römischer Auffassung als ein zum Imperium Romanum zählendes, abhängiges Königreich. Mehr noch: Augustus hatte, nach eigenen, öffentlich verkündeten Aussagen, sogar mit dem Gedanken gespielt, das Land als römische Provinz einzurichten (RgdA 27). Wenn er davon abgesehen hatte, so nur, um dort künftig die Thronfolge zu bestimmen – auch wenn der armenische König selbst ein Mitglied der parthischen Königsfamilie war. Aus diesem Anspruch entstanden bereits in der Regierungszeit des ersten Prinzeps mehrere, teils bewaffnete Auseinandersetzungen (Tac., Ann. 2,1ff.), in welche die Parther stets verwickelt waren. Denn auch sie strebten die Vorherrschaft über Armenien an,89 wobei es für eine stabile Herrschaft des parthischen Grosskönigs entscheidend war, in allen Teilen seines Reiches, loyale Könige und Unterherrscher an der Macht zu wissen. Gerade Thronstreitigkeiten und Herrscherwechsel im Partherreich bargen deshalb stets die Gefahr einer einseitigen, arsakidischen Neuverleihung der armenischen Krone. So führte auch in den Jahrzehnten nach der Regierungszeit des Augustus derselbe Streit um die Einsetzung eines armenischen Königs immer wieder zu schweren Spannungen zwischen Rom und Parthien (z.B. Tac., Ann. 2,1ff. 2,55ff. 6,31ff. 11,8ff. 12,44ff. etc.). Das Ergebnis des letzten Krieges mit den Parthern war im Jahre 66 schliesslich die erneute Übereinkunft gewesen, dass der armenische König seine Krone weiterhin aus der Hand des römischen Kaisers zu empfangen habe (Tac., Ann. 15,28ff. 16,23f. Dio 63,1,2ff.). 88 89

K. Schippmann, Grundzüge der Parthischen Geschichte (1980) 59f. Zusammenfassend etwa D. Kienast, Augustus. Princeps und Monarch (19993) 343ff.

Traian: Bellicosissimus Princeps

155

Somit gibt es wohl keinen Anlass, an Traians verkündeten Kriegsgründen zu zweifeln.90 Auch gibt es in den Quellen keinen Hinweis darauf, dass die Parther seit dem Beginn seiner Regierungszeit Traians Wunschgegner gewesen wären, oder gar dass die Dakerkriege als Vorbereitung und notwendige Voraussetzung für den Partherkrieg zu verstehen seien, den Traian von Anfang an, in dem angeblichen Wunsch angestrebt habe, die Nachfolge Alexanders des Grossen anzutreten.91 Auch der Versuch des Decebalus, freundschaftliche Beziehungen mit dem Partherkönig zu unterhalten (Plin., Ep. 10,74), um ihn allenfalls für einen Kampf gegen Rom zu gewinnen, können Traians Entschluss zum Partherkrieg nicht in die Zeit der Dakerkriege festlegen, denn der damalige Partherkönig Pacorus hatte sich nicht zum Kriegseintritt bewegen lassen. Für den Truppeneinmarsch im Nabataeerreich lässt sich ebenfalls kein sinnvoller Zusammenhang mit dem sieben Jahre später begonnenen Partherkrieg erkennen. Der Anlass des Krieges und sein Beginn zielten vielmehr ganz auf die Bereinigung der Verhältnisse in Grossarmenien. Ob Traian dabei von Anfang an die Errichtung einer neuen Provinz Armenia beabsichtigte, oder gar schon an die Einrichtung weiterer Provinzen im Osten dachte, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Es ist jedenfalls bemerkenswert, dass er vor Kriegsbeginn keine neuen Legionen aushob. All dies deutet darauf hin, dass Traian seinen letzten grossen Krieg als Reaktion auf die kurzfristig eingetretenen Entwicklungen in einem von Rom abhängigen Königreich begann. Zunächst scheinen sich beide Seiten noch um eine diplomatische Regelung der Krise bemüht zu haben. Doch als Traian die Absetzung des Parthamasiris nicht durchsetzen konnte, entschloss er sich zum Krieg (Arr., Parth. fr. 33). Seinem umfangreichen Expeditionsheer gehörten nicht nur östliche Legionen und zahlreiche Hilfstruppen an, sondern auch Abteilungen der Rhein- und Donauheere, die über den Bosporus, Pontus-Bithynia und Galatia an den oberen Euphrat marschierten.92 Ende Oktober des Jahres 113 verliess Traian mit Soldaten der hauptstädtischen Eliteeinheiten und der Kriegsflotte Rom und zog nach Athen, wo er auf Abgesandte des Partherkönigs Chosroes traf. Sie waren mit Geschenken und der Bitte um Frieden gekommen, aber auch mit der Forderung, dem Parthamasiris die armenische Krone zu geben. Darauf wollte Traian nicht eingehen. Er wies deshalb die Geschenke zurück, verweigerte eine förmliche Antwort und liess verkünden, dass freundschaftliche Beziehungen nach Taten und nicht nach Worten zu beurteilen seien, und dass er alles Notwendige nach seiner Ankunft in Syrien veranlassen werde (Dio 68,17,2f.). Als wichtigste Quelle des nun beginnenden Krieges verfügen wir, neben wenigen Fragmenten aus der Parther90 91 92

Noch Kaiser Marcus sah im Jahre 161 in den gleichen Umständen einen Kriegsgrund: A.R. Birely, Marcus Aurelius (19872) 121ff. Vgl. HA Ant. 9,6. So etwa Strobel, Dakerkriege 158. Ders., ZPE 71 (1988) 256. Siehe dazu auch den Beitrag «The development of the Roman forces in northeastern Anatolia», in diesem Band.

156

Traian: Bellicosissimus Princeps

geschichte Arrians, lediglich über die Zusammenfassungen und Auszüge aus dem Geschichtswerk des Cassius Dio. Die einzelnen Ereignisse des Partherkrieges und ihre zeitliche Folge sind deshalb oft ungewiss oder gar völlig verloren.93 Von Athen reiste der Kaiser auf dem Seeweg mit Zwischenhalten an der kleinasiatischen Küste zum Hafen von Seleucia an der Mündung des Orontes (Dio 68,17,3). Von dort waren es nur wenige Kilometer zur syrischen Metropole Antiochia, wo er wohl kurz nach der Jahreswende eintraf und sogleich mit den religiösen, organisatorischen und diplomatischen Vorbereitungen seines Feldzuges begann. Aus Edessa kamen vom parthischen Klientelkönig Abgar freundliche Briefe und Geschenke. Persönlich konnte der König aber nicht zum römischen Kaiser reisen, da er im bevorstehenden Krieg als neutral gelten wollte (Dio 68,18,1). Wenig später verliess der Kaiser mit seinen Truppen Antiochia, marschierte nordwärts nach Melitene am Euphrat und überquerte dort den Grenzfluss. Nachdem er die armenische Stadt Arsamosata ohne Gegenwehr eingenommen hatte, zog er weiter nordwärts, nach Satala, an der Grenze zwischen der Provinz Cappadocia und Grossarmenien, wo beim dortigen Lager der legio XVI Flavia Firma die Soldaten des Rhein- und Donauheeres bereits warteten. Hier trafen nun auch zahlreiche Könige und Fürsten aus dem Kaukasus und der östlichen Schwarzmeerküste ein, die von Traian in ihrer Herrschaft bestätigt oder neu eingesetzt wurden (Dio 68,18,2ff. Eutrop. 8,3,1. Fest., Brev. 20. Arr., Peripl. 11,2. BMC Emp III 115. 120. 222).

Sesterz mit der Legende REGNA ADSIGNATA / SC auf der Rückseite. Traian sitzt sitzt als Feldherr bekleidet und von zwei Offizieren begleitet auf einem Podest (im Truppensammellager in Satala) und ernennt drei am Boden stehende in Landestracht gekleidete orientalische Könige. RIC II 666.

93

Die beste Zusammenfassung der Ereignisse findet sich bei Birley, Hadrian 66ff.

Traian: Bellicosissimus Princeps

157

Nicht erschienen war aber Parthamasiris, der Armenierkönig. Er hatte Traian während seines Anmarsches zunächst einen Brief geschrieben, den Traian aber unbeantwortet liess, weil Parthamasiris sich darin als König bezeichnet hatte. Erst als er in einem weiteren Schreiben auf diesen Titel verzichtete und um die Vermittlung des römischen Statthalters von Cappadocia bat, sandte ihm Traian anstelle des Statthalters, dessen Sohn entgegen (Dio 68,19,1). Dieser sollte wohl die Einzelheiten eines Treffens der beiden regeln, denn inzwischen war der Kaiser mit seinen Truppen aus Satala aufgebrochen, hatte die Grenze überquert und zog nun ostwärts nach Elegia in Armenien. Dorthin begab sich auch Parthamasiris, der es sich mit seinen Begleitern allerdings erlaubte, zum vereinbarten Treffen mit Verspätung einzutreffen und den römischen Kaiser auf sich warten zu lassen (Arr., Parth. 38ff.). In Elegia erwartete, ja forderte Parthamasiris von Traian, dass er ihn zum König von Armenien kröne. Doch Traian war auch weiterhin nicht bereit, einen König, der ihm nicht genehm war, auf dem armenischen Thron zu belassen. Nach einer für Parthamasiris demütigenden Verhandlung vor den versammelten römischen Truppen befahl ihm Traian schliesslich, mit seinen parthischen Begleitern und einer berittenen römischen Eskorte, Armenien zu verlassen (Dio 68,19,2ff.). Bei dieser Gelegenheit verkündete Traian, dass er keinen neuen Klientelkönig krönen, sondern dass er Armenia zur Provinz machen und einen römischen Statthalter einsetzen werde (Dio 68,20,3f.). Äusserlich und formal betrachtet, unterschied sich dieser Schritt nicht von der Umwandlung der abhängigen Königreiche in Dacia und Arabia zu römischen Provinzen, und aus römischer Sicht liess sich durchaus behaupten, Armenia sei längst schon römischer Besitz (Dio 68,20,3). Auch war die bereits von Augustus erwogene Provinzialisierung Armenias nun damit zu rechtfertigen, dass die ständigen Wirren um die armenische Thronfolge nun endgültig der Vergangenheit angehörten. Natürlich wusste Traian, dass der Partherkönig den Verlust seines Einflusses auf Armenien nicht ohne weiteres hinnehmen würde. Doch der Zeitpunkt für die Eingliederung Armeniens in den Kreis der römischen Provinzen war günstig, da das Partherreich durch die innere Spaltung der Herrschaft geschwächt war. Der entlassene armenische König wurde kurz nach seiner Abreise, unter ungeklärten Umständen, umgebracht. Schnell verbreitete sich das Gerücht, Traian habe diesen Mord angeordnet. Der Kaiser wies den Vorwurf jedoch in einem Schreiben an Chosroes zurück (Arr., Parth. 40. Fronto, Princ. Hist. 18, p.212 VdH. Eutrop. 8,3,1). Die folgenden Wochen und Monate verbrachte Traian damit, die neue Provinz militärisch zu sichern. In seiner bekannten Art marschierte er dabei mit dem Heer zu Fuss, überquerte zusammen mit seinen Soldaten Flüsse, sorgte für Ordnung und liess angeblich sogar gelegentliche falsche Meldungen über bevorstehende feindliche Angriffe verbreiten, damit die Truppen gleichzeitig taktische Manöver übten und jedenfalls stets auf alles vorbereitet seien (Dio 68,23,1f.). Bis zur Vertreibung des Parthamasiris hatten die römischen Soldaten

158

Traian: Bellicosissimus Princeps

allerdings keine grösseren Schlachten zu bestehen gehabt (Dio 68,19,4). Doch bei der Besetzung der östlichen Teile der neuen Provinz trafen sie nicht nur auf Fürsten, die sich freiwillig unterwarfen (Dio 68,18,3b), sondern auch auf solche, die heftigen Widerstand leisteten. Während Lusius Quietus mit seinen maurischen Reitern hinter dem Van-See gegen die Mardi kämpfte, wurde im armenischen Hochland eine römische Heereskolonne vom Winter überrascht und musste von den Einheimischen mit Schneeschuhen versorgt werden (Arr., Parth. 85. Them., Or. 16,250). Gegen Ende des Jahres 114 scheint jedenfalls ganz Armenien fest in römischer Hand gewesen zu sein. Für die Eingliederung Armeniens ins römische Provinzgebiet und die Regelung der Verhältnisse mit den benachbarten Königen und Fürsten, beschloss der Senat, den Kaiser mit einer Fülle von Ehrungen, vor allem aber mit der Verleihung des Titels Optimus zu feiern (Dio 68,23,1).

Sesterz mit der Legende IMPERATOR VIII / SC auf der Rückseite. Das Bild zeigt, wie Traian, der in Feldherrnrüstung und von zwei Offizieren begleitet auf einem Podium sitzt und von den Soldaten seines Heeres zum achten Mal zum Imperator ausgerufen wird. Vermutlich geschah dies nach den letzten Kampfhandlungen im Spätherbst des Jahres 114 n.Chr. RIC II 656.

Traian war mittlerweile mit seinem Heer nach Süden gezogen, hatte Armenien verlassen und eroberte die beiden Städte Nisibis und Batnae. Der unmittelbare Anlass für diese Operationen am Südfuss Ostanatoliens, d.h. ausserhalb Armeniens, ist nicht überliefert, doch spätestens jetzt musste jedem Beobachter klar sein, dass Traian nicht beabsichtigte, seinen Feldzug auf Grossarmenien zu beschränken. Denn er liess auf seinem Rückweg nach Antiochia auch im nördlichen Zweistromland an allen notwendigen und geeigneten Plätzen Besatzungen zurück. Das Ansinnen des Senats, ihm für seine militärischen Erfolge in Nordmesopotamien den Titel Parthicus zu verleihen, wies er aber vorerst noch zurück (Dio 68,23,2). Nach einem Besuch beim König Abgar von Osrhoene, der nun

Traian: Bellicosissimus Princeps

159

seine neutrale Haltung aufgeben musste, zog der Kaiser nach Antiochia, um dort den Winter 114/115 zu verbringen. Dies sollte ihn beinahe das Leben kosten. Denn im Frühjahr verwüstete ein schreckliches Erbeben die syrische Metropole.94 Zahllose Menschen fanden den Tod, darunter auch einer der beiden amtierenden, ordentlichen Konsuln. Traian selbst konnte sich mit nur geringen Verletzungen durch den Sprung aus einem Fenster retten (Dio 68,24,1ff.). Noch im Frühjahr 115 führte Traian seine Truppen wieder an den Euphrat. Über die Kriegsziele der folgenden Unternehmen haben sich keine Nachrichten erhalten, doch die Hauptstossrichtung scheint zunächst erneut der Norden Mesopotamiens gewesen zu sein. Offenbar waren einige der dortigen Kleinfürsten in die inneren Auseinandersetzungen um die Herrschaft im Partherreich verstrickt, und wenigstens einer von ihnen hatte die Gelegenheit benutzt, Teile Armeniens zu besetzen (Dio 68,22,1). Daraus mag zumindest teilweise der offizielle Anlass zu den nun beginnenden Operationen entstanden sein, während derer eine ganze Anzahl bedeutender Schlachten geschlagen wurden, denn Traian wurde in diesem Jahr viermal zum Imperator ausgerufen.95 Vermutlich überquerte er zunächst bei Zeugma den Euphrat, um sich auf derselben grossen Hauptstrasse, die ihn vor dem Winter nach Syrien geführt hatte, wieder zurück nach Nisibis zu begeben (Dio 28,26,1ff.). Dort hatten die zurückgelassenen Einheiten während des Winters zusammensetzbare Schiffe gebaut. Auf Wagen wurden diese nun zum Tigris gefahren und zu einer Schiffsbrücke zusammengesetzt, auf der die römischen Truppen den Fluss überquerten. Trotz heftiger Gegenwehr gelang Traian nicht nur die Überquerung des Tigris, sondern auch die Einnahme des Königreichs Adiabene (Dio 68,22,2. 26,3f.). Weitere Kleinkönige schickten dem Kaiser nun Gesandte und baten um Frieden, während Lusius Quietus mit seinen maurischen Reitern ohne grössere Kämpfe Singara und einige weitere Plätze in der Umgebung besetzen konnte (Dio 68,22,1f.). Nach der Sicherung der Nordflanke zog Traian wieder an den Euphrat. Möglicherweise liess er dabei eine starke Abteilung am Tigris mit dem Befehl zurück, nach Süden vorzustossen. Der Kaiser selbst führte jedoch die Hauptabteilung seines Heeres den Euphrat abwärts auf die parthische Hauptstadt Ktesiphon zu, anscheinend ohne auf grösseren Widerstand zu treffen. Die inneren Wirren in Parthien hatte offenbar die Organisation der Verteidigung unmöglich gemacht (Dio 68,26,42). An der engsten Stelle zwischen Euphrat und Tigris angekommen, wollte der Kaiser einen Kanal zwischen den beiden Flüssen anlegen lassen, um so seine Flotte in den Tigris zu befördern. Als ihm seine Baumeister aber den Höhenunterschied zwischen beiden Flüssen meldeten, liess er davon ab und befahl die Schiffe auf Wagen hinüberschleppen. Von dort zog er nach Ktesiphon und nahm die Stadt im Januar 116 offenbar ohne Widerstand ein (Dio 68,28,1ff.). 94 95

Zum Datum überzeugend Birley, Hadrian 71. F. Lepper, Trajan's Parthian War (1948) 44f. D. Kienast, Kaisertabelle (Anm. 87) 123.

160

Traian: Bellicosissimus Princeps

Chosroes war geflohen, doch gelang es Traian, eine seiner Töchter und den parthischen Thron in seine Gewalt zu bekommen und nach Rom zu schicken (HA Hadr. 13,8. HA Ant. 9,7). Der Kaiser wurde nun von seinen Soldaten als Imperator begrüsst, und ein Schreiben meldete dem Senat den grossen Erfolg (Dio 68,28,2). Noch nie war ein römischer Feldherr so weit vorgestossen. Mit einem Schlage schienen alle römischen Niederlagen gegen die Parther gerächt und die ständigen Auseinandersetzungen um Armenien und an der Ostgrenze verschwunden. Als die Siegesmeldung am 20. oder 21. Februar 116 in Rom eintraf, verlieh der Senat dem Kaiser den Siegerbeinamen Parthicus, den Traian diesmal annahm. Ferner wurden zahlreiche Ehrungen und Feste beschlossen.96 Traian sollte Triumphe in beliebiger Zahl feiern dürfen, die Errichtung eines Triumphbogens auf seinem Forum wurde beschlossen (Dio 68,28,3. 29,2f.), und die Münzprägung begann sowohl die Niederwerfung Parthiens, Parthia capta, als auch die Unterwerfung Armeniens und Mesopotamiens, das den Norden des Zweistromlandes zusammenfasste, unter die römische Herrschaft zu verkünden (BMC Emp III 118f. 221f.).

Sesterz mit der Legende ARMENIA ET MESOPOTAMIA IN POTESTATEM P(opuli) R(omani) REDACTAE / SC. In der Mitte des Bildes steht der Kaiser im Kriegspanzer, mit dem Feldherrnstab in der Rechten und dem Schwert in der Linken. Ihm zu Füssen sitzt Armenia mit der armenischen Krone. Links und rechts von ihr sitzen die beiden Flussgötter Euphrat und Tigris. Mit diesem Münzbild feierte Traian im Jahre 115 / 116 n.Chr. die Unterwerfung Armeniens und Nordmesopotamiens. RIC II 642.

Es ist umstritten, ob damals auch eine eigene Provinz Assyria eingerichtet wurde (so Eutrop. 8,3,2. 8,6,2. Festus, Brev. 14,20), und ob diese dann das südliche Zweistromland bezeichnete, oder ob sie vielmehr vor allem das weiter nördlich 96

B. Bargagli / C. Grosso, I Fasti Ostienses (1997) 40. Dio 68,28,2f.

Traian: Bellicosissimus Princeps

161

und jenseits des Tigris gelegene Königreich Adiabene umfasste (vgl. Dio 68,26,41).97 Armenia Maior, jedenfalls, war damals bereits an Capadocia angeschlossen und unterstand einem senatorischen Statthalter und einem ritterlichen Prokurator (ILS 1041. 1338). Auch errichteten römische Soldaten im Jahre 116 grössere Bauten in der armenischen Hauptstadt Artaxata (AE 1968, 510). In Mesopotamia wurden gleichzeitig Strassenbauten vorangetrieben (AE 1927, 161). Es ist zu vermuten, dass auch dort bereits ein römischer Statthalter im Amt war.98 Von Vorbereitungen zur Umwandlung des südlichen Zweistromlandes in eine römische Provinz ist hingegen bisher nichts bekannt. Sollten solche Pläne je bestanden haben, so wurden sie sehr schnell wieder aufgegeben.

Aureus mit der Legende PARTHIA CAPTA. Zwei trauernde, kriegsgefangene Parther sitzen Rücken an Rücken am Boden. Vor ihnen stehen Köcher und Bogen. Zwischen ihnen ein mit Waffen und Beute reich geschmücktes Siegesdenkmal. Mit diesem Münzbild feierte Traian die Niederwerfung Parthiens im Jahre 115 / 116 n.Chr. RIC II 325.

Auf seiner Rückreise vom Persischen Golf besuchte der Kaiser auch Babylon, obwohl die berühmte Stadt damals offenbar bereits weitgehend in Ruinen lag. Dass Traian Alexander dem Grossen in seinem Sterberaum ein Opfer darbrachte, ist aber keineswegs ein Zeugnis für seine angebliche Vorstellung, ein zweiter Alexander werden zu müssen. Vor allem hat er sicher nicht daran gedacht, dessen Zug nach Indien nachzuahmen (Dio 68,29,1. 30,1). Darin gar den Grund für Traians angebliche Ruhmsucht zu erkennen, ist ebenfalls durch nichts zu rechtfertigen. Alexander war das Vorbild aller Feldherren, und wer siegreich auf 97 98

Dazu mit weiterer Literatur Birley, Hadrian 73. 324 mit Anm. 17. Ebd. 73.

162

Traian: Bellicosissimus Princeps

seinen Spuren wandelte, konnte kaum verhindern, an ihn erinnert zu werden. Doch von solchen Gedanken wurde Traian in Babylon plötzlich wieder in die Gegenwart zurückgeholt: Er erfuhr von bedeutenden jüdischen Aufständen im östlichen Nordafrika, in Ägypten und auf Zypern. Schlimmer noch: es trafen nun bei ihm auch Nachrichten von Aufständen in allen neu eroberten Ländern ein (Dio 68,30,1ff. Malal. 11,273ff.). Die Besatzungstruppen wurden an vielen Stellen angegriffen, besiegt und verjagt (Dio 68,29,4). In Armenien musste Traian sogar Gebiete abtreten, um sich vorübergehend Ruhe zu schaffen (Dio 68,30,1ff. 75,9,6). Offensichtlich hatte sich auch die parthische Verteidigung nun organisieren und die ehemaligen Vasallenfürsten wenigstens zu einem Teil wieder auf ihre Seite ziehen können. So begab sich Traian eilends nach Ktesiphon zurück und setzte einen parthischen Prinzen als König ein, da er auch bei den Parthern eine Erhebung fürchtete (Dio 68,30,3. BMC Emp. III 223). Gleichzeitig beauftragte er seine beiden Generäle Maximus, möglicherweise der Statthalter von Mesopotamia, und Lusius Quietus mit der Niederschlagung der Aufstände und der Rückgewinnung der verlorenen Gebiete in Nordmesopotamien. Während Maximus kurz darauf auf dem Schlachtfeld starb, gelangen Quietus zahlreiche Erfolge, darunter die Rückeroberung von Nisibis und die Einnahme und Zerstörung von Edessa, das offenbar erneut die Seiten gewechselt hatte (Dio 68,30,1f.). Selbst in der unmittelbaren Nähe von Ktesiphon wurde gekämpft, wobei auch die grosse griechische Stadt Seleukeia eingenommen und zerstört wurde (Dio 68,30,2).

Aureus mit der Legende REX PARTHVS auf der Rückseite. Das Münzbild zeigt Kaiser Traian zusammen mit einem Offizier auf einem Podium wie er vor versammeltem Heer den knienden Prinzen Parthamaspates zum neuen König der Parther krönt. RIC II 310.

Traian: Bellicosissimus Princeps

163

Die Nachrichten vom Aufstand der Juden in der Cyrenaica, Ägypten und Zypern wurden nun aber zunehmend beunruhigender (Dio 68,32,1ff. Euseb., HE 4,2,3. Oros. 7,12,6) und Traian musste grössere Verbände seiner Expeditionsarmee gegen sie einsetzen (z.B. ILS 9491). Auch in Mesopotamien erhoben sich die Juden gegen die römische Herrschaft. Hier wurde Lusius Quietus mit der Niederschlagung beauftragt. Ob der jüdische Aufstand mit dem parthischen Widerstand gemeinsam geplant war, ist genau so unbekannt, wie der Anlass, der ihn entfachte. Aus Dakien wurden nun ebenfalls grössere Kämpfe gemeldet und auch hierhin musste Traian Truppen entsenden.99 Immerhin schienen die römischen Truppen auf allen Schauplätzen ihre Aufträge erfolgreich durchzuführen, so dass Traian beschloss, weiterhin in den neu eroberten Ländern zu bleiben. Er zog nordwärts, nach der Stadt Hatra, die ebenfalls die römische Herrschaft abgeschüttelt hatte. Doch trotz grosser Anstrengungen und dem persönlichen Einsatz Traians, der ihn beinahe das Leben kostete, musste die Belagerung aufgegeben werden (Dio 68,31,1ff.). Denn die Bedingungen, die in der dortigen Wüste herrschten, machten eine längere Belagerung durch ein grosses Heer unmöglich. Traian musste abziehen. Wenig später erlitt er einen Schlaganfall. Dennoch plante er einen weiteren Feldzug nach Mesopotamien, um die letzten Aufständischen in der Provinz niederzuwerfen. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich allerdings so sehr, dass er sich entschliessen musste, nach Rom zurückzukehren. Er kam aber nicht weiter als nach Kilikien, wo er im August des Jahres 117 in Selinus verstarb (Dio 68,33,3). Beim Tode Traians war Grossarmenien, bis auf jenen Teil, den der Kaiser noch im Jahre 116 abgetreten hatte, weiterhin fest in römischer Hand. In Mesopotamia (und Assyria?), hingegen, wäre an einigen Orten, darunter Hatra, noch Widerstand zu beseitigen gewesen, doch hatte auch hier Lusius Quietus die wichtigsten Stellungen zurückerobert. In den südlichen Teilen des parthischen Mesopotamien, hingegen, fand der von Traian eingesetzte König Parthamaspates nicht die notwendige Unterstützung, um sich ohne römische Hilfe halten zu können (Dio 68,33,2).

Eine Eroberungspolitik ? Das strategische, langfristige Ziel der Eroberungszüge Traians im Osten sollte wohl vor allem die Beseitigung der ständigen Auseinandersetzungen um die Herrschaft in Grossarmenien sein. Zur Sicherung Armeniens hielt Traian aber zumindest die Eroberung Nordmesopotamiens und seine Einrichtung als Provinz für notwendig. Möglicherweise hatte er auch für Südmesopotamien ähnliche Pläne, doch es ist ebenso möglich, dass er dort von Anfang an die Einsetzung 99

Ebd. 74.

164

Traian: Bellicosissimus Princeps

eines romfreundlichen Königs für ausreichend hielt. Da die Quellen aber über Traians langfristigen Pläne zur Organisation des Nahen Ostens schweigen, und da er selbst zu früh starb, um alle seine Vorstellungen in die Wirklichkeit umszusetzen, bleiben seine Absichten im Dunkeln. Es ist immerhin denkbar, dass Traians Überlegungen bei der Einrichtung seiner östlichen Provinzen jenen glichen, die Septimius Severus am Ende des zweiten Jahrhunderts äusserte, als er seine Eroberungen in Nordmesopotamien als vorgeschobenes Bollwerk des Reiches bezeichnete (Dio 75,3,2).100 Eine ähnliche Funktion scheint zumindest Hadrian der Provinz Dacia zugewiesen zu haben (Dio 68,13,5f.). Traians neue Provinzen jenseits des Euphrat hätten die militärischen Schwierigkeiten an der Ostgrenze des Reiches aber keinesfalls gelöst, sondern nur weiter nach Osten verschoben. Denn die Parther konnten sich im weiten, östlichen Hinterland ihres Reiches neu zusammenfinden und blieben deshalb sowohl für ein römisches Grossarmenien als auch für Mesopotamien weiterhin eine ernsthafte Bedrohung. Hätte Rom dieser Bedrohung auch künftig erfolgreich begegnen wollen, wäre wenigstens die Aufstellung mehrerer, neuer Legionen notwendig gewesen. Dazu kam es jedoch unter Traian nicht mehr. Zudem hätten die neuen Provinzen dem Reich grössere Ausgaben bedeutet, ohne dass Traian sicher sein konnte, dass die Einnahmen aus ihnen die zusätzlichen Ausgaben gedeckt hätten. Dies ist auch die Kritik, die Cassius Dio an den östlichen Gebietserwerbungen unter Septimius Severus äusserte (Dio 75,3,3). Es spricht Vieles dafür, dass dieselbe Kritik schon beim Tode Traians zutraf, und dass sich Hadrian dieser Argumente bediente. Den römischen Anspruch auf Grossarmenien hat aber auch Hadrian keineswegs aufgegeben (HA Hadr. 12,8. 21,11ff.).101 Doch Hadrian hatte zu Beginn seiner Regierungszeit auch noch andere Schwierigkeiten zu lösen, die seinen Befehl zum vollständigen Truppenabzug aus den neuen Provinzen hinreichend erklären.102 Kurzfristig war dem neuen Kaiser die Fortsetzung des Unternehmens somit unmöglich, und langfristig waren die Vorteile des Erreichbaren keineswegs unbestreitbar. Ob solche strategischen Überlegungen tatsächlich je angestellt wurden, bleibt ungewiss. Noch unsicherer ist, ob sie bereits im Vorfeld der Eroberungen angestellt wurden. Gänzlich unsicher ist jedoch, ob sie der eigentliche Grund für die Eroberungen waren, und ob in ihnen die Grundgedanken einer eigentlichen «Eroberungspolitik» zu erkennen sind. Nach allem, was in den Quellen zu den einzelnen Eroberungszügen ausgesagt wird, lassen sich Elemente einer eigentlichen, langfristig geplanten Politik der Eroberungen für Traian nicht wirklich beweisen. Es wäre auch ohnehin kaum wahrscheinlich, dass Traian 100 Siehe dazu den Beitrag «Ein Bollwerk für Syrien», in diesem Band. 101 Siehe dazu auch den Beitrag «The development of the Roman forces in northeastern Anatolia», in diesem Band. 102 Birley, Hadrian 77ff.

Traian: Bellicosissimus Princeps

165

Überlegungen dieser Art der Öffentlichkeit bekannt gemacht hätte, denn sie hätten dem Anspruch Roms, nur gerechte Kriege zu führen, widersprochen. Neben den überlieferten Kriegsgründen sind es jedoch vor allem die Zeitpunkte, zu denen Traian seine Feldzüge begann, die gegen die Annahme einer geplanten Eroberungspolitik sprechen. Denn aus dem «Verzicht» auf einen Germanenkrieg in den Jahren 98/99, aus der Gleichzeitigkeit des zweiten Dakerkrieges und des arabischen Feldzuges, sowie aus der siebenjährigen Friedenszeit vor dem Partherkrieg, der zudem über den Umweg Armeniens geführt wurde, lassen sich wohl weder grosse strategische Konzepte noch Ruhmsucht als die wesentlichen Bestandteile einer eigentlichen und geplanten Eroberungspolitik erkennen. Es scheint deshalb besser, den überlieferten Kriegsgründen vorsichtigen Glauben zu schenken, auch wenn Traians Kriege damit nur mehr als Reaktionen auf äussere Entwicklungen gewertet werden können. Die wahren Beweggründe des Optimus Princeps bleiben aber verborgen, und sein Nachfolger, der ihn auf so vielen Unternehmungen begleitet hatte, scheint sie nicht alle geteilt zu haben.

Lihat lebih banyak...

Comentários

Copyright © 2017 DADOSPDF Inc.