Trajan - Das Dezenalienbildnis (1998)

May 28, 2017 | Autor: Michael E. Habicht | Categoria: Classical Archaeology, Roman Sculpture, Trajan, Roman Archaeology
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Descrição do Produto

Trajan Das Dezenalienbildnis Büste im Kapitolinischen Museum Imperatori 22; Inv: 276 Einleitung (Gipsbüste zeigen) WICHTIG! Die hier stehende Gipsbüste mit der Nummer 835 ist mit der Büste Imperatori 22 Inventarnummer 276 im Kapitolinischem Museum nicht identisch! In der Gipssammlung ist nur diese Büste von Trajan verfügbar. Es handelt sich bei der Gipsbüste um ein Bildnis, das dem Opferbildtypus zugeordnet wird, einem Nachfolgetyp des Dezenalienbildnis welches hier besprochen werden soll. Dieser Nachfolgetyp unterscheidet sich in Nuancen, bleibt aber in der Richtung, welche der Dezenalientyp vorgezeichnet hat. Dieser Gipsabguss nimmt übrigens eine Sonderstellung ein. Es handelt sich um eine Büste, von der zwar Abgüsse bekannt sind, aber unbekannt ist, von welchem Original sie genommen sind. Der primäre Abguss ist in Würzburg. Dessen Herkunft ist unbekannt. Das Original dürfte irgend in einer Privatsammlung zu finden sein. Da die Literatur, auf die ich mich hier berufe, etwas in die Jahre gekommen ist, kann es durchaus sein, dass das Original inzwischen aufgetaucht ist. Auch der Gipskatalog unserer Sammlung vermerkt keine neuen Erkenntnisse. Nach Absprache habe ich den Aufbau des Referates etwas abgeändert: Das Referat ist wie folgt aufgebaut: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Biographie Ergänzungen Beschreibung Herkunft und mögliche Aufstellung Kurze Beschreibung der Bildnistypen von Trajan Datierung mit Münzbildnissen Vergleiche mit 3 weiteren Büsten des Dezenalientyps Zusammenfassung

Beschreibung ( Dia links: Kapitol 276 ganz ) ( Dia rechts: Kapitol 276 Frontal ) Höhe der Büste: 58cm Mit Fuss: 74cm Höhe Kinn-Scheitel: 25cm Wir sehen hier eine Büste eines bartlosen älteren Mannes. Die Kopfform ist ein längliches Oval. Die mittellangen Haare sind in Strähnen relativ gleichmässig gekämmt. Sie sind tief in die Stirne ragend. Er hat eine etwas zurückweisende Stirn und deutliche Augenüberwülste.

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(Bei anderen Bildnisen sind die Augenüberwülste noch deutlicher) Die Nase ist markant und lang. ( Dia rechts: Kapitol 276 Profil ) Die Wangen hängen etwas erschlaft herunter. Die Nasolabialfalte ist gut erkennbar, aber nicht übermässig stark. Bei Profil- und Drei-Viertelansicht vermindert sich dieser Effekt, der Mann wirkt viel erhabener. Die Lippen sind schmal. Das Kinn ist eher klein, wölbt sich aber markant nach vorne. Besonders in älteren Publikationen wird oft von grossem Kinn gesprochen, was mir eigentlich nicht so recht zutreffend erscheint. Es ist markant, aber nicht gross. Die Form des Kinns ist schmal. Der Mann hat einen leichten Ansatz zu einem Doppelkinn. Die Ohren sind ohne besondere Merkmale, sie sind durchschnittlich gross und normal proportioniert. Der Kopf des Mannes sitzt auf einem muskulösen, nackten Oberkörper. Auf seiner linken Schulter ist ein Mantel drapiert, der von einer Fibel zusammengehalten wird. Jedoch fehlt das Gewand auf dem der Mantel befestigt werden könnte. Der Mann trägt ausserdem ein Schwertband über der rechten Schulter. Die Büste steht auf einem kleinen Podest. An dieses schliesst der eigentliche Standfuss an. Beide sind zu den Proportionen und dem Gewicht der Büste zu klein.

Ergänzungen ( Dia links: Kapitol 276 ganz ) ( Dia rechts: Kapitol 276 Frontal ) Die Büste hat einen eher schlechten Erhaltungszustand, und hat starke Ergänzungen. Ergänzt sind: Nase, das Kinn, die Ohren. Flickstellen in den Augenbrauen und Lippen sowie an den Haarsträhnen. Die rechte Schulter fehlt. Der Mantel weist starke Beschädigungen auf. Die Fibel ist ebenfalls ergänzt. Das Paludamentum, der Feldherrenmantel, ist durch Überarbeitungen und Ergänzungen stark verändert. Der gesamte Oberkörper ist beschädigt. Die Büste weisst zahlreiche Bestossungen auf, die Oberflächen sind geputzt. ( Dia links: Kapitol 276 alte Restaurierung ) ( Dia rechts: Kapitol 276 Profil ) Wir sehen hier links noch einen älteren Restaurierungszustand: Die Bestossungen sind mit Gips aufgefüllt. Diese Restaurierungsmassnahme wurde später wieder entfernt. Die Büsteninnenseite ist sauber geglättet. Das Standtäfelchen und der Fuss werden als antik betrachtet, sind aber kaum zugehörig.

Herkunft der Trajanbüste ( Dia links: Kapitol 276 ganz ) ( Rechts Dunkel ) Über die Herkunft ist wenig bekannt. Die Büste stammt aus der Sammlung Albani. Über den Fundort ist mir nichts bekannt, ebenso wann genau die Büste ins Kapitolinische Museum gelangt ist. In alten Publikationen aus der Jahrhundertwende ist sie bereits im Kapitolinischen Museum aufgeführt. 2

Zunächst war die Büste in der Galerie 30 und wurde dann in die Stanza degli Imperatori verlegt.

Aufstellungsort Über die ursprüngliche Aufstellung ist mir nichts bekannt. Da es sich um ein offizielles Bildnis handelt, wäre eine Aufstellung in öffentlichen Einrichtungen denkbar. Von der Grösse her wohl am ehesten in einem Gebäude. Die Büste ist für eine Ansicht von vorne und von der Seite gedacht. Hinten sind zwar die Haare ausgearbeitet, aber der Büstenstamm hat keine Aussage und mag sogar etwas komisch zur Vorderseite anmuten. Eine Aufstellung in einer Nische wäre also eine Möglichkeit. Wie viele andere dieser Büsten, weist sie Beschädigungen auf, die darauf schliessen lassen, dass sie irgendwann einmal vornüber heruntergefallen ist. Typische Beschädigungen der meisten Büsten sind: Nase und Kinn abgebrochen, Kopf abgebrochen, Schultern und Feldherrenmantel sind beschädigt. Die Marmorbüsten haben sehr oft einen viel zu kleinen Standfuss. Auch das Gewicht der Büsten ist zu hoch. Viele Büsten stehen etwas wackelig. Dies hat zur Theorie von Gross geführt, wonach die Marmorbüsten nach Bronzenen Vorbildern geschaffen wurden. Eine Bronzebüste, die in ihrem Inneren hohl ist würde gewichtsmässig auch besser zur Grösse des Standfusses passen. Es ist über Schriftsteller überliefert, dass Trajan befahl Standbilder aus Bronze und Stein anzufertigen.

Biographie Trajan ( Dia links: Kapitol 276 ganz ) ( Dia rechts: Kapitol 276 Profil ) Zitat aus Cassius Dio 68,15: „Sein Verhältnis zum Volk war leutselig, die Beziehungen zum Senat von Würde geprägt, so dass er von allen geliebt wurde und von niemanden gefürchtet wurde, ausser dem Feind.“ Kaiser Nerva, ein Senator, wurde nach der Ermordung des Kaisers Domitians 16 Monate lang Kaiser. Anstelle eines Verwandten beschloss er den geeignetsten Mann des Reiches zum Nachfolger zu machen. Er adoptierte Trajan. Ein Bruch mit der Tradition, einen Verwandten als Nachfolger auszuwählen. Marcus Ulpius Traianus wurde am 18. Sept. 53 n.Chr. als Sohn einer Kolonistenfamile in Italica (bei Sevilla) geboren. Zum ersten Mal gelangte ein Ausländer auf den Kaiserthron. Sein Vater hatte unter Vespasian Karriere gemacht und war Statthalter der Provinz Asia und Gouverneur von Syrien. Trajan zeichnete sich als Offizier aus und war unter Kaiser Domitian (81-96) im Jahr 91 sogar Konsul. Er gründete zwei neue Kolonien: Ulpia Traiana und Novomagus. Er wurde Statthalter von Obergermanien. Trajan war mit der wesentlich jüngeren Plotina verheiratet. Plotina entstammte einer Kolonistenfamilie aus Nemauaus (Nîmes). Die Kaiserin besass Tugenden, die in Rom schon Seltenheitswert hatten: Sittenstrenge, Bescheidenheit und Herzensgüte. Bildung und Klugheit 3

machten sie zu einer wertvollen Beraterin ihres Mannes. Trotz harmonischer Ehe blieben ihnen Kinder versagt. Toleranz und Humanität zeichneten Trajan aus. Er respektierte den Senat und dieser verlieh ihm dafür den Ehrentitel Optimus, der Beste. Trajan war ein grosser Bauherr: Er liess in Rom das grösste Forum errichten das Forum Traiani, die Trajanssäule, die steinerne Donaubrücke am Eisernen Tor (bei Drobeta), die Aqua Traiani, das letzte der grossen Aquädukte in Rom, einen neuen Hafen in Ostia und vieles mehr... In die Geschichte ging er auch als grosser Feldherr ein. Er hielt sich nicht an die von Augustus gezogenen Reichsgrenzen. Im Jahr 101 griff er die Daker (im heutigen Rumänien) an. Nach wenigen Monaten kapitulierten die Daker, Dakien wurde römischer Vasallenstaat. Der Dakerkönig Decebalus hielt sich nicht an den Vertrag und ein Jahr später kam es erneut zum Krieg. Die Römer eroberten Dakien und 106 beging der Dakerkönig Selbstmord, Dakien wurde römische Provinz. Trajan selbst schrieb eine Geschichte des Dakerkrieges, die leider nicht erhalten blieb, die Ereignisse müssen anhand der Trajanssäule erschlossen werden. 106 unterwarf Trajans Feldherr Cornelius Palma das Land der Nabatäer und errichtete die Provinz Arabia. Diese Annexion war für Trajan nur der erste Schritt zur Eroberung des Ostens. 114 begann der Krieg gegen die Parther. Armenien wurde unterworfen und in eine römische Provinz umgewandelt. 115 eroberte er das Zweistromland und gründete die Provinz Mesopotamia. Er überschritt den Tigris und 116 entstand eine weitere Provinz: Assyria. Das römische Reich hatte seine grösste Ausdehnung erreicht. Eine Eroberung Indiens war nicht möglich, da in Mesopotamien und Judäa Aufstände ausbrachen. Trajan gelang es die Unruhen niederzuschlagen. Trajan starb am 8.August 117 in Selinus in Kleinasien an einem Schlaganfall. Erst auf dem Totenbett adoptierte er Hadrian, den Statthalter von Syrien. Dieses Testament stiess auf lebhaften Widerspruch, da nicht Trajan, sondern Plotina unterzeichnet hatte. Trajan war dazu offenbar nicht mehr in der Lage gewesen. Eventuell hatte Plotina sogar das Testament gemacht, denn sie war eine erklärte Gönnerin von Hadrian. Zum Glück für Rom konnte keiner der Neider eine bessere Legitimation aufweisen und sicherte Rom einen weiteren guten Herrscher. Hadrian liess Trajan zum Gott erklären. Plinius schildert das Aussehen von Trajan als ein Mann mit erstklassiger Haltung und hochgewachsener Statur, mit wohlgeformtem Schädel und edlen Gesichtszügen und grauhaarig.

Übersicht über die Bildnistypen Diese kleine Übersicht soll die Entwicklung der Bildnise darstellen, um so das Dezenalienbildnis einzuordnen. Die Bildnistypen werden durch ihre Frisuren und nicht durch ihre zeitliche Stellung unterschieden. Auch der sogenannte Erste Bildnistyp wurde lange Zeit produziert. Es kann aber in etwa ermittelt werden wann die Typen erstmals auftraten. Es werden 4 Haupttypen unterschieden: 4

Das Erste Bildnis ( Dia links: Kapitol 3019 ) ( Rechts dunkel ) Erstes Bildnis: Viele der frühen Bildnise zeigen eine Unsicherheit der Erfassung der individuellen Züge von Trajan. Typisches Merkmal, das alle diese Bildnisse kennzeichnet, ist die Frisur, die sich in der Stirnmitte nach rechts und links gabelt. Auch späte Werke, die diesen Frisurtyp haben, werden dieser Gruppe zugeordnet. 2 Bildnise dieses Typs sollen hier kurz angesprochen werden: Der Kopf in den Kapitolinischen Museen Inv. 3019 ist ein sehr frühes Bildnis. Er hat keinerlei Ergänzungen. Er ist wenig differenziert gearbeitet, die individuellen Merkmale treten kaum in Erscheinung. Die Haare wirken unnatürlich wie eine Kappe. Die Gabelung ist deutlich zu erkennen. Dieser Kopf gilt als sehr frühes Werk. Es ist wohl zur Zeit des Regierungsantrittes entstanden. ( Dia links: Konservatorenpalast 438 ganz ) ( Dia rechts: Konservatorenpalast 438 Doppelbild ) Das zweite Bildnis dieses Typus im Palazzo dei Conservatori Inv. 438 ist ein recht spätes Werk, wird aber der Haare wegen dem Ersten Bildnistyp zugeordnet. Die Büste hat starke Ergänzungen im unteren Bereich: Nur ein rechteckiger Ausschnitt unter dem Hals ist Original. Schwertband und Mantel sind nur in kleinen Stücken authentisch. Die Büste nimmt aber schon Merkmale der späteren Dezenalienbildnise vorweg. Wie beispielsweise das Schwertband mit Paludamentum in ähnlicher Darstellungsweise, heroische Nacktheit und der Wendung des Kopfes. Diese Kopfdrehung wurde nach dem Vorbild von Alexanderbildnissen erschaffen. Die Gesichtszüge sind markant und erscheinen individuell. Dieses Werk ist wohl um die Zeitperiode der Dezenalienbildnise entstanden, wegen der Frisur wird es trotzdem zum Ersten Bildnis gezählt.

Das Bürgerkronenbildnis ( Dia links: Louvre 1265 ) ( Dia rechts: Kopenhagen Ny Carlsberg ) Der Bürgerkronentypus ist die nachfolgende Bildnisform. Aber nicht auf allen diesen Bildnisen trägt der Kaiser die Bürgerkrone. Die typischen Merkmale sind die Haarsträhnen, die gleichmässig und öfters fein nach rechts gekämmt sind. Die Haare sind sehr gleichmässig in Strähnen gelegt. Als Beispiel soll hier ein Bildnis im Louvre Nr. 1265 dienen. Der Kaiser trägt die Bürgerkrone. Die Haare sind recht gleichmässig nach rechts gekämmt. Die individuellen Merkmale des Gesichtes treten deutlich auf. Trajan wird mit deutlichen Augenüberwülsten, einer markanten Nase und deutlichen Falten im Gesicht dargestellt. Die Wangen wirken schlaff. Trajan hat einen etwas ermüdeten Ausdruck.

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Als weiteres Beispiel soll hier die Heroenstatue in Kopenhagen Ny Carlsberg dienen. Es geht mir hier nur um die Gestaltung des Kopfes, insbesondere um die Frisur: Sie zeigt feine, gleichmässige Strähnen, die nach rechts gekämmt sind. Sie wirken etwas unnatürlich kappenartig. Auch finden wir einen Mantel, der auf einer nackten Schulter montiert ist. Dieser Bildnistypus zeigt den Kaiser als Ersten Bürger des Staates, dem die Führung desselben obliegt.

Das Dezenalienbildnis ( Dia links: Kapitol 276 ganz ) ( Dia rechts: Vatikan Sala dei Busti 282 ) Das Dezenalienbildnis wurde zum 10-Jährigen Regierungsjubiläum erschaffen. Es stellt den Höhepunkt der Entwicklung dar. Die kennzeichnenden Merkmale sind die Frisur, Kopfwendung und die heroische Nacktheit. Die Haare werden nun in weniger regelmässigen Strähnen nach links gekämmt. Die Frisur wirkt durch ihre Unregelmässigkeit sehr realistisch. Der Kopf ist energisch und pathetisch nach rechts gewendet. In der Dreiviertelansicht wirkt Trajan idealer. Ebenfalls ein Kennzeichen dieses Typus ist die heroische Nacktheit. Es werden hier realistische und völlig idealisierte Merkmale vermischt. Der Kaiser soll als gottähnlicher Herrscher dargestellt werden. Eine genauere Besprechung folgt nachher im Referat.

Das Opferbildnis ( Dia links: Panzerbüste Turin) ( Rechts Dunkel) Die Nachfolgetypen des Dezenalienbildnises, wie der Opferbildtypus, bringen kaum wirklich neue Entwicklungen. Elemente des Dezenalientypus werden variiert. Die Gipsbüste Nr.835 in Zürich wird diesem Typus zugeteilt. Der Kopf ist in eine andere Richtung gewendet und der Feldherrenmantel ist auf beiden Schultern dargestellt. Bei manchen dieser Nachfolgebildnissen trägt Trajan auch die Aegis (das Medusenhaupt). Die Haare fallen unregelmässig und sind an den Schläfen oft mehr gekräuselt. Die Panzerbüste aus Turin gehört zu diesem Typ. Der Panzer ist neuzeitlich. Der Kopf zeigt Haarsträhnen nach links, an seiner linken Schläfe bildet sich eine Zange. Auf der rechten Schläfenseite entsteht eine Gabelung. Die Gesichtszüge wirken markant, individuell und sehr erhaben. Nach dieser relativen chronologischen Einordnung versuche ich, das Aufkommen der verschiedenen Bildnistypen absolut zu ermitteln:

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Datierungsversuch des Dezenalientypus ( Links Dunkel / Folie Münzen ) ( Rechts Dunkel Nach der relativen Chronologie versuche ich dem Dezenalientyp auch eine absolute zeitliche Einordnung zu geben. Der Name Dezenalientyp verweist zwar auf das Jahr 108 n.Chr. Doch lässt sich diese Bezeichnung auch beweisen? Ja, denn die Römer waren so nett, alle ihre Münzen mit einer Auflistung von Titeln zu versehen. Anhand der Titel und auch durch Darstellungen historischer Ereignisse auf den Rückseiten können die Münzen meist aufs Jahr genau datiert werden. Auch die Portraits können so zeitlich in etwa eingeordnet werden. Die Münzbildnisse von Trajan spiegeln die Portraittypen wieder. ( Dia rechts: Kapitol 3019 ) Die frühen Münzbildnisse zeigen noch kein so markantes Portrait und grosse Buchstaben bei den Inschriften. Sie sind dem frühen Werken des Ersten Bildnistypus ähnlich und gehören in die Zeit von 98-101n.Chr. ( Dia rechts: Kopenhagen Ny Carlsberg ) Spätere Münzenbildnisse der Zeit um 104n.Chr.zeigen eine feine, sehr gleichmässige Frisur. Die Charaktermerkmale sind individualistischer, die Inschriften kleiner. Sie entsprechen etwa dem Bürgerkronentypus. ( Dia links: Münze ) ( Dia rechts: Kapitol 276 ganz ) Um das Jahr 108n.Chr. erscheinen Münzen, die Trajan in neuer Pose darstellen. Trajan wird mit nacktem heroischen Oberkörper, Feldherrenmantel und Schwertband dargestellt. Auch die Wendung des Kopfes wird nachgeahmt. Damit dürfte die Datierung des Dezenalientypus ins Jahr 108n.Chr. gesichert sein. Dass das Dezenalienbildnis einen offiziellen Charakter hatte, kann durch die Darstellung auf den Münzbildnissen auch als sicher angenommen werden. ( Links Dunkel / Folie ) ( Rechts Dunkel ) Münzen der Zeit 110-112 und 112-117n.Chr. zeigen eine andere Darstellung. Die energische Wendung des Kopfes bleibt zwar erhalten, der heroische Oberkörper wird nicht mehr so betont dargestellt. Die Schultern werden zunehmend von der Seite dargestellt und nicht mehr frontal. Die Haare sind unregelmässiger. Auch die Halspartie ist auffällig andersartig gearbeitet.

Vergleiche von Büsten des Dezenalientyps ( Dia links: Kapitol 276 ganz ) ( Dia rechts: Kapitol 276 Frontal ) Ich stelle hier nun weitere Büsten vor, die dem Dezenalientypus zugeordnet werden. Dieser Bildnistyp zeichnet sich durch eine grosse Anzahl erhaltener Repliken aus. Die Büsten, die diesem Bildnistyp zugeordnet werden, zeigen verschiedene Abweichungen in Ausdruck und der Detailbearbeitung. 7

Es geht mir in diesem Vergleich darum, die Büste im Kapitolinischen Museum Einzuordnen, wie nahe sie dem verlorenen Urbild des Dezenalienbildnises steht. Die Büste im Kapitolinischen Museum Inv. 276 zeigt Trajan mit energischer Kopfwendung. Die charakteristischen Merkmale von Trajan sind deutlich ausgeprägt. Die Wangen sind im Vergleich zu anderen Büsten eher flach. Das Gesicht wirkt recht schlank und gibt dem Gesicht damit eine gewisse Idealisierung, ohne aber die Individuellen Merkmale allzusehr zu verfälschen. Die Haare sind detailreich ausgearbeitet und natürlich wirkend. Das Schwertband liegt in einer etwas gebogen auf der rechten Schulter, der Blick des Betrachters wird zum Kopf gezogen. Bei anderen Büsten führt das Schwertband das Auge nicht zum Kopf, sondern ins Leere. Die Muskulatur der Kapitolinischen Büste ist deutlich ausgearbeitet, leider durch viele Bestossungen etwas verunstaltet. ( Dia rechts: Vatikan Braccio Nuovo 48 ) Die Büste im Vatikan Braccio Nuovo 48 zeigt viel breitere Gesichtszüge. Das ganze Gesicht ist fleischiger. Die Wangen erscheinen voller. Der Feldherrenmantel ist in zwei Lagen auf der Schulter hochdrapiert. Die Muskulatur ist verflachter wiedergegeben als bei den anderen Büsten. Das Standtäfelchen und der Standfuss sind grösser. Nach Meinung von einigen Wissenschaftlern, wie Gross sollen die Falten in den Mundwinkeln in anderer Weise gearbeitet sein. Ich selbst konnte das anhand der verfügbaren Bilder nicht so recht nachvollziehen. Dies liegt wohl an den Bildern und müsste anhand der Originale überprüft werden. ( Dia rechts: Vatikan Sala dei Busti 282 ) Auch die andere Büste im Vatikan Sala dei Busti 282 zeigt Abweichungen in der Bearbeitung der Details. Das Gesicht ist länglicher und wirkt härter. Die Nase ist lang und etwas zu markant ausgefallen, was allerdings vor allem an der Restauration liegen dürfte. Die Haare sind sehr detailreich und naturalistisch gearbeitet. Auch hier ist der Feldherrenmantel in zwei Lagen hochdrapiert, wirkt aber nicht so aufgebauscht wie der bei der Büste im Braccio Nuovo 48. Das Schwertband hängt in einem etwas anderen Winkel über der Schulter. Der Betrachter wird durch den Verlauf des Bandes nicht zum Kopf geführt. Die Muskulatur ist deutlich ausgearbeitet. ( Dia rechts: London BM 1893 ) Die Büste in London Nr. 1893 zeigt eine sehr dynamische Wendung des Kopfes. Die Haare sind sehr natürlich wirkend und fein gearbeitet. Die nackte heroische Brust ist wunderbar gearbeitet und zeigt eine deutliche Muskulatur. Der Feldherrenmantel und das Schwertband fehlen. Die Büste ist übrigens fast intakt erhalten, nur die Nasenspitze und etwas am Ohr wurden ergänzt. Von den anderen Büsten unterscheidet sich diese Büste in einem anderen Verlauf der Augenbrauen. Die anderen Büsten haben fast geradlinig verlaufende symmetrische Augenbrauen. Beim Londoner Kopf ist die rechte Augenbraue Trajans höher und geschwungener. Dadurch ändert sich auch der Ausdruck je nach Position des Betrachters etwas. Am besten wirkt der Kopf in der Drei-Viertel Ansicht. Der Büste wird dadurch mehr Dynamik und Erhabenheit gegeben. Die Büste in London wird oft als Vorläufer der nachfolgenden Bildnistypen betrachtet. 8

( Dia rechts: Vatikan Sala dei Busti 282 ) Meist wird die Meinung vertreten, dass die Büste im Kapitolinischen Museum Inv. 276 vom der Ausarbeitung des Kopfes dem Urbild des Dezenalientyps am nächsten steht. Bei der Gestaltung des Heroischen Oberkörpers und des Mantels, die den Kaiser durch das Schwerband und Feldherrenmantel dem Mars angleicht, soll die Büste aus dem Vatikan Sala dei Busti Nr.282 am Besten wiedergeben. Weil die kapitolinische Büste am Mantel stark ergänzt ist, wird auch postuliert, der Mantel sei im ursprünglichen Zustand in gleicher Weise hochdrapiert gewesen. ( Dia rechts: Vatikan Braccio Nuovo 48 ) Die Büste im Vatikan Braccio Nuovo Nr.48 erscheint dagegen weiter vom Urbild entfernt zu sein. Die Verflachung der Muskulatur und die fleischigeren Gesichtszüge geben die Idee die hinter dem Dezenalienbildnis steht weniger gut wieder. Auch die aufgeblasen wirkende Hochdrapierung des Feldherrenmantels hat sich wohl schon deutlich vom Urbild entfernt, da sie unnatürlich wirkt. ( Dia rechts: London BM 1893 ) Die Büste in London 1893 scheint mit ihrer Erhabenheit im Ausdruck dem Urbild nahezustehen. Jedoch lassen die Weiterentwicklung bei den Details, sowie das Fehlen von Schwertband und Mantel darauf schliessen, dass sie in ihrer Entwicklung bereits fortgeschritten ist. Also eine Art Verbesserung des Dezenalienbildnises. Auch in der künstlerischen Bearbeitung und in der Erhaltung ist sie das beste Exemplar. Die Idee die hinter dem Dezenalienbildnis zu stehen scheint ist folgende: Der Kaiser soll der Sphäre des Göttlichen angeglichen werden. Er soll als idealisierter Vater des Vaterlandes dargestellt werden. Die Ausstattung mit Schwert und Feldherrenmantel gleicht ihn dem Mars an und feiert ihn so als siegreichen Feldherren. Auch die Kopfwendung und die Augenüberwülste orientieren sich an der Löwenikonographie und sind wohl den Bildnissen Alexanders des Grossen entlehnt. Der Kaiser ist dargestellt als eine Mischung von Mars, Alexander und Vater des Vaterlandes im augustäischen Sinne. Individuelle Merkmale, die Trajan wohl in Natura gehabt hat, werden mit völlig idealisierten ikonographischen Merkmalen vermischt: Stellt man die Entwicklung graphisch dar, wobei man von einer kontinuierlichen Entwicklung ausgeht, die natürlich nicht gesichert ist, sieht die Situation etwa so aus: ( Links Dunkel / Folie 2 )

Zusammenfassung Der Dezenalien-Typus von Trajan ( Dia links: Kapitol 276 ganz ) ( Dia rechts: Kapitol 276 Profil) 9

Der Dezenalientyp unterscheidet sich von vorhergehenden Typen, wie zum Beispiel dem des Bürgerkronentypus, in Details der Ausarbeitung und der Wirkung auf den Betrachter: Neu gliedern sich die Locken scheinbar zufällig zu Gruppen, wirken natürlicher. Neu sind die Locken nach links gestrichen, genau umgekehrt wie beim Bürgerkronentypus. Neu ist auch die erweiterte Büstenform: Sie ist so gross, dass sie die Armansätze und die Brustwarzen miteinschliesst. Die Büsten des Dezenalientypus sind für eine Drei-Viertel-Ansicht konzipiert. Durch dieses gestalterische Mittel wurde erreicht, dass die Gesichtszüge von Trajan fester, schmaler und kaiserlicher wirken. Alleine durch die Wendung des Kopfes wurde eine Idealisierung erreicht. Ein weiteres Kennzeichen dieses Typus ist die Andeutung heroischer Nacktheit, eine durchwegs unrealistische Aufmachung. Die Dezenalienbildnise rücken Trajan in die Sphäre des Göttlichen. Es soll den Kaiser darstellen wie er gesehen werden sollte: Als gütigen Vater des Vaterlandes, der nicht durch Gewalt, sondern aufgrund seiner Fähigkeiten und seiner Autorität herrscht. Dieser Bildnistypus darf als überpersönliches, politisches Bildnis verstanden werden. Die Büste im Kapitolinischen Museum bringt diese Aussage besonders gut zum Ausdruck. Dieser Büstentypus findet sich auch auf Münzbildnissen, es handelt sich also um ein offizielles Bildnis für den öffentlichen Gebrauch. Man darf dieses Portrait nicht als naturalistisches Bildnis verstehen. Es zeigt zwar viele individuelle Merkmale, diese werden aber werden mit idealisierenden Merkmalen vermischt, wie beispielsweise der heroischen Nacktheit.

Das Dezenalienbildnis von Trajan Unter Trajan (98-117 n.Chr.) erreichte das römische Reich seine grösste Ausdehnung. Trajan führte eine expansive Ostpolitik gegen die Parther und gliederte Dakien dem römischen Reich an. Im Weiteren zeichnete er sich als grosser Bauherr aus. Das Dezenalienbildnis wurde zum 10-jährigen Regierungsjubiläum erschaffen und tritt auch auf Münzen im Jahr 108 n.Chr. in Erscheinung. Das Dezenalienbildnis von Trajan im Kapitolinischen Museum, Stanza degli Imperatori 22, Inv. 276 stammt aus der Sammlung Albani. Es ist stark ergänzt an Nase, Kinn, Ohren, rechter Schulter und am Feldherrenmantel. Es weist starke Bestossungen auf. Von Trajan gibt es 5 Bildnistypen: Erstes Bildnis, Bürgerkronenbildnis, Typus Paris-1250Mariemont, Dezenalienbildnis und Opferbildnis. Wobei Typus Paris-1250-Mariemont wegen der Frisurähnlichkeit zunächst dem Ersten Bildnis zugeordnet wurde. Das Dezenalienbildnis zeigt den Kaiser, wie er gesehen werden sollte: Als göttlichen Vater des Vaterlandes. Die Gesichtszüge werden idealisiert, der nackte Oberkörper, Paludamentum und Schwertband rücken Trajan in die Sphäre des Göttlichen. Die Locken sind detailreich und verspielt in Gruppen und Zangen gelegt. Sie werden nach links gekämmt. Dies ist ein wichtiges Erkennungsmerkmal des Dezenalienbildnises. Die Drei-Viertel-Ansicht erhöht die Idealisierung, Trajans Gesichtszüge wirken so erhabener. Die Büstenform ist so gross, dass sie die Armansätze und die Brustwarzen miteinschliest. Das Dezenalienbildnis greift in seiner Konzeption nicht auf die Klassik, sondern auf den augustäischen Klassizismus zurück. Besonders in der Seitenansicht wird die ähnlichen Frisurenmotive und Gesichtskonzeption mit den Augustusbildnissen deutlich.

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Die Aussage ist folgende: Trajan wird durch gestalterische Mittel an Augustus angeglichen. Die „guten alten Zeiten“ sollen wiederaufleben. Die Herrschaft von Augustus wurde als gut bewertet, Trajan ist sogar der Optimus, der Beste. Das Bildnis im Kapitolinischen Museum Inv. 276 dürfte von der Gestaltung des Kopfes dem verlorenen Urbild des Dezenalienbildnises am nächsten stehen. Die Büstenform und die Feldherrenmantelgestaltung dürfte vom Bildnis im Vatikan Sala dei Busti Nr. 282 am ursprünglichsten sein. London BM Nr.1893 stellt eine spätere Steigerung, Vatikan Braccio Nuovo Nr. 48 dagegen eine Verflachung dar.

Literaturhinweise Eck, Werner, Fritschen, K.

Gottschalk, Gisela Zanker, Paul

Helbig, W. Gross, Walter Hallo

Stuart Jones, H.

Amelung, Walther Bernouli, Joh. Jakob

Kaisersaal: Portraits aus dem Kapitolinischen Museen in Rom Köln 1986 Die grossen Cäsaren Bern und München 1980 Katalog der römischen Portraits in den Capitolinischen Museen in Rom 1985 Band I. Text und Tafeln Kaiserbildnisse (Seiten 38- 43) Führer durch die öffentlichen Sammlungen in Rom Kapitol. Mus. Stanza degli Imperatori 1966 Bildnisse Trajans (in Buchreihe: Das römische Herrscherbild Band II, 2) Berlin 1940 und 1956 A Catalogue of Ancient Sculptures: The Sculptures of the Museo Capitolino Oxford 1912 (Unter Rom, Kapitol zu finden) Die Sculpturen des Vaticanischen Museums Belin 1903 Römische Ikonographie Band II, 2 Stuttgart 1891 (Nur in Zentralbibliothek vorhanden unter alte Drucke)

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Erweiterungen zum Referat Erhabenheit im augustäischen Sinne meint eine Idealisierung. Es wird auf das Schönheitsideal der Klassik zurückgegriffen. Das Bildnis Kapitol 3019 ist noch nicht klassizistisch. Ein Vergleich: Kapitol 3019 vierschrötig, flache Stirn breite Kinnecken wulstige Fleischbildung einfachste Frisurbildung

Kapitol 276 Eiförmig Backenknochen treten hervor komplexe Frisur

Vergleich mit Augustus Primaporta-Typ und Kapitol 3019: Gibt es eine Verwandtschaft der Formensprache oder der Darstellungsweise? Der Mund und die neutral wirkenden Augen sind zwar ähnlich, doch die Kopfstruktur ist total anders. Der klassizistische Kopftyp ist rundlich-eiförmig: Augustus Daher ist der Kopf Kapitol 3019 nicht klassizistisch. Die Büste Kapitol 276 bezieht sich auf den augustäischen Klassizismus und nicht so sehr direkt auf die eigentliche Klassik. Besonders in der Seitenansicht wird dies deutlich: Die Locken sind in gleicher weise vom Ohr weggekämmt. Dasselbe Spiel von Zangen, Gabeln und Haarüberlagerungen. Es hat also ein radikaler Wandel vom 1. Typus zum Dezenalientyp stattgefunden. Trajan griff also nicht auf die Klassik zurück, sondern auf den augustäischen Klassizismus. Alle Bildnistypen sind übrigens auf der Trajanssäule zu finden: Sie waren also gleichzeitig in Gebrauch. Anfangs waren die Bildnise noch nicht auf Augustus ausgerichtet, Nerva regierte nur 16 Monate, Trajan wurde also ziemlich überraschend Kaiser, eine Ideologische Ausrichtung, wie er gesehen werden wollte war gar nicht möglich. Erst später begann die grosse Selbstinszenierung. Die politische Aussage: Trajan soll Augustus gleichwertig sein. Die guten alten Zeiten sollen wiederaufleben. Augustus galt als guter Herrscher, Trajan wird als Optimus, der Beste, dargestellt.

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